DEMENTED ARE GO

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Dirty Scumbag Rock’n’Roll

DEMENTED ARE GO wurden 1981/82 im walisischen Cardiff gegründet, waren (und sind) neben METEORS und GUANA BATZ die Erfinder dessen, was man seitdem unter Bezugnahme auf den 1976 von den New Yorker CRAMPS erstmals verwendeten Begriff „Psychobilly“ nennt. Man mische Punk, Rockabilly und ein kleines bisschen Horrorshow zusammen und heraus kommt eine Mixtur, die sich längst zu einer weltweiten Subkultur entwickelt hat. Mag sein, dass die „große Zeit“ des Psychobilly seit den späten Achtzigern vorbei ist, mit Bands wie TIGER ARMY, NECROMANTIX, MONSTERS oder MAD SIN gab und gibt es aber bis heute eine mal mehr, mal weniger aktive Szene, in der sich neben Newcomern auch eine Menge Veteranen tummeln. Mancher Veteran trug im jahrelangen Kampf auch einige Blessuren davon, und wenn man einen Beweis braucht, dass Psychobilly alles andere ist als ein Kindergeburtstag auf dem Ponyhof, dann muss man sich nur mal mit der Vita von Frontmann Sparky beschäftigen, dem einzig verbliebenen Gründungsmitglied von DEMENTED ARE GO. Wenn jemand „Psychobilly“ nicht nur auf „-billy“ reduziert, sondern „Psycho“ in den Vordergrund stellt, kommt man dem Kerl schon näher, der seit den Achtzigern seine Dämonen hegt und pflegt, schon im Knast saß und seine seelische Gesundheit auch unter Zuhilfenahme gewisser „Substanzen“ mehr als einmal massiv strapaziert hat. Sicher gibt es gesprächigere und eloquentere Interviewpartner, aber wie gesagt ... Psychobilly ist kein Ponyhof. Anlass des telefonisch geführten Gesprächs war das neue Album „Welcome Back To Insanity Hall“, das jüngst auf People Like You erschienen ist.

Sparky, alles gut?

Ja, und sorry, dass ich kein Deutsch spreche.

Na ja, du bist ja schon einige Jahre auf der ganzen Welt unterwegs, da hättest du doch mal ein paar Worte in einer anderen Sprache aufschnappen können, oder?

Ach ja, aber ich habe so meine Schwierigkeiten damit. Ich lebe jetzt schon eine Weile in den Niederlanden und schaffe es echt nicht, mir ein paar Worte zu merken. Ich finde andere Sprachen echt schwierig. Und mich so weit verständigen, dass ich im Pub ein Bier bekomme, das kann ich ja. Ich lebe mal in London, mal in Rotterdam, je nachdem. Der Grund für Rotterdam ist eine hübsche junge Dame.

Jung warst du auch mal – als ihr die Band gegründet habt. Sprach damals schon jemand von „Psychobilly“?

Wir fingen als Punkabilly-Band an, bezeichneten uns selbst als „Pervobilly“. 1981 war das, da fingen wir an zu proben, 1982 kamen die ersten Konzerte. Wir waren keine Punks, keine Rockabillys, wir waren Punkabilly, und wir bezogen uns da direkt auf die CRAMPS.

Von denen ist kürzlich eine wundervolle 10-Single-Box erschienen – das müsste dir doch gefallen.

Ha, schon, nur habe ich schon lange keinen Plattenspieler mehr und auch keine Platten, die fielen leider über die Jahre meiner Wohnsituation in irgendwelchen besetzten Häusern zum Opfer. Irgendwann habe ich das Sammeln dann aufgegeben, aber es bricht mir beinahe das Herz, wenn ich daran denke, was da für Platten dabei waren.

Zurück zu den CRAMPS und Psychobilly ...

Die CRAMPS wurden ja auch immer wieder mal dazu befragt, und sie sagten das, was auch mir dazu einfällt: Es ist doch alles nur Rock’n’Roll. Ich hörte 1979 in John Peels Radiosendung „Garbageman“, und das Lied hat mir echt die Rübe weggeblasen. Das war genau die Musik, die ich hören wollte! Ich stand damals auf so schräges Zeug wie Screaming Lord Sutch, und da kamen mir die CRAMPS gerade recht. Und logischerweise waren sie ein großer Einfluss auf DEMENTED ARE GO.

Ich schätze an den alten Psychobilly-Bands diesen Anteil an Chaos und Wahnsinn, finde jüngere, neuere Bands oft viel zu brav.

Ich bin in den Siebzigern in England mit schmutzigem Punkrock aufgewachsen, hing auf irgendwelchen Partys in besetzten Häusern rum, und irgendwie ist da wohl was hängengeblieben. Wenn heute irgendwelche Bands zu brav sind, waren sie wohl nicht oft genug auf wilden Squat-Partys. Mit „sauberen“ Bands konnte ich noch nie was anfangen, die habe ich schon immer gehasst. Mein Ding sind schmutzige Rock’n’Roll-Bands, und leider scheint es, als ob es davon in der jüngeren Generation nicht mehr so viele gibt. Aber man darf die Hoffnung auf „dirty scumbag rock’n’roll“ nie aufgeben, haha.

Nun lebt aber eben nicht jeder so ein wildes, chaotische Leben wie du es tust. Wovon du singst, das lebst du auch.

Demented war ist und für mich ein Lifestyle. Ich habe viele Leute kommen und gehen sehen, aber ich kann und will mit all dem nicht aufhören. Ich kann ja auch nichts anderes, ich habe nie irgendwas anderes gelernt. Und sowieso könnte ich keinen normalen Beruf mehr ausüben, meine Knie sind total am Arsch, so dass ich mir die verbleibende Zeit mit dieser Band um die Ohren schlagen werde. Vor einer Weile wollte mich mal eine Ausbildung als Sozialarbeiter machen, zur Arbeit in der Rehabilitation von Drogenabhängigen, aber daraus wurde leider nichts wegen meines Vorstrafenregisters. Damit hätte ich in dem Bereich niemals einen Job bekommen. Und so schlage ich mich eben weiter durch. Und vielleicht schreibe ich ja eines Tages auch ein Buch über meine Abenteuer.

Die haben immer wieder auch die eine oder andere Droge beinhaltet. Wie lautet dein Rat zum Umgang mit Drogen?

Lasst die Finger davon, oder ihr endet so wie ich, hahaha. Da gibt es unzählige Geschichten, die ich erzählen könnte, doch mal im Ernst, nichts davon würde ich irgendwem zur Nachahmung empfehlen. Aber ganz ehrlich, ich bereue nichts. Ich lebe dieses Leben, seit ich ein Teenager war, und ich mag es!

Du bist der einzige „Überlebende“ aus den Anfangstagen von DEMENTED ARE GO und hast dir für das neue Album wieder eine Truppe jüngerer Musiker gesucht. Was muss man mitbringen, um mit dir mithalten zu können?

Vor allem muss man ein guter Musiker sein und einfach einen gewissen Charakter aufweisen. Und man muss zu dem ganzen Chaos passen, das diese Band darstellt, haha. Aber man kann es schon eine ganze Weile mit mir aushalten, doch dazu müsstest vielleicht du meinen Mitmusiker Grischa befragen. Ich behaupte mal, es braucht im Umgang mit mir vor allem eine Menge Geduld. Und man muss den Rock’n’Roll verstehen und leben.

Damit haben die Autoritäten hier und da gewisse Probleme. Die US-Einreisebehörden scheinen da gewisse Vorbehalte zu haben und wollen dich nicht mehr ins Land lassen.

Jahrelang ging das alles gut, aber irgendwie gefiel denen dann bei der Kontrolle nicht, was sie da an Kleinigkeiten für die Bühnenshow fanden, etwa ein wie mit Blut bespritzt aussehender Dildo. Ich war dazu auch noch auf Bewährung, und na ja, letzten Endes ließen sie mich nicht rein. Ich hoffe aber, dass wir es dieses Jahr doch mal wieder in die USA schaffen. Die Szene dort ist seinerzeit mit dem Aufstieg von TIGER ARMY etwas größer geworden, wir waren aber zuvor schon da, und es war aufregend, die Szene war klein, aber gut und sehr punkrockig. Dann kamen TIGER ARMY, und plötzlich waren da all diese Kids, das war cool, und es gab auch eine Menge neuer Bands.

Und wie beurteilst du die Szene in Europa?

Großbritannien ist für Bands aus allen Genres ein schwieriges Pflaster. Für uns läuft es aber ganz gut, wenn wir mal da spielen, was nicht oft der Fall ist – auch wenn Demented ja eigentlich eine britische Band sind. Deutschland hingegen hatte schon immer eine gute Szene, seit den Achtzigern.

„Welcome Back To Insanity Hall“ ist das neue Album deiner Band, soeben auf People Like You erschienen.

And it sucks, hahaha. Kauft das bloß nicht, hehehe. Nein, es ist natürlich ein Top-Psychobilly-Album. Es braucht eine gewisse Menge an Verrücktheit und Wildheit, um ein gutes Psychobilly-Album zu machen, ansonsten hast du nur ein mäßiges Rock’n’Roll-Album. Dazwischen liegt eine schmale Grenze.

Sparky, besten Dank für das Interview.