TKO Records

Das in San Francisco ansässige Label TKO Records hat sich innerhalb von nur drei Jahren vom Hobby zum Kleinunternehmen entwickelt, das heute eine Hand voll Leute beschäftigt und in der Vergangenheit Platten von Bands wie US BOMBS, DROPKICK MURPHYS, REDUCERS SF und WORKIN´ STIFFS veröffentlichte, und sich damit einen Namen für Streetpunk und Artverwandtes gemacht hat. In letzter Zeit änderte sich das Programm etwas, Bands wie die wiedergergründeten REAL KIDS oder die LOOSE LIPS stehen eben für einen anderen Sound, und das Ox nützte die Gelegenheit, Mark von TKO im Büro zu besuchen. Das Interview fand dann ein paar Häuser weiter in einem Café bei einem "tall latte", einem grossen Milchkaffee statt - von wegen Bier...

Stell dich mal eben vor: Name, Alter, Lieblingsbier...


"Mark, ich bin der Chef bei TKO, bin 27 Jahre alt, und mein Lieblingsbier ist das, das geöffnet vor mir steht."

TKO fiel mir vor zwei Jahren erstmals auf. Wie lange gibt es das Label?

"Noch nicht viel länger: im März sind es drei Jahre. Und es ist die übliche Geschichte: es fing als Hobby an und hat sich lawinenartig weiterentwickelt. Ich habe vorher auch nichts mit Labelarbeit zu tun gehabt und zwar auch selbst in Bands gespielt, aber nichts, was man kennt. Ich hatte also keinerlei Erfahrung, als ich mich auf diese Sache einliess, war nur Fan, wie so viele andere auch."

Wie fing das an mit TKO?

"Ich habe früher in Boston gewohnt, arbeitete in einem Club namens "The Rat" und es gab früher auch ein Label namens Rat Records. Mein Boss wollte das Label dann wieder auferstehen lassen, um Liveaufnahmen von den "Boston Punk Olympics" als Doppel-7" zu veröffentlichen. Da hatte ich das erste Mal mit der Idee eines Labels zu tun, aber in Boston gab es damals nur ein paar Bands, die für mich in Frage gekommen wären, etwa BLOOD FOR BLOOD oder SHOWCASE SHOWDOWN, und die hatten bereits ein Label - das war, bevor die DROPKICK MURPHYS existierten. Boston war langweilig, ich zog weg - und plötzlich wurde Boston zur "Punk-Hauptstadt... Ich hatte vorher schon meine Schwester in San Francisco besucht, es gefiel mir hier sehr gut, ich sah ONE MAN ARMY, die WORKIN´ STIFFS, die REDUCERS, die STITCHES, US BOMBS und so weiter. Hier existierte eine Punkszene mit genau meiner Musik, und so beschloss ich, umzuziehen. Klar, an der Eastcoast gab´s auch gute Bands, aber eher Hardcore, und mein Ding war schon immer eher der Stil der genannten Bands."

Wie würdest du den beschreiben?

"Das ist schwierig. ´77? Streetpunk? Man muss auf jeden Fall wissen, dass hier in den USA Streetpunk seine eigene Geschichte hat. Ende der Achtziger gab es ein Oi!-Revival, aber Oi! wurde schnell mit Skinheads und Gewalt in Verbindung gebracht, und es wurde zunehmend der Begriff Streetpunk gebracht, was für Oi! ohne die unangenehmen Nebenerscheinungen stand. Heute ist der Begriff beinahe bedeutungslos geworden, weil er so inflationär gebraucht wird. Viele Bands hier in der Stadt sind auch stark von den SWINGIN´ UTTERS beeinflusst worden, die waren für San Francisco, ja die USA Pioniere dieser Musik, als scheinbar niemand Musik spielen wollte, die von THE CLASH und STIFF LITLE FINGERS beeinflusst war - die RADICTS aus New York waren so ziemlich die einzigen. Heute gibt´s wieder viele solcher Bands, etwa die WORKIN´ STIFFS, die für mich eine Mischung aus COCKNEY REJECTS und BLACK FLAG darstellen und Oi!/Streetpunk mit einer US-Note spielen."

Und wie kam´s dann dazu, dass du das Label gegründet hast?

"Ich habe die ganzen Bands hier gesehen, zog hierher, freundete mich mit den Leuten von ONE MAN ARMY an, und brachte ihre zweite 7" raus. Das Feedback war gut, und so ging´s los. Neulich habe ich diese 7" bei Amoeba Records schon für $12 gesehen."

Obwohl San Francisco, wie man schon an den sehr gut besuchten Konzerten von TKO-Bands sehen kann, eine grosse Szene für diese Art von Punkrock hat, ist TKO eigentlich das erste Label hier aus der Stadt, das sich wirklich um diese Szene kümmert. Hast du dafür eine Erklärung?

"Danke für dieses Lob, aber du hast wohl Recht. Ich habe die Bands hier gesehen und es gab kein Label aus der Stadt, das sich um sie gekümmert hat. Apropos kümmern: Mike von den WORKIN´ STIFFS arbeitet bei TKO, und ich versuche, auch sonst Leute aus meinen Bands zu beschäftigen. Die bekommen so ein ganz anderes Verständnis davon, was ein Label macht, und ich habe immer jemanden, den ich um seine Meinung als Bandmitglied fragen kann: Wenn dein Label dies und das machen würde, was würdest du dazu sagen?"

Bist du denn mit diesem Image des Streetpunk-Labels einverstanden?

"Nur teilweise. Klar, wir haben solche Bands auf dem Label, aber eben auch die UPSETS, die REAL KIDS, die LOOSE LIPS oder ELECTRIC FRANKENSTEIN rausgebracht. Demnächst bringen wir eine Reggae-Platte raus, mal sehen, wie die Reaktionen darauf sind, und ich bemühe mich schon, das Labelprogramm vielfältig zu gestalten."

Ich muss sagen, dass es mich schon sehr erstaunt hat, als ihr die REAL KIDS-Platte angekündigt habt. Das "passte" nicht so recht.

"Viele meiner Bands sind grosse REAL KIDS-Fans, auch die REDUCERS, und die REAL KIDS waren von ihrem Songwriting her sehr einflussreich. Als wir dann mitbekamen, dass die wieder spielen und neue Songs aufgenommen haben, bemühten wir uns darum, die Platte herausbringen zu können - und es klappte. Es war gar nicht so schwierig."

Auch die LOOSE LIPS stellen eine neue Richtung für TKO dar.

"Nur begrenzt. Die UPSETS aus Sacramento, die sich leider aufgelöst haben, bevor wir ein Album machen konnten, spielten grossartigen DEAD BOYS/PAGANS-Sound und das ging ja auch schon in diese Richtung."

Trotzdem hat TKO sicher viele Fans, die eure Platten kaufen, weil sie sich bislang auf Streetpunk verlassen konnten.

"Du sprichst da ein wichtiges Thema an, über das ich mir auch schon viele Gedanken gemacht habe und das im TKO-Büro immer wieder diskutiert wird. Ich denke, das ist ein altes Problem, mit dem sich Labels wie Revelation oder Epitaph auch schon konfrontiert sahen. Aber andererseits mache ich das Label, weil ich Musik liebe - aber eben verschiedene Stile. Und warum soll ich mich auf einen Stil beschränken, wenn ich viel mehr Stile mag? Ich hoffe, die Leute sind so schlau, nicht nur nach dem Labelnamen zu kaufen, sondern bereit, sich auch andere Sachen anzuhören als nur Oi! und Streetpunk. Aber auch das wird es in Zukunft auf TKO geben."

Was können wir dieses Jahr erwarten?

"Eine BRUISERS-Compilation mit unveröffentlichten Songs und Live-Aufnahmen, dann kommt was von TERMINUS CITY aus Atlanta, und der Rest steht noch nicht genau fest."

Du hast an deiner Lederjacke Buttons von MC5 und NEW YORK DOLLS - sind das deine Lieblingsbands?


"Haha, das ist nur eine von mehreren Jacken. Auf einer anderen sind SHAM 69- und ANGELIC UPSTARTS-Buttons. Ich höre eben viele verschiedene Sachen. Meiner Meinung nach gab es früher nicht so viele Bands wie heute, aber dafür mehr bessere Bands. Heute "verschmutzen" viele Bands mit ihrer Musik den Planeten und es wird immer schwerer, die wirklich guten herauszupicken. Und parallel dazu stelle ich fest, dass ich immer mehr auf die alten Bands zurückgreife."

Als Labelbetreiber trägst du natürlich zu dieser Verschmutzung bei, obwohl nach deiner eigenen Meinung es sicher immer die "anderen" sind - ohne dich angreifen zu wollen...


"Haha, ja, stimmt. Ich sehe TKO als "Filter", der aus der Masse die guten Bands heraussiebt und diese dann mit dem Gütesiegel TKO auszeichnet. Aber prinzipiell hast du Recht, und ich weiss auch, dass nicht jeder mit meiner Meinung über unsere Bands übereinstimmt. Man kann aber nie alle glücklich machen, und wichtig ist, dass ich, dass wir zufrieden sind. Ich bringe nichts raus, das ich nicht mag. Trotzdem gibt´s auch in der Punkszene genug Labels, die Platten nach anderen Kriterien veröffentlichen, die zuerst die Verkaufszahlen im Kopf haben oder die Hoffnung, die Band nach einer Platte an ein Majorlabel weiterverkaufen zu können. Wobei ich andererseits denke, dass die Majors in den USA sich nicht mehr gross um Punk kümmern. Der Trend ist für sie vorüber, Bands wie GREEN DAY, THE OFFSPRING oder BLINK 182 verkaufen noch richtig viele Platten und sind erfolgreich vom Mainstream absorbiert worden, aber das sind Ausnahmen. Die Majors haben jetzt KID ROCK, LIMP BIZKIT und solche Bands und sind damit zufrieden."

Wie "erfolgreich" ist TKO? Ich war eben erstaunt, wie viele Leute im Büro arbeiten.

"Ich müsste lügen, würde ich dir was anderes erzählen als dass es derzeit sehr gut für uns läuft. Das hat viel damit zu tun, dass wir seit ein paar Monaten von dem Grossvertrieb Mordam weltweit vertrieben werden. Bis vor kurzem hatte ich das Büro noch in meiner Wohnung, aber das platzte schon aus allen Nähten. Ich brauche all die Leute, es ist manchen Monat schwierig, alle zu bezahlen, und reich wird man auch nicht mit dem Label, aber es macht Spass und es sieht so aus, als ob es weiter bergauf geht. Mein Problem ist eben auch, dass ich keine Ausbildung in diesem Bereich habe und erst alles lernen muss. Aber TKO ist mein Traumberuf und wir müssen einfach abwarten, wo uns das alles hinführt."

In San Francisco scheint es derzeit ein ziemliches Problem zu geben mit Auftrittsorten - ständig schliessen Clubs und es wird immer schwieriger, einen Laden zu finden, der Punk-Konzerte veranstalten kann oder will. Gleichzeitig scheint ihr es ganz gut zu schaffen, regelmässig eure Bands unterzubringen, etwa im "Boomerang" auf der Haight Street.


"Es gibt auf jeden Fall grosse Probleme hier in der Stadt, Konzerte zu veranstalten, aber andererseits haben wir im Büro ein paar Leute, die die Stadt sehr gut kennen und ständig damit beschäftigt sind, neue Läden zu finden. Aber selbst sie haben grosse Schwierigkeiten. Warum? Seit in New York der Times Square "gesäubert" wurde, gibt es in allen US-Städten den Trend, das Nachtleben zu säubern. Das betrifft nicht allein Punk-Clubs, sondern alle Arten von Clubs und Bars. Die Polizei nervt ständig, setzt die Bar- und Club-Besitzer unter Druck, verlangt von ihnen, keine Konzerte zu veranstalten oder auferlegt ihnen strikte Vorschriften - mit der Drohung, bei Nichteinhaltung die Lizenz zu entziehen. Sie schicken Zivilpolizisten in die Läden, und ein Zivibulle begeht dann eine Straftat, ein anderer nimmt ihn fest, und schon hat man einen Grund, den Laden zuzumachen. Das Nachtleben in dieser Stadt ist derzeit schwer in Gefahr, weil die Stadtregierung beschlossen hat, San Francisco in einen Spielplatz für Yuppies zu verwandeln - und dabei gehen sie gegen alles vor, was die Stadt bislang so interessant und reizvoll gemacht hat. Nimm nur den Mission District: vor ein paar Jahren noch war das eine gleichzeitig üble wie reizvolle Ecke, eben sehr "authentisch", und heute gibt´s da schon Nobelrestaurants für Bonzen. In diesem Zuammenhang schliessen immer mehr Läden, in denen Punk-Shows stattfinden konnten, oder die Läden suchen sich ein neues Publikum. Ich könnte dir mit etwas Nachdenken sicher 20 Läden nennen, die in den letzten Jahren zumachen mussten. Aber es ist den Touristen eben nicht zuzumuten, dass sie abends nach dem Restaurantbesuch auf dem Bürgersteig an einer Horde Punks vorbeigehen müssen. Das ist nicht gut fürs Image der Stadt..."

Mark, wir danken dir für das Interview.