Jade Tree Records

Jade Tree Records ist seit ein paar Jahren eines der profilitiertesten Labels, wenn es um Musik geht, die zwar aus Punk- und Hardcore entstanden, aber mittlerweile ein paar Schritte weiter gegangen ist. Bands wie LIFETIME, J CHURCH, JOAN OF ARC, KID DYNAMITE,vor allem aber JETS TO BRAZIL und PROMISE RING haben das Bild des Labels von der Ostküste geprägt, das sich schon immer durch besonders liebevolle Aufmachung und Gestaltung seiner Releases auszeichnete. Ich führte dieses Interview mit Darren und Tim, den beiden Machern von Jade Tree.

Wann wurde das Label gegründet?

Darren: " Das Label wurde im Herbst 1990 gegründet und unsere erste Veröffentlichung war "Culture Shock" von FOUR WALLS FALLING im August 1991."

Wie seid ihr auf die Idee gekommen?

Darren: " Zu der Zeit studierte ich an der Universität und wollte Lehrer werden. Ich hatte gerade mein altes Label Hi-Label, wo Sachen wie TURNING POINT oder ZERO TOLERANCE erschienen waren, geschlossen und wollte mich intensiver auf mein Studium konzentrieren, als Tim mich fragte, ob ich Lust hätte, mit ihm ein Label zu gründen. Tim und ich kannten uns schon seit einigen Jahren und wir hatten bis zu diesem Zeitpunkt immer unsere eigenen Projekte gemacht, doch ich denke, wir wussten, dass wir zusammen etwas Grossartiges auf die Beine stellen könnten. Obwohl wir Straight Edge-Anhänger sind, wollten wir den vorgegebenen Rahmen erweitern und ausserdem Musik von anderen Bands veröffentlichen, die uns gefallen. Jade Tree schien der perfekte Weg zu sein, dies zu realisieren."

Wie seid ihr zum Punk Rock - oder wie auch immer ihr die Musik, die ihr mögt und veröffentlicht, bezeichnen wollt - gekommen?

Darren: " Ich hatte schon 1983 ANGRY SAMOANS im Ferienlager und 1984 die DEAD KENNEDYS in der High School gehört, aber aufmerksam wurde ich darauf durch meinen besten Freund, der damals zum Militär musste und dort alle Arten von Punk und Hardcore hörte. Immer wenn er in den Ferien zu Besuch kam, brachte er Tapes von anderen Leuten mit und so lernten wir mehr Bands kennen, kauften Platten, hörten die College-Radiosender und besuchten Konzerte. Zu dieser Zeit etablierten sich Punk, Hardcore und Independent zu einem grossen Bestandteil meines Lebens."

Welche Bands waren damals wichtig für euch?

Darren: "Oh, Gott, es waren so viele, und viele davon sind immer noch so wichtig für mich wie damals. Um nur einige zu nennen: 7 SECONDS, THE SMITHS, MARGINAL MAN, D.I., DEAD KENNEDYS, MDC, FAITH, ADOLESCENTS, GBH, CRO-MAGS, SNFU, DAG NASTY und BAD BRAINS. Es sind wirklich zu viele, ich könnte noch etliche aufzählen!"

Wie seid ihr die Labelgründung angegangen?

Darren: " Wie ich schon erwähnte, hatte ich schon durch das Hi-Impact-Label und Tim durch Axtion Packed Erfahrungen gesammelt. Anfangs benutzte ich das Geld, das ich von Hi-Impact gespart hatte und die meisten Kenntnisse, die ich mir dort erworben habe, um Jade Tree aus der Taufe zu heben. In dieser Zeit habe ich viel von den anderen Labels gelernt, die mir mehr als bereitwillig Tips gaben, wie man Platten veröffentlicht. Zum Beginn von Jade Tree haben wir ausserdem einen Kredit aufgenommen. So einfach geht das."

Welche Labels, Personen oder Ideen haben euch beeinflusst, das Label zu gründen?

Darren: " Nun, ich denke, dass Tim und ich uns mehr an älteren und bereits etablierten Labels, wie Dischord, Touch and Go, Alternative Tentacles und frühen Epitaph orientiert haben."

Wer sind die Menschen hinter dem Label?

Darren: "In erster Linie wir beide, also ich, Darren Walters, und Tim Owen. Ich erledige die täglich anfallenden Dinge, wie z. B. Buchhaltung, rechtliche Angelegenheiten, Mailorder oder Betreuung der Mitarbeiter. Tim ist für die drei P verantwortlich: Publicity, Promotion und Produktion. Ausser uns und unseren Angestellten gibt es noch eine grosse Familie von Menschen, wie die Leute von Mordam, Jessica Hopper von Hyper PR, McGathy Radiowerbung, Konzertveranstalter, und alle, die für uns arbeiten und uns helfen, ohne die wir es nicht schaffen würden."

Tim, du bist ausser "Labelboss" auch noch Fotograf.

Tim: " Ja, ich bin auch Fotograf. Ich fing 1987 an und belegte einen Kurs in der High School. In Washington begann ich, die Auftritte von den späten 80er Punk- und Hardcorebands der East Coast zu fotografieren. Ich war so begeistert davon, dass ich anfing, Fotografie zu studieren. In meinem ersten Studienjahr fotografierte ich für Magazine und Plattenfirmen, anfangs bei Alternative Press und danach bei Thrasher. Über die Jahre habe ich für Raygun, Spin, Rolling Stone, Melody Maker, Details, Seventeen und viele Fanzines gearbeitet. Ich fotografiere immer noch, jedoch fehlt mir wegen Jade Tree häufig die Zeit."

Gibt es eine Geschichte hinter dem Namen Jade Tree?

Tim: "Dieser Name kam mir einfach so, ich weiss nicht mehr, wie oder wo, aber es passte einfach. Ich wollte einen Namen, der aus dem Rahmen fällt."

Habt ihr selbst in Bands gespielt?

Tim: " Nein, ich habe nie in einer Band gespielt. Ich mag es, Schlagzeug zu spielen, trotzdem besitze ich keins. Aber ich bin wirklich nah dran, mir wahrscheinlich noch dieses Jahr eins zuzulegen."

Im Laufe der Jahre ist das Label ein hartes Geschäft geworden, da ihr davon lebt. Wie war es am Anfang und wie seht ihr eure Zukunft?

Tim: "Ja, das Label ist im Laufe der Jahre ständig grösser geworden. Zu Beginn war es unser Hobby, Platten herauszubringen. Es gab nie einen grossen Plan. Wir waren einfach zwei motivierte Kids. Bis es nach zwei Jahren zum Vollzeitjob wurde, gab es keinerlei Lohn für uns, da wir das verdiente Geld sofort zurück in das Label steckten. Du kannst alles erreichen, wenn du daran glaubst. Irgendwie wurde das Hobby dann zum Geschäft. Aber es geht darum, sein eigener Chef zu sein. Das Label ist etwas, das wir uns geschaffen haben und das wir besitzen. Die Erfolge mit Jade Tree ermutigen sehr und motivieren, immer härter zu arbeiten. Wir wollen die Leute bewegen, genau wie die Labels vor uns."

Habt ihr eine spezielle Label-Politik?

Tim: "Es gibt keine wirkliche Firmenpolitik, ausser, dass wir Platten mit Freunden und Bands veröffentlichen, die wir respektieren. Sie sind eine Bereicherung für uns, unser Label, und wichtig für unsere Identität. Deshalb ist es so wichtig für uns, dass sie Respekt und Glaubwürdigkeit bekommen, weil dies widerum unseren Respekt und unsere Glaubwürdigkeit repräsentiert. Wir veröffentlichen Platten, weil wir sie mögen und nicht, weil wir wissen, dass sie sich gut verkaufen. Aber ich denke, dass die Leute das wissen und es sehen können. Welches Label bringt sonst so unterschiedliche Sachen wie JOAN OF ARC, JETS TO BRAZIL, EUPHONE und KID DYNAMITE heraus? Wir hören jede Art von Musik, deshalb ist es wichtig für uns, vielfältig zu sein."

Bedeutet es euch viel, ein Indie-Label zu sein? Und was haltet ihr von Major-Labels?

Tim: "Es ist uns sehr wichtig, unabhängig zu sein. Das haben wir uns geschaffen, wir können es kontrollieren. Sein eigener Chef zu sein ist ein riesiges Gefühl! Wir veröffentlichen Platten, um den Leuten etwas zurückzugeben, um sie zu begeistern. Punkrock hat unser Leben zum Positiven verändert. Wir machen dieses Label, weil wir uns für die Musik und die Fans interessieren. Unabhängig zu sein bedeutet, dass wir die Freiheit haben, zu machen, was auch immer wir wollen. Wir möchten mit Major-Labels nichts zu tun haben. Sie wollen unsere Bands unter Vertrag nehmen, doch darauf lassen wir uns nicht ein. Sie können für keinen Preis das kaufen, was wir haben und uns geschaffen haben. Majors wollen immer ein Teil von dem sein, was angesehen ist, weil sie keine Ahnung haben. Sie orientierten sich schon immer am Underground, um zu sehen, was "cool" ist. Genauso mussten sie immer die Independent-Labels im Auge behalten, und werden es auch immer tun. Majors sind international vertreten und besitzen Millionen. Sie sind nicht interessiert an der Musik, sondern nur am Profit. Das ist der Unterschied zwischen einem Major- und einem Indie-Label. Rückblickend ist es schon überraschend, wie wir gewachsen sind und wieviel in den Jahren geschehen ist. Wir veröffentlichen seit fast zehn Jahren Platten. Es hat als Hobby angefangen, als etwas, das wir lieben."

"Emo" scheint in den USA sehr angesagt zu sein. Habt ihr eine Idee, warum?

Tim: " Ich weiss es nicht. Ich denke, es hat etwas mit der jeweiligen Zeit zu tun. Leute, die vor einigen Jahren angefangen haben, Punk und Hardcore zu hören, beschäftigen sich heute mehr mit Post-Punk, Rock und Pop. Der Musikgeschmack ändert sich üblicherweise mit dem Alter."

Gibt es eine "Emo-Szene" oder sind es die selben Leute, die auch auf Hardcore- oder Punk-Konzerte gehen?

Tim: " Es gibt keine Emo-Szene bei den Fans, sondern bei den Bands. Aber das ist bei jedem Musikstil so. Es gibt immer viele Bands in einem bestimmten Genre. Ich denke jedoch, dass die Leute sehr variabel in ihrem Musikgeschmack sind, es herrscht eine angenehme Vielfalt. Man sieht Punks bei Indie-Konzerten oder umgekehrt. Es gibt keine Trennung, das ist grossartig."

Der Begriff "Emo" ist zum einen klischeehaft, zum anderen wird er inflationär benutzt. Wie seht ihr das?

Tim: " Es ist definitiv ein Klischee. Es gibt zu viele schlechte Bands. Du solltest dir mal etwas von dem Zeug hören, das wir geschickt bekommen. Musik hatte immer viel mit Identität zu tun. "Emo" ist einfach ein Begriff für den Post-Punk der 90er geworden. Ich weiss nicht, wann das angefangen hat und warum der Begriff so oft benutzt wird."

Die Jade Tree-Veröffentlichungen weisen immer sehr gutes Artwork auf. Wer ist dafür verantwortlich?

Tim: "Unser Artwork ist etwas, worauf wir sehr stolz sind. Das hebt uns von den anderen ab. Ich habe Kenntnisse in Kunst, Fotografie und Design, deshalb ist es sehr wichtig für mich, dass unsere Platten gut klingen und aussehen. Seit dem ersten Tag war das fester Bestandteil unserer Labelpolitik und das wird auch weiterhin so sein. Über die Jahre haben wir mit den verschiedendsten Grafikdesignern zusammengearbeitet, wie z. B. John Yates, Jason Farrell, Jason Gneikow oder Jeremy Dean, um nur einige zu nennen. Ausser mit den Bands, arbeiten wir noch mit unseren Freunden an den Layouts. Punkrock bedeutet, seine Mittel auszuschöpfen, mit seinen Freunden zu arbeiten."

Vinyl? CD? Was bevorzugt ihr? Seht ihr einen Unterschied zwischen den verschiedenen Märkten, wie USA, Europa/Deutschland...?

Tim: " Ich habe einen schlechten Plattenspieler. Ich kaufe CDs und mag die bequeme Handhabung. Das ist aber nur bei neuen Veröffentlichungen der Fall. Alte Sachen, wie LED ZEPPELIN, ROLLING STONES oder ähnliches, kaufe ich mir allerdings gebraucht auf Vinyl. Aus der Sicht des Labels kostet uns die Produktion von Platten weit mehr als die von CDs. Solange Nachfrage besteht, werden wir weiterhin Vinyl anbieten. Es gab eine Zeit, in der wir überlegten, wegen der hohen Kosten auf die Herstellung zu verzichten, aber es ist wichtig für uns, das Format längstmöglich zu erhalten. Ich schätze, dass irgendwann der Zeitpunkt erreicht ist, an dem keine Platten mehr hergestellt werden, weil die Technik zu weit fortgeschritten ist."

Was war euer grösster Erfolg und was eure grösste Enttäuschung?

Tim: "Jede neue Platte ist ein Erfolg für uns, weil die Bands uns den Vorzug gegenüber anderen Labels gegeben haben. Es macht keinen Sinn, einzelne Künstler hervorzuheben, weil wir alle gleich behandeln. Wir hatten einige Enttäuschungen, wovon ich hier aber keine nennen möchte."

Welche Bands hättet ihr gerne auf eurem Label?

Tim: "Das ist eine schwere Frage. Ich weiss nicht, ob du genug Papier hast, aber hier sind einige Bands, die auf meiner Liste ganz oben stehen: PEDRO THE LION, CAT POWER, FUGAZI, AT THE DRIVE-IN, CAVE IN, BURNING AIRLINES, MACHA, DILLINGER 4, AMON TOBIN, DEFTONES, FOO FIGHTERS, DJ SHADOW, RAGE AGAINST THE MACHINE, BELLE AND SEBASTIAN, THE DONNAS, AIR und BUILT TO SPILL."

Möchtet ihr zum Schluss noch etwas loswerden?

Tim: "Danke für deine Fragen, viel Glück mit deinem Magazin und Danke für dieses Interview. Wir wissen die Unterstützung zu schätzen!"

Joachim Hiller