ANTILLECTUAL

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Double Dutch: Niederlande vs. Niederlande (ANTILLECTUAL interviewt von GEWAPEND BETON)

Okay, im Auftrag von GEWAPEND BETON werde ich, Douwe, einige Fragen an Riekus und Willem von ANTILLECTUAL stellen. Das Konzept dieses Interviews lautet: „Fünf Dinge, die wir schon immer über die Band wissen wollten, aber uns nie zu fragen wagten.“ Obwohl ich mir fast sicher bin, dass es keine peinlichen Themen gibt, die ich ansprechen kann, fange ich mit etwas an, das mich neugierig macht und worüber wir noch nie gesprochen haben: neue Bandmitglieder.

Bei GEWAPEND BETON spielen wir seit der Gründung in der gleichen Besetzung und außerdem waren wir von Anfang an gute Freunde. Das macht es für uns schwierig nachzuvollziehen, wie das ist, wenn man Teile des Line-ups auswechselt. Ich würde gerne wissen, wie sich das anfühlt und was einem in solchen Momenten durch den Kopf geht, wenn ein Bandmitglied erklärt, dass es aussteigen will, und dir wird klar, dass du jetzt einen Ersatz finden musst. Ich denke, es wäre ein Riesending, wenn jetzt einer von euch sagen würde, dass er eines der Bandmitglieder vermissen würde, das schon so lange mit ihm gespielt hat, aber vielleicht eröffnet es ja auch einfach neue Möglichkeiten ...

Riekus: Ja, wir haben wirklich eine ziemlich bewegte Geschichte, wenn es um Wechsel im Line-up geht, deshalb bin ich nicht überrascht, dass du diese Frage stellst. Genau genommen haben ANTILLECTUAL auch als eine Gruppe von Freunden angefangen, und ich bezeichne immer noch alle früheren Mitglieder und Ersatzleute, mit denen wir je zusammengearbeitet haben, als gute Freunde, auch wenn sie sich dazu entschlossen haben, sich mehr auf andere Bereiche ihres Lebens zu konzentrieren.

Willem: Wir als Band haben nie beschlossen, das Line-up der Band zu verändern. Es waren immer die Einzelnen, die ausgestiegen sind. Für uns bedeutete das, klären zu müssen, ob wir aufhören oder uns einen Ersatz suchen. Die Band macht viel zu viel Spaß, um aufzuhören, also machten wir uns auf die Suche – so einfach war das.

Riekus: Es ist schon ziemlich entmutigend, mitansehen zu müssen, dass jemand die Band verlässt, aber das geschah immer aus guten Gründen, also konnten wir nichts dagegen sagen. Ich glaube, dass die Suche nach neuen Bandmitgliedern, mal abgesehen von den zeitfressenden und stressigen Aspekten, einem echt die Chance bietet, sich zu entwickeln. Zum Beispiel bin ich fest überzeugt, dass uns die Arbeit mit Tom und Tim in den letzten zwei Jahren als Band vorangebracht hat. Im Moment suchen wir nach einem neuen Bassisten und da schauen wir schon gezielt darauf, dass er etwas mitbringt, was unsere Entwicklung noch weiter vorantreibt. Das Wichtigste ist aber, dass man sich zwischenmenschlich gut versteht und Freundschaften bestehen oder sich entwickeln. Also die Antwort ist im Prinzip ja. Es hat schon ein paar Vorteile, wenn man Bandmitglieder ersetzen muss, außerdem bekommen wir so die Möglichkeit, mit vielen verschiedenen Musikern zu jammen.

Was war der Effekt der vielen bandinternen Veränderungen bei ANTILLECTUAL während der letzten Jahre? Gab es neue, unerwartete musikalische Entwicklungen deswegen und hat es die „Inhalte“ der Band verändert, was zum Beispiel einzelne Texte betrifft oder generell neue Themen?

Riekus: Ich glaube, das ist schwer zu beantworten, weil du ja immer versuchst, dich als Band und deine Musik zu verbessern. Bevor Yvo die Band verlassen hat, hatte er beim Songwriting und Texten schon seinen Teil beigetragen, so dass also sein Weggang schon die Arbeitsweise verändert. Jetzt beruhen alle Songs und Texte auf Ideen von Willem – das hat sich auf jeden Fall verändert. Mit Tom und Tim hatten wir mehr Möglichkeiten, melodischen Gesang einzubringen, was natürlich unseren Sound beeinflusst hat. Wer weiß schon, was der neue Typ oder das neue Mädchen bringt – wir sind selbst ganz schön neugierig!

Gerade erst habt ihr ein neues Album mit dem Titel „Start From Scratch!“ herausgebracht. Ich habe hier und da einige Reviews gelesen und die waren durchweg positiv. Seid ihr zufrieden mit der neuen Platte und was glaubt ihr, wie sie von den Hörern aufgenommen wird?

Riekus: Du hast aber nicht die Besprechung gefunden, in der wir eine „zweitklassige Version von PENNYWISE“ genannt werden, oder die, in der steht: „Einflüsse von PAPA ROACH“, oder? Ich bin total zufrieden damit, wie die Platte letztendlich geworden ist. Ich denke, dass die Songs um einiges strukturierter und auch dynamischer sind. Außerdem ist der Sound viel raffinierter als auf dem letzten Album. Bis jetzt waren die Reviews und Reaktionen auf die neuen Songs bei Shows aber sehr nett und herzlich. Im Großen und Ganzen hat uns dieses Album mehr Publicity gebracht als jemals zuvor. Seitdem es erschienen ist, spielen wir größere Shows und Touren und ich schätze, dass das auch zum Teil darauf zurückzuführen ist, wie das Album beim Publikum ankommt.

Ihr spielt ja nun echt viel, absolviert jedes Jahr mehrere Touren, wenn ich da richtig informiert bin. Wie macht ihr das? Wie schafft ihr es, eure Rechnungen zu bezahlen?

Riekus: Oh ja, wir spielen wirklich viel, in den letzten fünf Jahren im Durchschnitt 100 Shows pro Jahr, die meisten davon im Ausland. Wie wir das machen? Wir mussten alles so organisieren, dass es uns erlaubt, sehr oft weg von zu Hause zu sein. Das bedeutet, dass wir nie in einer Festanstellung arbeiten können und jegliches soziales Leben vernachlässigen müssen. Wir verpassen Hochzeiten und Geburtstage von Freunden und investieren einen Haufen Zeit in die Band. Aber wir freuen uns natürlich riesig, dass wir ein paar Labels gefunden haben, die unsere Musik in ganz Europa, den USA und Russland veröffentlichen und promoten. Sie ebnen uns den Weg, in diesen Länder zu spielen. Aber weil man mit Punkrock nicht wirklich seinen Lebensunterhalt bestreiten kann, versuchen wir zu Hause so viel wie möglich zu arbeiten und so billig wie nur möglich zu leben. Willem hat Gelegenheitsjobs als Gitarrenlehrer, Fahrer oder in der Pflege. Ich bin Teilhaber einer Software-Firma zusammen mit früheren Studienkollegen, also bin ich mein eigener Boss und kann mehr oder weniger selbst entscheiden, wo und wann ich arbeite. Meine Partner unterstützen mich aber sehr und sind sehr flexibel, was meinen Tourplan angeht.

Ich weiß mittlerweile, dass eine ANTILLECTUAL Tour ein bisschen anders ist als beispielsweise eine „Sex, Drugs and Rock’n’Roll“-Tour mit MÖTLEY CRÜE, deshalb bin ich neugierig, wie eure Art von Tour aussieht. Was ist eurer Meinung nach das Beste daran?

Riekus: Ich bin mir gar nicht sicher, ob wir so was wie eine Philosophie des Tourens überhaupt haben, aber wir achten auf jeden Fall darauf, dass wir gesund und in Form bleiben, um den jetzigen Standard beibehalten zu können. Richtig besoffen sein und jede Nacht Partys sind also nicht unbedingt Teil unseres Tourlebens. Das bedeutet ja nicht, dass wir total langweilige Einsiedler sind, die ihre ganze Zeit nur fahren oder schlafen. Wir versuchen einfach, das so in Balance zu halten, dass wir in der Lage sind, 100 gute Shows im Jahr zu spielen.

Willem: Touren ist für uns eher ein ernsthafter Job, keine Auszeit von unseren eigentlichen Jobs – also nicht der sorglose Urlaub, wie vermutlich für viele andere. Wir nehmen die Band sehr ernst und auch die Zeit, die sie in Anspruch nimmt, und wir wollen das Beste aus ihr rausholen – für uns und für die Leute, die kommen und sich unsere Shows ansehen.

Riekus: Guter Schlaf und nicht jeden Tag neun Stunden unterwegs zu sein helfen da viel. Ich würde sagen, das Beste am Touren ist, neue Leute kennen zu lernen und für ein neues Publikum zu spielen, ebenso wie Freunde wieder zu treffen, die wir im Laufe der Zeit gewonnen haben. Daneben geht ein Großteil der Zeit auf Tour dafür drauf, die anfallende Arbeit zu erledigen: neue Touren buchen, Merchandise bestellen, Interviewfragen beantworten uns all das. Und wir lesen auch viel, schauen viel aus dem Fenster und staunen, wie die Landschaften an uns vorbeifliegen.

Vor ungefähr drei Jahren wurden wir eingeladen, um bei der Release-Show von eurem Album „Testimony“ zu spielen. Das war ein großartiger Abend und sowohl unser als auch euer Auftritt war sehr cool und auch das Publikum reagierte extrem gut. Allerdings haben wir danach nicht viel häufiger zusammen gespielt, vielleicht ein oder zwei Mal in den letzten Jahren. Glaubst du, obwohl die Release-Show ja bewiesen hat, dass das Publikum die Kombination gut aufgenommen hat, dass es gewisse Unterschiede zwischen unseren Bands gibt und dementsprechend auch Unterschiede zwischen unseren Zuhörern, die dazu führen, dass wir nicht öfter zusammen spielen? Könnte es dabei vielleicht auch auf das jeweilige Land ankommen?

Riekus: Das war eine fantastische Show für alle Beteiligten und ich glaube, dass bei unserem Publikum mehr Überschneidungen gibt, als wir selbst denken. Ich habe wirklich keine Ahnung, warum wir nicht viel öfter miteinander spielen. Vielleicht sind wir zu stur und zu D.I.Y., um öfter mit anderen Bands zusammenzuarbeiten. Das wäre aber seltsam, weil wir mit vielen fremden Bands zusammenarbeiten und ihnen bei Touren und Shows aushelfen. Klar sind wir vom Musikstil her ein bisschen unterschiedlich, aber trotzdem finde ich, dass die besten Shows die sind, bei denen die Bands sich auch ein bisschen unterscheiden. Dass geografische Gründe eine Rolle spielen. glaube ich nicht. Soweit ich weiß, seid ihr oft in Deutschland und habt auch weiter im Osten viele Fans. Das sind auch Regionen, in denen wir immer gerne gespielt haben. Nur ob die Leute daran interessiert wären, uns zusammen zu sehen, kann ich nicht beurteilen. Falls GEWAPEND BETON es gut fänden, mit einem Haufen nicht feiernder „27 ’til we die“-Einsiedlern zu touren, haha! Wer weiß, vielleicht hat das Ox dieses Interview angesetzt, um uns einander näher zu bringen.

Ihr hattet schon einige wirklich coole Touren durch die ganze Welt und seid Vorband für verschiedene größere Bands gewesen, wie zum Beispiel RISE AGAINST, HOT WATER MUSIC, THE GASLIGHT ANTHEM oder PROPAGANDHI. Wenn es die Möglichkeit gäbe, eine Show oder sogar eine Tour mit einer Band, oder auch einem Package oder Line-up eurer Wahl zu spielen, wie sähe das aus?

Riekus: Nachdem wir mit BOYSETSFIRE getourt sind und erst kürzlich für RISE AGAINST in Düsseldorf als Support gespielt haben, würde ich die Latte gerne ein bisschen höher legen. Ein Paket mit den FOO FIGHTERS, A DEATH IN THE FAMILY und uns wäre ein großartiger nächster Schritt, haha. Also realistisch gesehen wäre eine ganze Tour mit einer Band wie PROPAGANDHI auch die Erfüllung eines Traums.