WASTED

Foto

Außenseiter aus Überzeugung

Als ich WASTED-Sänger Ville vor zweieinhalb Jahren nach „neuen Songs“ fragte, schien er sich noch nicht festlegen zu wollen. Mittlerweile hat die finnische Punk-Institution nicht nur ein überzeugendes neues Album, „Outsider By Choice“, am Start, sondern ist auch hierzulande und allerorts wieder live zu bestaunen. Die Gigs liefen wohl, trotz sechs Jahren Abwesenheit von deutschen Bühnen, gleich so gut, dass ein weiteres Gastspiel nicht halb so lange auf sich warten lassen wird. Das lohnt sich ohne Zweifel, denn die Band beweist, dass klassischer Punkrock auch im digitalen Zeitalter noch relevant ist, und der Glaube an eine bessere Welt hier als Qualitätsmerkmal und keineswegs als aufgesetzte Attitüde zu verstehen ist. Vom Durchhaltevermögen ähnlicher Bands mal abgesehen, ziehen die Jungs einfach ihr Ding durch. Ob sich ein derart idealistisches Leben „on the road“ überhaupt lohnt, auf welchen Hochzeiten die einzelnen Bandmitglieder – außer bei I WALK THE LINE (IWTL) – noch tanzen und wie es sich als Außenseiter so lebt, kamen wir im Laufe dieses Interviews zu sprechen.

Ihr habt nach einer längeren Zeit wieder ein neues Album draußen. Wie fühlt sich es an, nach Jahren wieder mit WASTED anstatt mit IWTL auf Tour zu gehen? Abgesehen davon spielt ihr ja nahezu in den gleichen Clubs ...

Haha, es fühlt sich großartig an! Vor zwei Jahren war ich mir nicht sicher, ob es überhaupt ein neues Album und Gigs außerhalb Finnlands geben würde. Es dauerte eine Weile, wieder Inspiration für die Band zu haben, aber jetzt sind wir wieder heiß. Einer der Gründe ist, dass ich in den letzten Jahren immer mehr gelangweilt von der Musik war, die ich hörte, so dass ich wieder einen Schritt zurückging. Ich kramte alte Scheiben raus, die mich früher begeistert haben, und da wurde mir schnell klar, was ich wirklich machen will. Dieser rauhe Oldschool-Punk lässt mich leben und repräsentiert am besten, wer ich bin. Ich musste das einfach akzeptieren und nicht ständig mit neuen Experimenten um die Ecke kommen, um mich auszudrücken. Mit IWTL kann ich mich da genug ausleben. Jetzt habe ich aber das Gefühl, dass es wieder Zeit ist, straighten Punk zu spielen. Das kann ich am besten und ich folge dabei einfach meinem Herzen. Der erste Schritt zurück war eine EP, die Ende 2010 heraus kam. Wir wollten schauen, wie es läuft, und waren total überrascht. Die Leute haben uns vermisst! Es ist super für uns, nach so einer langen Zeit wieder live zu spielen. Ich bin sehr glücklich derzeit und die Jungs in der Band sind immer noch meine besten Freunde. Sie sind wie meine Brüder, gut Antti ist es ja schon, haha. Wir verbringen viel Zeit außerhalb der Band miteinander, was nicht immer die Regel ist. Wir hatten unsere Ups und Downs, aber jetzt läuft alles gut. Die Gigs bei euch waren spitze, viele Leute kannten uns noch von früher, aber es waren auch viele neue Gesichter zu sehen. Sie kannten sogar die neuen Lieder.

Mit IWTL scheint ihr eine Auszeit zu nehmen beziehungsweise zu brauchen, oder täusche ich mich da?

Ja, wir machen eine Pause. Es sollte eine kurze sein, wird aber immer länger. Wir werden sehen, wie lange sie andauert. Wir hatten innerhalb der Band diskutiert, dass es absolut an der Zeit wäre, eine Pause einzulegen. Ich meine, wir haben vier Alben draußen und geschätzte 15 Touren in sechs Jahren, quer durch Europa, hinter uns. Es wurde immer hektischer. Wir brauchten die Pause. Keyboarderin Anna ist jetzt Mama und alle anderen in der Band sind sehr gut mit anderen Projekten beschäftigt. Ich schreibe sowohl bei IWTL als auch bei WASTED die meisten Songs, fühle mich aber momentan mehr inspiriert, klassischen Punkrock zu komponieren ...

Welche erwähnenswerten Seitenprojekte von WASTED und IWTL-Mitgliedern sollte man kennen?

Bassist Jamppa hat ganz verschiedene Projekte: LAST CALLS spielen so eine Art CALEXICO-Alternative-Country, MR. BUTTFUCKS machen DESCENDENTS-Cover und ABDUKTIO heftigen Hardcore-Punk. Schlagzeuger Miikka hat insgesamt sieben Bands! Ihr kennt vielleicht BAD MACHINE? Und vielleicht auch VIIMEINEN KOLONNA, die Achtziger Crust-Hardcore spielen? Antti und ich haben „nur“ IWTL und WASTED. Jani, der Gitarrist von IWTL hat gerade ein Album mit SÄRKYNEET veröffentlicht und Jussi, Drums, spielt noch bei HERO DISHONEST. Bei uns hängt alles miteinander zusammen. Es ist ein kleines Land und eine überschaubare Szene, so dass es viele verschiedene Bands mit den immer gleichen Leuten gibt.

Lass uns mal zum programmatischen Albumtitel „Outsider By Choice“ kommen. Bist du immer noch überzeugt, dass „anti“ und „anders sein“ der bessere Weg ist? Sicherlich entscheiden sich auch in deinem Umfeld mehr Leute für die „normale“ Seite des Lebens, während du an deinen Idealismus festhältst.

Nun, fast alle meine Freunde haben Kinder, Familien und normale Jobs. Sie leben das typische Mittelklasseleben. Daran ist nichts falsch, es ist ihr Leben, aber ich habe es immer vermieden, so zu leben. Ich bin schon seit meinem ersten Tag an Außenseiter, spätestens aber seit ich Ende der Achtziger anfing mit Punk und dem Skateboarden. Dazu kam, dass ich in einer Kleinstadt, mit vielleicht zehn Gleichgesinnten, ordentlich Gegenwind bekam, denn wir waren „anders“. Ich fühle heute immer noch so, ich gehe immer meinen eigenen Weg, folge weder im Leben noch im Punkrock irgendwelchen Trends. Punk ist sehr trendbestimmt, obwohl das niemand zugeben will, aber es kommt doch ständig ein neuer „heißer Scheiß“ um die Ecke, den plötzlich jeder für sich beansprucht. Natürlich macht da jeder nur sein Ding. Bullshit! Wir haben uns nie ernsthaft darum gekümmert, was andere über uns denken, und spielen immer noch die gleichen Songs wie vor 15 Jahren. Generell würde ich nie etwas tun, nur weil es „anti“ oder „Punk“ ist. Ich mache das, was ich fühle und für richtig halte. Ich glaube nur an mich und niemand anderen. Ich habe es für mich auch geregelt, kein Teil des Hamsterrades zu sein. Nine-to-five war noch nie etwas für mich. Ich mache eigentlich nur Musik. Komplett ohne geht es aber nicht, daher habe ich oft kleine Jobs, um über die Runden zu kommen. Alles hat aber mit Musik zu tun. Entweder unterstütze ich Konzertagenturen, fahre andere Bands oder organisiere Festivals mit. Und ich fahre immer noch aktiv Skateboard, obwohl meine Knie völlig platt sind, haha. Einer der Hauptgründe, für das neue Album war, das rebellische Gefühl von damals wieder zu haben. Ich werde wohl nie erwachsen, yeah! In einigen Dingen denke ich aber, dass ich trotzdem „reifer“ bin als der durchschnittliche Konsument dieser Tage, der sich nur um sich schert. Im täglichen Leben kannst du recht einfach einen Unterschied machen, indem du schaust, was in der Welt abgeht, und dass alles seine Konsequenzen hat. Bewusst konsumieren ist mein Zauberwort. Ich unterstütze kleinere, lokale Firmen, ernähre mich vegetarisch – kleine, aber wichtige Dinge. Meine idealistischen Werte habe ich mir erhalten, sie werden teilweise sogar stärker und ich plane nicht, daran etwas zu ändern!

Vier oder sechs Saiten. Was macht dir mehr Spaß?

Ich begann mit dem Bass-Spielen bei IWTL, weil niemand anderes den spielen wollte. Ich mag den Sound sehr. Es macht Spaß, sich bei den Basslinien auszutoben, aber jeden Song komponiere ich auf der Gitarre, und wenn ich mir aussuchen würde, mit welchem Instrument ich den Rest meines Lebens spielen „müsste“, wäre das die Gitarre. Bei WASTED singe ich meistens nur, das ist der größte Spaß für mich! Einfach nur herumspringen und durchdrehen.

Das kann ich verstehen. Obwohl WASTED Punkrock im klassischen Sinne ist, würdet ihr nach einer Tour sicher gern etwas Geld wieder mit nach Hause bringen. Denn selbst mit einfachen Mitteln und im D.I.Y.-Rahmen ist Musikmachen auch eine Kostenfrage. Habt ihr als Band eine realistische Chance Geld zu verdienen?

Also, wir können uns echt glücklich schätzen, dass wir hier eine so euphorische Fangemeinde haben, die außerdem noch unsere Alben kauft. Es ist schon möglich, hier etwas Geld mit dem Musikmachen zu verdienen, auch für uns. Du kannst aber nicht die ganze Zeit spielen, das Land ist dafür einfach zu klein. In Finnland sind wesentlich mehr Leute auf Konzerten als in Deutschland und wir spielen auch oft größere Festivals. Wir bekommen dadurch mehr Aufmerksamkeit, verkaufen mehr Merch und Tonträger. Mit dem Touren machen wir kein Geld, die Kosten für Fahrerei und so weiter sind einfach zu hoch. Um davon leben zu können, müssten wir schon andere Musik machen. Aber Geld kann doch nicht der Grund fürs Musikmachen sein! Wir müssen alle irgendwas nebenher machen, um ein bescheidenes, aber zufriedenes Leben führen zu können. Das ist eines der Opfer, welches du bringen musst, um ein freies und selbstbestimmtes, und trotzdem „ordentliches“ Leben zu leben.

Platten verkaufen wird nicht einfacher. Kaufst du für dich selber noch Musik? Wie stehst du zu Downloads und Streams – das ist doch null Punkrock, oder?

Es ist eine Schande, wie sich die Dinge entwickeln! Gute Plattenläden müssen schließen, Labels gehen den Bach herunter. Aber glücklicherweise kaufen die Leute immer noch Punk- und Hardcore-Platten, bei uns zumindest. Es fühlt sich gut an, dass es immer noch genug Menschen gibt, die dadurch die Bands unterstützen. Auf bestimmte Art sind ja Computer und Internet auch irgendwie Punk, denn jeder kann – fast für lau – Musik machen, veröffentlichen und per Mausklick anhören. Also, es ist gleichzeitig gut und schlecht. Es gibt einerseits eine riesige Flut an Musik aller Stile, was es aber ungleich schwieriger macht, die wirklich guten Sachen aus dem „Haufen Scheiße“ zu fischen. Ich muss zugeben, dass ich heute weniger Platten kaufe als früher. Und ich habe eine Menge gekauft. Einige habe ich mir aber nur einmal angehört, dann wanderten sie ins Regal und ich fing an, sie zu vergessen. Heute kaufe ich nur die– für mich – besten Alben. Platten, die ich immer wieder hören will. Oder Scheiben von guten, neuen Bands, die Support brauchen. Die ganzen weniger guten Bands kann ich mir dann immer noch via Web anhören. Ich kaufe aber keine CDs mehr. Ich hasse sie, Vinyl ist für mich das Format für Punkrock. Da ich heutzutage aber fast nie zu Hause bin, höre ich auch viel Musik über meinen iPod.