GEWAPEND BETON

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Double Dutch: Niederlande vs. Niederlande (GEWAPEND BETON interviewt von ANTILLECTUAL)

Douwe, die meisten Leute halten unsere Band ANTILLECTUAL für eine „politische“ Band, eine Band mit einer Message. Dabei scheint deine Band GEWAPEND BETON mit ihren Texten ein weitaus größeres Spektrum zu umfassen: auf der einen Seite gibt man sich reichlich angepisst, wenn ein Song ein soziales Problem anspricht – erinnert sich noch jemand an „Rita Jeugd“? –, dann scheint sich alles wieder nur um Spaß und Party zu drehen. Wie würdest du das Image von GEWAPEND BETON einschätzen, wenn es denn eines gibt? Würdest du euch als „politische“ Band bezeichnen oder eher als ein Haufen Kumpels, die sich amüsieren wollen?

Riekus, besten Dank für deine Frage. Ich denke, dass man GEWAPEND BETON durchaus als politisch bezeichnen kann, insofern wir mit Sicherheit eine Botschaft haben. Das Ding ist, dass wir keinen Druck spüren, all die offensichtlichen Dinge, die schon so oft gesagt wurden, zu wiederholen oder die ganze Zeit darüber zu sprechen. Das ist der Grund, warum man von uns nicht wirklich viel über soziale Ungerechtigkeit, Rassismus oder Umweltverschmutzung hört. Ich erinnere mich noch genau an das erste Interview mit GEWAPEND BETON, da waren wir gerade 14 oder 15 Jahre alt, und nach ein paar der üblichen Fragen wollte der Interviewer wissen, ob wir eine entscheidende Botschaft für die Welt hätten, und unsere Antwort lautete: „Immer kritisch bleiben!“ Und das ist eigentlich immer noch unser Grundsatz, wobei die Kritik nicht nur soziale Aspekte einschließt, sondern auch uns selbst und die Punk-Szene. In unseren Songs geht es auch darum, was wir durch unser eigenes Verhalten und eigenen Lebensstil anrichten. Zuletzt haben wir unsere Kritik an der Punk-Szene in dem Song „The way is paved“ formuliert, aber auch ältere Songs wie „King of fools“ zeigen deutlich unsere Abneigung gegen alles, was in Richtung „Zehn Regeln für Punks“ geht. In meinen Augen hat nämlich auch die „ach so freie und offene“ Punk-Szene in den letzten Jahren ein paar ziemlich starre Dogmen entwickelt, und es ist allzu leicht, wieder in diese Stereotypen zu verfallen, sogar wenn du dich um Offenheit bemühst, aber sobald du immer auf der Stelle trittst, bist du irgendwann blind für neue Erkenntnisse und verwechselst deine alten Angewohnheiten mit der ewigen Wahrheit. Ich schätze, dass Kritik schnell als Ketzerei abgestempelt wird, was bloß unsere Haltung bestätigt.

Wie du schon in deinen Fragen angemerkt hast, haben wir in Sachen Line-up Veränderungen schon echt einiges mitgemacht, während GEWAPEND BETON schon immer aus denselben Leuten und – wie ich glaube – guten Freunden besteht. Geraten Freunde im Band-Leben nicht mal aneinander? Ich meine, wenn man mit der Band tourt, dann kann das ganz schön intensiv sein. Ich hoffe, dass ihr nie darüber nachdenken müsst, aber wie würdet ihr darauf reagieren, wenn die Interessen innerhalb der Band sich auseinander entwickeln würden oder einer von euch sogar aufhören will?

Also wenn man mal von den musikalischen Vorteilen absieht, die es bringt, wenn man so lange in einer Band zusammen spielt und dazu auch noch echt eng befreundet ist, dann ist ein weiterer Vorteil auf jeden Fall, dass Ambitionen und Interessen zusammenwachsen. Außerdem kennt man als Freunde die jeweiligen Eigenschaften und Macken ganz genau und weiß, was man kriegt. Wir ticken so synchron, dass wir, auch wenn wir wochenlang auf Tour waren, uns trotzdem gleich wieder verabreden, um zusammen was trinken zu gehen, sobald wir wieder zu Hause sind, haha! Trotzdem wird es immer die Möglichkeit geben, dass die Ambitionen sich so weit ändern, dass einer aussteigen will. Glücklicherweise gab es so eine Situation bei uns noch nie – ziemlich riskant, so was auszusprechen! Ich befürchte auch, dass die Konsequenzen ganz schön heftig wären. Es wäre nicht leicht, ein Bandmitglied und damit einen Freund einfach so zu ersetzen.

Vor einer Weile habe ich euch als GERAFELD KARTON – so nennt ihr euch, wenn ihr als Coverband auftretet – bei der BRATPACK-Release-Show in Nimwegen gesehen. Ihr habt Songs von allen Bands gecovert, die euch beeinflusst haben: BLACK SABBATH, MOTÖRHEAD, MADBALL und so weiter. Wenn man sich eure Musik anhört und besonders eure letzte Platte „Big Dumb Kids“, dann ist es schon ziemlich offensichtlich, dass ihr zu mehr in Lage seid als den „Standard“-Punk-Sound, indem ihr Hardrock- und Metal-Elemente einfließen lasst. Wie reagiert das Punk/Hardcore-Publikum allgemein auf diesen Sound und vor allem in Bezug auf das letzte Album?

Generell sind die Reaktionen total positiv. Manche Leute, also sowohl Kritiker als auch im Publikum, können die neuen Einflüsse und die musikalische Entwicklung wirklich heraushören. Es ist echt cool zu wissen, dass Leute so was bemerken, aber es gibt natürlich auch einen beträchtlichen Teil, der keinen Unterschied hört, oder den es einfach nicht interessiert. Vielleicht klingt das jetzt ein bisschen hart an, aber ich sehe darin eine Schwäche der Punk-Szene: Musikalität wird nicht immer ausreichend gewürdigt. Ich will ausdrücklich nicht arrogant sein und sagen, dass unsere musikalische Entwicklung unterschätzt wird, aber du erlebst das so oft in vielen Bereichen. Bei allem Respekt, aber das ist der Grund, warum immer noch Bands wie DIE KASSIERER oder 4-SKINS und nicht musikalisch wirklich talentierte Bands wie ANNIHILATION TIME oder FUCKED UP bei den großen Punkrock-Festivals als Headliner spielen. Vielleicht könnte man das auch irgendwie als musikalisches Dogma beschreiben. Die RAMONES und die SEX PISTOLS haben eine musikalische Revolution ausgelöst, indem sie gezeigt haben, dass man kein besonders guter Musiker sein muss, um Musik zu machen, aber heute, 35 Jahre später, wissen wir das. Es bedeutet nicht, dass wir uns immer daran halten und uns jeglicher Entwicklung oder was auch immer verschließen und jede Musikalität als Nicht-Punk definieren müssen. Um wieder auf die Frage zurückzukommen: Wir sind sehr froh, wenn die Leute hören, was wir mit unserer Musik auszudrücken versuchen und das auch zu schätzen wissen. Glücklicherweise gibt es einige, die das tun.

In einem früheren Interview mit euch habe ich gelesen, dass ihr glaubt, die Niederlande geben ein ziemlich trauriges Bild ab, was Punkrock-Konzerte und -Festivals angeht, während es in Deutschland eine lebendige Festival-Kultur gibt. Ich weiß aus Erfahrung, dass es großen Spaß machen kann, gerade als niederländische Band in Deutschland zu spielen. Auf der anderen Seite scheint es in unserem kleinen Land immer mehr neue Punkbands zu geben, es passiert also was. Was glaubt ihr, worin Deutschland und die Niederlande sich in Bezug auf die Punk-Szene unterscheiden?

Ich glaube, dass Punkrock in Deutschland einfach eine größere Rolle spielt als in den Niederlanden. Das ist auch der Hauptgrund, warum die größeren Festivals hauptsächlich dort stattfinden. Soweit ich das beurteilen kann, interessieren sich die Kids dort auch viel mehr für Hardcore und Punkrock als in den Niederlanden. Man kann sagen, dass die Generation von 15- bis 17-jährigen Punks, die es in Deutschland sicher gibt, in den Niederlanden einfach fehlt. Trotzdem heißt das ja nicht, dass hier gar nichts passiert. Ich glaube, das bewegt sich wellenförmig, und im Moment sind wir mit vielen neuen Bands auf dem Weg nach oben. Der einzige Unterschied ist, dass die Leute, die hier eine Band gründen, etwas älter sind und schon in einigen Bands gespielt haben, was auch nicht unbedingt etwas Negatives ist. Die Konsequenz daraus ist jedoch, dass die Anzahl der Leute, die zu Konzerten kommen, gleich bleibt, obwohl es eine wachsende Zahl an Bands gibt. Deswegen würde ich immer noch sagen, dass Punkrock-Shows und Festivals ein bisschen traurig wirken können ... Aber je mehr Lebendigkeit die neuen Bands ausstrahlen, desto mehr wird sie das auch das Publikum erfassen. Also wer weiß, vielleicht wächst die niederländische „Szene“ ja schon wieder!

Um noch mal auf ältere Interviews zurückzukommen. Es gibt da etwas, das mich beschäftigt: die niederländischen Texte. Ihr behauptet, dass es so etwas wie eine sprachliche Grenze nicht gibt, wenn die Leute in ganz Europa bei euren niederländischen Texten mitsingen. Natürlich großartig, so etwas zu hören, aber trotzdem sind auf „Big Dumb Kids“ alle Lieder auf Englisch. War das beabsichtigt? Ich meine, habt ihr jemals die bewusste Entscheidung getroffen, dass es besser wäre, auf Englisch zu singen, oder darf man trotzdem noch hier und da einen niederländischen Song erwarten?

Dass es alles englische Texte sind, war keine Absicht, so als ob wir beschlossen hätten, nie mehr was auf Niederländisch zu schreiben. Um ehrlich zu sein, habe ich verschiedene niederländische Texte zu den Riffs ausprobiert, aber sie haben einfach nicht richtig gepasst oder sich nicht so gut angehört. Früher haben uns Leute öfter gefragt, ob wir mit englischen Texten nicht international erfolgreicher sein könnten, aber wie du schon gesagt hast, „Alles in de fik“ bleibt ein Song, bei dem alle Leute mitsingen, von England bis Kroatien. Wären taktische Erwägungen ausschlaggebend gewesen, hätten wir zuallererst den Bandnamen ändern müssen, haha! Nein, mir fiel es nur schwerer, die richtigen Worte und Sätze im Niederländischen zu finden als auf Englisch. Das kann damit zu tun haben, dass es auf Englisch einfach besser klingt – ich weiß es nicht. Tatsache ist, es hat auf Niederländisch einfach nicht funktioniert. Deswegen würde ich mal davon ausgehen, dass die Texte auch künftig auf Englisch sein werden. Aber das heißt nicht, dass es von nun an ein unumstößliches Gesetzt gibt, das besagt, dass GEWAPEND BETON nie mehr auf Niederländisch singen dürfen. Es ist immer noch möglich, dass ich irgendwann plötzlich wieder die richtigen niederländischen Worte finde, godverdomme!