One Million Dollar Records

Kennt jemand von euch noch den legendären Malibu-Versand? Neben massig obskuren Sonderangeboten gab´s da auch noch wirklich fähige Leute, die die Begleittexte zu den Platten mit Fachkompetenz und, das war ganz wichtig, mit einer guten Prise Humor schrieben. Was das alles nun mit ONE Million Dollar Records zu tun hat, fragt ihr? Okay, irgendwann bestellte ich mir auf Grund einer dieser Beschreibungen blind eine 10" der TOK¥O $KUNX! Beim Auspacken hab ich mich dann schon über das Coverbild halb schlapp gelacht, und als sich die Nadel wieder hob, stand ich noch minutenlang mit offenem Mund im Zimmer. Unglaublich, was für´n Sound! Rustic Stomp? Nie gehört, aber jetzt konnte ich mir wirklich ´ne Menge darunter vorstellen! Doch woher bekommt man jetzt weitere Platten? Die Suche in anderen Mailorderlisten oder Plattenläden verlief ergebnislos, auch Japan-Importe schüttelten nur mit dem Kopf. Da könnt ihr euch wohl gut vorstellen, wie groß meine Freude war, als ich eines Tages im Büro ganz unten im Stapel eine weitere Platte dieser Band entdeckte! Keine Diskussion, dat mußte einfach meine sein! Jetzt endlich hatte ich auch einen Ansprechpartner, der mir noch mehr davon besorgte, aber noch besser, er veröffentlichte das Zeux auch noch! Für Leute, die mit solch abgefahrenen Sound nun gar nix anfangen können, will ich noch ergänzend erwähnen, dass OMD Rec. auch noch sehr gute Surf- & Country-Platten veröffentlicht, die ich nur wärmstens empfehlen kann.

Obligatorische Einstiegsfrage: Wer bist du überhaupt? Wann wurde OMD Rec. gegründet und was war die Initialzündung, überhaupt ein eigenes Label zu starten? Welche Musik ist die Hauptausrichtung?


"Well, ich heiße Thomas Heidorn und wurde 1969 in Hamburg geboren, der Stadt des legendären STARCLUBS (den meine Mutter in ihrer Jugend schon heimlich besucht hat!) und dem größten Rotlichtviertel, yesss.

Als ich noch im Kinderwagen um die Häuser gezogen, äh, geschoben wurde, hat mir meine Mutter mal im Kaufhaus einen Köpfhörer aufgesetzt und ich soll gelacht haben, das war wahrscheinlich der legendäre Anfang von OMD Records. Bevor ich dann in den Kindergarten gekommen bin, habe ich schon angefangen wie ein beknackter Musik zu hören und eine Kassettte mit "ELVIS 40 GREATS" zu Tode gespielt. Meine ersten acht Platten waren dann auch ELVIS-Scheiben. dazwischen gab´s aber auch einen Haufen Schund wie ABBA und sogar DSCHINGHIS KHAN. Von Letzteren hab ich sogar noch ein Autogramm!

Mit 20 hab ich dann angefangen Konzerte zu organisieren, leider haben die Gigs immer mehr gekostet, als sie eingebracht haben, und so habe ich schnell die Finger davon gelassen.

So 1990 habe ich dann bei den SWYNG JACKS (jetzt LOONEY TUNES) angefangen und parallel dazu hab ich noch das PRIMITIF-Fanzine herausgebracht. Ein Jahr später hat mich Gaz Mayall (THE TROJANS) mal in seinen Club eingeladen. Leider war ich zu spät dran und ich bekam nur das letzte Stück einer abgefuckt geilen Folk-Band mit. Es waren die LOST T-SHIRTS OF ATLANTIS, die auf einer Fuzz-Ukulele den Surf-Smasher "Wipe out" prügelten! Da war klar, dass ich unbedingt ein Label gründen würde und das die erste Veröffentlichung umbedingt eine LOST T-SHIRTS OF ATLANTIS sein mußte. Danach nahm alles seinen natürlichen Weg und Lauf."

Wie läuft das Label, da scheint es ja immense Unterschiede zwischen Deutschland und Rest-Europa und den USA und Japan zu geben?

"Das Label läuft in USA, CH, UK und Japan sehr gut. Ohne diese Märkte wären wir schon lange tot und begraben. In den USA, CH, UK haben wir sofort einen Vertrieb gefunden und den Japan-Vertrieb machen wir selber über unser zweites Standbein, den One Million Dollar-Export-Vertrieb, mit dem wir auch andere europäische Label in Japan vertreiben.

Ja, es ist schon lustig wenn man bedenkt, dass OMD in diesem Jahr auf sein 50stes Release zugeht und in Deutschland noch so gut wie unbekannt ist. Allgemein scheint es im Ausland für uns besser zu laufen als in Deutschland, hier haben wir nie einen richtigen Vertrieb gefunden und es wurden immer nur sporadisch einige unserer Titel von Indigo und nun glücklicherweise auch von Swamp Room Records vertrieben. Die meisten deutschen Vertriebe wollen immer gerne fertige Hit-Produkte haben, die sie gut verkaufen könnenm ohne selber viel dafür arbeiten zu müssen. In Deutschland ist es zudem sehr viel schwerer überhaupt Beachtung von der Presse zu bekommen, ohne dabei gleich Anzeigen schalten zu müssen. Da ist es wirklich eine große Hilfe, dass es noch Mags wie das Ox, Banzai, Flying Revolverblatt, etc. gibt die noch den "Independent"-Spirit hoch halten."

Eine Hauptausrichtung von OMD Rec. ist ja der sog. "Rustic-Stomp", - wer oder besser was ist das? Kann man das essen? Mir fallen dazu immer nur die Soundtracks von alten Slapstickfilmen oder Cartoons ein, wo es scheppert und kracht!!

"Rustic Stomp ist ein Begriff, der von den japanischen TOKYO SKUNX das erste mal auf einem Flyer erwähnt wurde, als sie in Tokyo KING KURT supporteten. Er stammt vom Sänger der SKUNX, Dabisuke. Rustic Stomp ist traditionelle Musik wie Irish & Russian-Folk, Bluegrass, Country & Western, Skiffle, Jug, Cajun etc., gemischt mit Punk, Ska, Rockabilly, Surf etc. Die bekanntesten Bands dieses Genres sind z.B. THE POGUES, BLOOD ON THE SADDLE, LENINGRAD COWBOYS, THE WALTONS, BLUBBERY HELLBELLIES, WHISKY PRIESTS uvm."

Es gibt ja gewaltige Unterschiede im Rustic Stomp. Die Japaner veranstalten den ultrawilden "Querbeet-Mix", die Europäer halten sich da ja eher an Irish-Folk und Cow-Punk-Elementen fest. Ist die europäische Version eigentlich noch Rustic Stomp oder eher eine kluge Vermarktungsstrategie?

"Der Rustic Stomp legt sich auf nichts fest! In Europa klingt dies meistens sehr puristisch, wohingegen die Japaner permanent alles vermischen und ständig Neues ausprobieren. Liegt wohl an deren Mentalität. Eine "Verkaufsmasche" ist das auf gar keinen Fall. Wenn wir danach veröffentlichen würden, würden wir uns um andere Sachen wie Punk kümmern, da man damit sehr viel mehr Geld verdienen kann. Bei der Bezeichnung Rustic Stomp geht es eigentlich nur darum, diese Art von Musik greifbarer zu machen, da es eine Menge Leute gibt, die sich unter den einzelnen, unbekannten Bänds überhaupt nichts vorstellen können. Wir brauchten also eine Musikbezeichnung, die diese Leute irgendwann dann mal kennen!"

Wie groß ist die Szene in Japan und was sind das für durchgeknallte Typen?

"In Japan gibt es eigentlich kaum eine richtige Rustic Stomp-Szene. Die Fans kommen aus Bereichen wie Ska, Punk und Rockabilly bzw. Psychobilly. Über ein gutes Netzwerk stehen wir fast mit allen Fans in Verbindung."

Gestaltet sich die Kontaktaufnahme nicht schwierig? Soweit ich die Erfahrung gemacht habe, sprechen/schreiben die Japaner ein recht "lustiges" Englisch!

"Die Japaner sprechen meistens sogar gar kein Englisch, aber zum Glück hat Steffi, meine Freundin, ein Jahr in Japan diese Sprache studiert und ich habe selber ein halbes Jahr dort gelebt, um den Japan-Export-Vertrieb aufzuziehen. Um die recht schwierigen Kontakte aufrecht zu erhalten, müssen wir jedes Jahr mindestens einmal rüberfliegen."

Japan! Lecker, ich würde auch gerne jedes Jahr einfach mal so rüberfliegen! Erzähl mal, wie so ein Trip aussieht. Was fasziniert dich persönlich an diesem Land?

"Es ist ziemlich schwer so einen Trip zu beschreiben, da es für uns jedes mal hauptsächlich geschäftlich ist. Wir besuchen unsere Bands und unsere Vertriebspartner, mit denen wir unser Indie-Japan-Export-Netz für Euro-Musik aufgebaut haben. Aber das Faszinierende an Japan ist auf jeden Fall der Kulturschock. Die super-traditionelle Atmosphäre auf der einen Seite und andererseits dieses absolute High-Tech-Gefühl. Das extremste Gefühl für mich war, als ich wie ein Bekloppter mit Koffern und Taschen beladen zum Flughafen gehetzt bin und trotzdem meinen Flieger verpasst habe. Meine Freundin war da schon wieder in einer anderen Stadt und ich war total allein und aufgeschmissen. Ohne einen Platz zum Schlafen bin ich dann ziellos durch Tokyo geeiert und habe mich nur aus dem Gedächnis orientiert, da ich keine Schilder lesen konnte. Oft wenn ich nach dem Weg fragen wollte, sind die Menschen vor mir zurückgewichen wie vor einem Monster, hahaha. In der Bahn haben die Japaner immer links und rechts von mir einen Platz leer gelassen und ich habe das erste Mal gemerkt, wie man sich als Ausländer hier in Deutschland fühlen muß. War ein scheiß Gefühl, aber auch sehr lehrreich! Letztendlich bin ich dann aber doch noch unter- und auch wieder zurück gekommen. Diese Zurückhaltung ist in Tokyo eigentlich nicht so extrem, aber in kleineren Städten schon. Ansonsten gibt es aber auch eine Menge cooler Typen, die sehr hilfreich sind. Die meisten haben halt nur Angst vor Fremden. Zu beschreiben ist Japan als "Comic-Land", alles ist dort sehr extrem und das Essen ist phantastisch! Suhi-banzai!"

Gibt es in Deutschland überhaupt Leute, die sich so etwas Abgefahrenes anhören? Wenn ja, müßte es ja ziemlich "szeneübergreifend" sein?

"Die deutschen Rustic-Fans sind weitgehend Skankster, Billys und Punkrocker, da es auch hier noch keine puristischen Rustix gibt. Das ist auch gut so, da diese Art von Musik die Leute verbinden und nicht voneinander abgrenzen soll."

Gibt es Ambitionen Rustic Stomp-Kapellen mal für Live-Shows nach Deutschland zu holen?

"Unsere japanischen Bands würden gerne nach Deutschland kommen aber momentan ist leider auch die Club-Szene im Arsch und wir sind froh, wenn wir ansässige Bands hier unterbringen können. Bei den teuren Flugkosten aus Japan gibt es kaum Clubs, die uns entsprechende Festgagen garantieren können. Trotzdem versuchen wir dieses Jahr ein oder zwei Acts zum zweiten großen Rustic Stomp-Festival nach London zu holen."

Wann ist denn das Festival?

"Im Sommer dieses Jahres, leider steht der genaue Termin noch nicht fest."

Da jeder Mann ja bekanntlich in seinem Leben immer zwei große Lieben hat, verlassen wir nun mal das "Land des Lächelns" und wenden uns der spröden Schönheit der Prärie zu. Woher kommt deine Vorliebe für "Spaghetti-Western"? Früher wohl zu viel Cowboy und Indianer gespielt, oder? Ich weiß noch, dass damals, zumindestens bei uns, ichb immer Django oder Ringo sein wollte!!

"Na klar war ich als Kind immer und immer öfter Cowboy. Bin ich wahrscheinlich noch immer, aber das faszinierende an den Italo-Streifen und insbesondere an den Soundtracks ist die apokalyptische Mischung aus Grausamkeit und Schönheit. Es gibt sonst kaum Filme, in denen die Musik so mit den Bildern verschmilzt wie im Spaghetti-Western. Außerdem war ich eigentlich immer schon auf der Seite der Underdogs wie die ganzen Ringos, Djangos, Sartanas etc. In einem gewissen Sinne ist das ein Ebenbild der Independent-Szene, die sich schon immer gegen eine übermächtige Flut von Industriescheiße durchsetzten mußte."

Welcher ist dein Lieblingsfilm bzw. Schauspieler? Und warum?

"Mein Lieblingsschauspieler ist in diesem Zusammenhang auf jeden Fall Lee Van Cleef, der, bevor er zum Film kam, Häuser angestrichen hat. Er hat zwar fast immer nur Nebenrollen oder die zweite Geige gespielt, dies aber exzellent. Seht euch ein Foto von ihm an und ihr seht den Spaghetti-Western. Mein Lieblingswestern ist "The Hills Run Red". Ein ziemlich unbekannter und mäßiger Western eigentlich, aber mit dem allerbesten Soundtrack von Morricone und einer guten "Rache-Story". Danach kommt gleich "Leichen pflastern seinen Weg" mit Klaus Kinski. Dieser Western spielt sogar im Schnee und hat auch für Westernfreunde ein unerwartetes und bitterböses Finale."

Wie laufen denn die beiden Sampler?

"Trotz der langen Zeit, die wir brauchten, um alle Tracks für Teil 1 zusammenzubekommen und trotz der Tatsache, dass in dieser Zeit Estrus Records in den USA mit der gleichen Idee ankame, laufen beide Sampler sehr gut und die Bands rennen uns mittlerweile die Türen ein, um auf den nächsten Teil zu kommen. Wir freuen uns natürlich über diese rege Zusendung von Demos, die uns oft großartige Tracks bescheren. Gleichzeitig ist es schwer alle Tracks zu verwerten, da wir auf jeden Fall den Standard der Reihe erhalten wollen und letztendlich immer nur die besten Songs auswählen können. Wir haben in der Anfangsphase eine Menge Bands angeschrieben, um Tracks für "Spaghetti 1" zu bekommen, u.a. auch die MONO MEN, die damalige Band von Estrus-Boss Dave Crider, und die haben danach ziemlich schnell auch selber ein paar Scheiben in dieser Richtung und Thema gemacht, wie z.B. GALAXY TRIO "Sheriff", welche wir auch angeschrieben hatten. Ich hatte während dieser Phase der Planung immer Schiss, dass uns jemand zuvor kommt, da wir lange gebraucht haben, um entsprechend gute Tracks zusammen zu bekommen. Aber letztendlich hat es geklappt."

Die allmächtige Gewissensfrage: Bevorzugst du Vinyl oder CD? Und warum und welches verkauft sich schließlich dann doch besser?

"Ich bevorzuge auf jeden Fall Vinyl. CDs knistern halt nicht und sind viel zu steril. CDs haben nur den Vorteil, dass sie bequemer sind, aber Artwork und das Blättern in Plattenstapeln können sie niemals ersetzen. Leider müssen wir heute meistens beide Formate machen, um alle Fans zu erreichen, was uns auf der Kostenseite killt."

Gibt es ein bestimmtes Auswahlverfahren, was Bands betrifft?

"Zu unserer Veröffentlichungspolitik: Es gibt keine Kriterien außer keine Poserbands und keine Arschlöcher. Ansonsten machen wir alles, was cool ist."

Gibt es eine Veröffentlichung, die besonders gut läuft?

"Sehr gut läuft momentan gerade der zweite Teil unserer Italo-Western Tribute-Serie "Spaghetti II - Revenge!", die VELVETONE CD "Vari-O-soniC", die Italo-Western-Hommage der MOTORPSYCHOS "Ringo" die eine ganze Geschichte erzählt (mit Erzähler!), die LP der japanischen Surf-Schlacher SWITCH TROUT, aber auch unsere Rustic Stomp-Scheiben laufen sehr gut, allerdings fast nur im Ausland."

Welche ist dein persönlicher Favorit?

"Es gibt keine persönlichen Favoriten für mich auf O.M.D. Records. Bis auf wenige Ausnahmen wie Elvis Presley, Johnny Cash, die PHANTOM SURFERS, Hasil Adkins, etc. kann ich mit Freude sagen, dass alle meine Lieblingsbands auf O.M.D. Records vertreten sind."

Was für Produktionen stehen als nächstes an?

"Out next: LP/CD - HANK RAY "Countrcide" (Apokalyptisch depressiver Country), LP/CD - BLOOD ON THE SADDLE "Flesh & Blood" (das neue Album der Rustic Stomp /Cow Punk Legende), LP/CD - WILD SAMMY & ROYALTONES "Speed crazy" (Surf auf 260 mph aus Japan), LP/CD V.A. "The hour of the gun" (US-Western Tribute)."

Wie, oder besser wo kann der/die Interessierte deine Produktionen erwerben?

"Erwerben direkt bei O.M.D. Records, P.O.BOX 1426, 25455 RELLINGEN oder über Swamp Room Vertrieb, Auf dem Loh 18, 30167 Hannover Tel. & Fax 0511/715720. Die Spaghetti-Alben und VELVETONE sollten auch über Indigo in jedem "gutsortierten" (haha) Plattenladen erhältlich sein."

Bist du auch im Internet aktiv?

"Im Internet ist vorerst nur eine provisorische Seite drin, die aber demnächst richtig gestaltet wird. Dauert aber noch ´ne Weile. File under "Rustic Stomp"."

Famous last words?

"Lest Fanzines, geht auf Konzerte und ünterstützt eure kleinen Plattenläden, sonst wird es sie nicht mehr lange geben! Kämpft für das, was ihr liebt!"