TOXIC HOLOCAUST

Foto

Tod und Vernichtung, aber sonst ganz nett

Thrash Metal lebt von seinen sorgsam gepflegten, manchmal auch etwas grellen Klischees. Ein wenig subtiler Bandname gehört dazu, buntes, gerne zombiehaftes Coverartwork auch, und die Musik ist natürlich der schärfste Ausdruck von Aggression. TOXIC HOLOCAUST sind in all diesen Disziplinen Meister ihres Fachs, und dabei ist der Plural gar nicht angebracht, ist die vom heute 30 Jahre alten Joel Grind 1999 gegründete Band im Kern doch eigentlich ein Soloprojekt. Nach „Evil Never Dies“ (2003) und „Hell On Earth“ (2005) erschien das dritte Album „An Overdose of Death ...“ 2008 auf Relapse Records, gefolgt von „Conjure And Command“ (2011). Ich nahm den Kölner Auftritt im Vorprogramm von KVELERTAK zum Anlass, dem backstage schüchtern wirkenden Joel, der in seinem völlig unmetallerhaften Auftreten eher an einen braven Indierocker erinnerte, ein paar Fragen zu seiner Musik zu stellen.

Joel, wie sieht dein musikalischer Hintergrund aus? Hörst du schon Metal, seit du zehn oder elf warst?

So richtig begann ich mich mit zwölf, 13 für Musik zu interessieren. Ich hatte Freunde, die Skateboard fuhren, ich fuhr auch, und sie hatten ältere Brüder, die METALLICA, SLAYER und so weiter hörten, und das war die erste Musik, die mein Interesse weckte. Als ich dann anfing, selbst Platten zu kaufen, war das vor allem Punkrock. Ich mochte schon immer Metal, aber meine Teenagerjahre verbrachte ich in der Punk-Szene. Meine Freunde hatten oft Schwierigkeiten zu verstehen, wie man sowohl Metal wie auch Punk mögen kann.

Heute ist es weitgehend akzeptiert, als Metaller Punkbands zu mögen, und als Punk auch auf Metal zu stehen, aber es gab noch gar nicht so weit zurückliegende Zeiten, da war das nicht so.

Ja, das hat sich in den letzten Jahren alles viel mehr vermischt. In den USA haben wir ein sehr gemischtes Publikum, da kommen viele Punk-Kids zu den Konzerten, aber auch genauso viele Metalheads. Oder Leute, die ein DISCHARGE-Shirt tragen und eine Jacke mit einem BATHORY-Patch. Ich finde das cool, darin erkenne ich mich wieder. In Europa ist das anders, da ziehen wir eher Metal-Fans.

Was verbindet die beiden Szenen?

Ich denke, die Ähnlichkeiten zwischen dem heutigen Underground-Metal und der Punk-Szene sind groß, denn um mit deiner Band irgendwas zu erreichen, musst du dich der D.I.Y.-Prinzipien bedienen. Im Gegensatz zu früher kannst du dich nicht mehr auf Labels verlassen, du musst dich auf eigene Faust durchs Unterholz schlagen. So war das, als ich 1999 mit meiner Band anfing, und so will ich das beibehalten. D.I.Y. bedeutet für mich, dass ich die Kontrolle darüber behalte, wie die Band nach außen hin dargestellt wird, was für Konzerte gebucht werden, wie das Artwork aussieht, wer das macht. Das mag klingen, als sei ich ein Kontrollfreak, aber das stimmt nicht. Ich habe nur schon immer eine ganz klare Vorstellung davon gehabt, wie die Band klingen und wirken soll. Über weite Strecken bestand die Band ja eigentlich auch nur aus mir, und es mag Leute geben, die mich deshalb für ein totales Arschloch halten, haha, aber egal. Ich denke aber, der Spruch, dass zu viele Köche den Brei verderben, kann durchaus zutreffend sein, und wenn dann über die Richtung und die Kontrolle gestritten wird, führt das nicht immer zu einem besseren Ergebnis.

Da ist ein Mann allein mit einer klaren Vision ein simples Gegenkonzept.

Ja, und viele gute Bands sind so aufgestellt und haben damit Erfolg. Ich habe in meinen Teenagerjahren mit anderen Leuten in Bands gespielt, meine Erfahrungen gemacht und auch gesehen, wie andere Bands arbeiten, und ich muss sagen, mich nervt es, wenn über jede einzelne Entscheidung diskutiert und gestritten wird. Jeder meint, etwas sagen zu müssen, und das kann nerven. Viel wichtiger finde ich, dass eine Band eine klare Richtung hat, das ist der Schlüssel zum Erfolg – in der Musik und auch sonst im Leben.

Und wie sieht deine Idee, deine Richtung aus, wie das perfekte Thrash-Metal-Album?

Die Band war zu Beginn mein Soloprojekt, jetzt habe ich sie seit zwölf Jahren, sie ist mein Baby, und ich weiß deshalb besser als jeder andere, wie die Band klingen soll. Wären andere Leute beteiligt, würde sie nicht mehr so klingen. Ich wehre mich ja nicht dagegen, mit anderen zusammenzuarbeiten, und erkenne durchaus, wie stimulierend das sein kann, aber damit ein TOXIC HOLOCAUST-Album so klingt, wie ich und die Fans das erwarten, muss ich die Kontrolle haben. Ich hasse es, wenn Bands plötzlich anders klingen – da sollte man sich besser umbenennen. Nichts gegen eine Erweiterung des musikalischen Horizonts, ich höre ja selbst die verschiedensten Bands und Stile, aber ich lasse das nicht den Sound von TOXIC HOLOCAUST beeinflussen. Das ist natürlich nur meine Meinung, aber ich spreche da auch als Fan von Bands, die solche Fehler gemacht haben.

Wenn es dir also um die „reine Lehre“ geht: Wie nah bist du mit TOXIC HOLOCAUST bislang dem perfekten Album gekommen?

Vielleicht zu 80%. Ich lerne mit jedem Album dazu, erkenne, was ich nächstes Mal anders machen will. In dem Moment, da man das Album macht, denkt man aber immer, es sei das Beste. Rückblickend sieht man das anders, aber so sieht nun mal der Lernprozess aus. Es gibt Bands, die sich verächtlich über ihre alten Sachen äußern, Tom Warrior von CELTIC FROST ist dafür ein gutes Beispiel. Aber auch bei dem ging das nur so lange, bis er merkte, dass jeder seine ersten Gehversuche mit HELLHAMMER liebt, haha. Plötzlich fand er das wieder gut. Von mir wirst du also nichts Negatives über meine frühen Aufnahmen hören.

Ein wichtiges Stilmittel von Thrash-Bands ist das Coverartwork, und auch da scheinst du recht konservativ eingestellt zu sein.

Mit dem neuen Album habe ich mal was anderes versucht, das aber dennoch evil und undergroundig aussieht. Ich wollte nicht noch ein typisches buntes Cover, wie es jeder erwartet hat, denn wie wir beide wissen ist die Retro-Thrash-Welle derzeit noch in vollem Gang. Ich mag aber auch Crustpunk und das dort vorherrschende Schwarz-Weiß-Artwork ...

Klar, du kommst aus Portland, der Stadt von RESIST und TRAGEDY.

Ja, die haben mich definitiv beeinflusst, nicht zu vergessen FROM ASHES RISE. Ich wollte diesmal also ein zwar zur Musik passendes Cover, aber eben kein buntes, auch wenn das jeder von mir erwartete. Fans können manchmal sehr anstrengend sein, wenn man ihren Erwartungen nicht entspricht, haha, aber egal, die Musik ist ja wie immer.

Nachdem wir über die Musik und das Artwork gesprochen haben, kommen wir um den Namen nicht herum – oder wirst du nur in Deutschland auf die Verwendung des Wortes Holocaust angesprochen?

Hahaha, immer wieder mal, ja, und wie du schon sagst, es ist wohl das Wort Holocaust, das aufschreckt, gerade in Deutschland. Wenn man sich aber mal die Definition des Wortes anschaut, so wird klar, dass es sich nicht zwingend auf die Ereignisse im Dritten Reich bezieht, sondern im Ursprung allgemein Massaker oder Massenmorde bezeichnet. So könnte man also von einem Atomkrieg auch von einem „nuclear holocaust“ sprechen. Was nun den Bandnamen betrifft, so war der indirekt beeinflusst von der Band NUCLEAR ASSAULT. Ich wollte auch einen aus zwei Worten bestehenden Namen, der postapokalyptisch klingt.

Joel, besten Dank für das Interview.