BARONESS

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Es wird bunt

Nach „Red Album“ (2007) und „Blue Record“ (2009) folgte im Juli 2012 mit „Yellow & Green“ ein Quasi-Doppel-Album von BARONESS aus Savannah, Georgia. Die 2003 gegründete Band, die ihren Alben zwei EPs und ein Split-Album vorausgehen ließ und die über Relapse veröffentlicht, hat sich mit dem neuen Doppelalbum musikalisch stark verändert, ihr Sound ist ruhiger und fokussierter geworden, vom sludgigen Metal der früheren Jahre ist nur noch am Rande etwas zu spüren. Ich sprach mit Sänger und Gitarrist John Dyer Baizley über seine Band und seine Kunst.

John, was machst du derzeit?


Wir bereiten uns auf die nächste Tour vor, und das bedeutet, dass wir sechs Stunden am Tag proben. Viel zu tun also.

Euer neues Album hat uns etwas überrascht: Von Sludge und Metal keine Spur mehr, wie kommt das?

Beim Songwriting haben wir eigentlich nichts anders gemacht. Wir sind zu viert, wir wohnen in verschiedenen Städten, wir haben jetzt wie zuvor die Platten in Einzelteilen geschrieben und die dann vor dem Studiotermin in einer einmonatigen Probesession zusammengeführt. Aber es stimmt schon, die neue Platte ist anders als die davor. Wir haben am Ende der Touren zu „Blue Record“ festgestellt, dass uns ein paar Dinge an unserer Musik fehlten, vor allem live. Ich meine damit Klänge, die wir selbst gerne bei anderen hörten, aber die es bei unserer eigenen Musik nicht gab. Es ist nicht so, dass sich unser Fokus verändert hätte, aber unsere Fähigkeiten als Musiker und Songwriter haben sich geändert, wir merkten, dass wir jetzt Sachen umsetzen können, die wir früher nicht hinbekommen haben, und gleichzeitig passierte bei uns viel zu viel zur gleichen Zeit.

Wie soll ich das verstehen?

Man kann das mit einem Feuerwerk vergleichen: Ständig passiert da was, hier ... und da ... und dort, und man kommt kaum dazu, etwas anzuschauen, weil woanders schon der nächste Sternenregen niedergeht, alle läuft simultan. Wir wollten nun versuchen, dem einzelnen Effekt mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen. Zumindest kamen mir unsere Shows immer so vor, als ob da zig Sachen parallel laufen. Uns interessierte, was man tun kann, damit die Musik etwas einfacher wird, dass sie Raum zum Atmen hat, dass man es schafft, sie in eine andere Richtung zu lenken, so dass man sich auf andere Weise artikulieren kann. Uns war wichtig, diese Veränderung jetzt umzusetzen, um nicht auf der Stelle zu treten, nicht wieder ein Album mit der gleichen Musik zu machen. Das wäre für uns langweilig gewesen. Vor sieben Jahren oder so war Metalcore total angesagt, Freunde von uns spielten auch in solchen Bands, und mit der Zeit wurde es für die schon beinahe schmerzhaft, ein neues Album zu schreiben. Immer diese Breakdowns in den Songs, immer die gleiche Schiene. „Warum macht ihr das dann?“, fragte ich, und bekam zur Antwort, das würde das Publikum eben erwarten und sonst würde sich das Album nicht verkaufen. Diese Mentalität ist aber komplette Scheiße! Wir wollen Musik machen, die zum Ausdruck bringt, wer wir sind und wo wir im Leben stehen. Wir wollen abwechslungsreiche Musik machen, die unserem breiten musikalischen Interesse entspricht. Und so war die einzige Option für uns, uns zu verändern, und das Ergebnis dieses Prozesses ist das neue Album. Ich halte es darüber hinaus für wichtig, dass eine Band alle fünf Jahre zurückblickt, betrachtet, was sie geschaffen hat, dann alles niederreißt und alles neu aufbaut. Dazu kam, dass wir durch das ständige Touren auch etwas den Plan verloren hatten.

Habt ihr das neue Material schon live gespielt?

Wir waren in den USA gerade mit MESHUGGAH und DECAPITATED unterwegs und haben immer zwei der neuen Stücke gespielt. Das Publikum war uns gegenüber teils richtig feindselig eingestellt, die wollten MESHUGGAH sehen, doch die Songs kamen phänomenal gut an, wie wir an den Kommentaren im Internet ablesen konnten. Das ist ein gutes Zeichen, ich denke, das Album wird gut ankommen. Vor allem aber brauchten wir als Band diese drastische Richtungskorrektur. Wenn eine Band mal ein paar Jahre existiert, muss man sich darüber klar werden, dass man nicht ewig Musiker bleiben wird, dass das wahrscheinlich nur eine Phase in deinem Leben ist, die ein paar Jahre dauert, so lange wie man das rein körperlich durchsteht. Da empfinde ich es als sehr einschränkend, in diesem Zeitraum immer nur das Gleiche zu machen. Keiner, der Musik macht, will doch noch nach zehn Jahren exakt da stehen, wo er zu Beginn war. Unser Wechsel ist drastisch, und das sollte er auch sein. Wenn nun ein paar Leute denken, unsere EPs seien unsere besten Platten, dann muss ich sagen, dass diese Leute ein begrenztes Geschmacksempfinden haben. Wenn du gerne immer wieder die gleiche Platte hörst, dann schalte irgendeinen Radiosender ein und hör dir NICKELBACK an oder LINKIN PARK. Die machen seit 15 Jahren immer nur das Gleiche.

Das neue Album hat offensichtlich einen Doppeltitel, umfasst 18 Songs und läuft 75 Minuten. Ein Doppelalbum also, oder zwei Alben auf einmal?

Irgendwas in der Art. Wir hatten eine Menge Songs geschrieben, und uns war bald klar, dass es entweder ein superlanges Album wird, worauf wir aber keine Lust hatten, oder dass die Stücke auf zwei Scheiben aufteilen werden. Wir haben die Songs so aufgeteilt, dass jede Scheibe für sich als Album durchgehen kann, beide aber zusammen Sinn ergeben. Ich bin ja selbst Musikfan, und wenn ich an eine Platte mit 75 Minuten Spielzeit gerate, höre ich die nicht in Gänze mit gleichbleibender Aufmerksamkeit an. Und so haben wir eben zwei „Akte“ daraus gemacht.

Steckt hinter den Farben Rot, Blau, Gelb und Grün irgendein Zusammenhang, korrespondieren die irgendwie mit der Musik?

Dazu gibt es keine aufregende Geschichte. Wir wollten einfach diese Farbthematik noch ein Album länger durchziehen, so mussten wir auch nicht lange über den Titel nachdenken. Die Farben als Titel haben wir uns ausgedacht, um die Sache möglichst einfach zu halten, um den Zuhörer im Vorfeld nicht zu sehr zu beeinflussen, so dass man sich dem Album ohne große Vorbelastung widmen kann, sich überraschen lassen kann.

Da sich die Musik in den drei Jahren seit dem letzten Album verändert hat – hat sich auch deine Malerei verändert?

Die Sicht von außen auf diese Veränderungen ist eine ganz andere als meine Wahrnehmung. Ich empfinde das alles nicht als Wandel, sondern als Wachstum. Das mag wie Wortklauberei erscheinen, aber mir ist diese Unterscheidung wichtig. Ich als Künstler will mich nicht verändern, ich will wachsen, ich will, dass sich meine Arbeit entwickelt. Sowohl meine Musik als auch meine Malerei sind gewachsen, etwa in Hinblick auf die Menge an Inspiration, die in sie geflossen ist. Als ich jünger war, habe ich wie viele andere Künstler auch eher auf Einwirkungen reagiert, während ich heute eher reflektiere. Die Tage, als ich jung und wütend war und auf diese Wut mit Geschrei antwortete, sind vorbei. Wütend bin ich immer noch, und auch frustriert, aber ich reagiere anders darauf, nämlich mit Reflexion und Überlegtheit. Und das wirkt sich natürlich auf meine Bilder und die Musik aus.

Hat der schwarze Schwan, der im Artwork auftaucht, eine besondere Bedeutung für dich? Wofür steht er?

Er hat eine Bedeutung, aber die will ich nicht erklären. Wir nehmen das Band-Artwork aber immer schon sehr ernst, wir investieren viel Zeit in die Konzeption. Im Artwork finden sich kleine Geschichten und Details von jedem Bandmitglied, vieles aus meinem Unterbewusstsein, Undefinierbares, und eben auch Symbole wie der schwarze Schwan. Ich könnte das alles erklären, aber das nähme dem die Spannung, finde ich.

Ein bisschen mehr wüsste ich schon gern ... Was fasziniert dich an einem schwarzen Schwan?

Ich interessiere mich generell für Mythologie, und der Schwan an sich ist schon ein starkes mythologisches Symbol. Das ist kein Geheimwissen, da reicht es aus, mal bei Wikipedia nachzuschauen. Vor Jahren tourten wir mal in Australien und dort auch in Westaustralien, also Perth, und der dortige Wappenvogel ist der schwarze Schwan, weil er so besonders und eine Ausnahme ist. Für mich steht der Schwan für eine bedrohte Kreatur, deren Symbolcharakter wohl ihre reale Bedeutung übersteigt. Im Grunde ist der schwarze Schwan ein Vogel wie jeder andere auch, aber wir „beladen“ ihn mit all diesen Bedeutungen. Ich finde es deshalb auch interessant, einen Moment wie den auf dem Albumcover darzustellen, wo man eine unmittelbar bevorstehende Gewalttat annimmt – es ist der Moment, kurz bevor etwas sehr Schönes zerstört wird. Das finde ich interessant, solche Gedanken verfolgen mich. Generell tauchen solche Vorstellungen deshalb immer wieder in meinen Artworks auf, ich achte sehr genau darauf, welche Symbole ich in meinen Bildern verwende, auch wenn die oft nur von uns vieren in der Band entschlüsselt werden können.

Als wir uns vor drei Jahren unterhielten und du uns ein Bild zur Verwendung als Cover gabst, warst du im Internet noch fast unsichtbar. Heute haben sowohl BARONESS wie auch du selbst sehr gut gepflegte Seiten. Wie kam es zu dem Sinneswandel?

Ehrlich gesagt interessiert mich das Internet immer noch nicht. Die Website entstand mit der Hilfe meiner Frau und eines guten Freundes. Die fanden es dumm, wie verbissen ich ablehnte, mich selbst etwas zu promoten. Die beiden kümmern sich um die Website, ich selbst habe damit kaum was zu tun. Was mich im Leben interessiert, hat nichts mit dem Internet zu tun. Ich musste aber einsehen, dass ich nach all den Jahren, in denen ich meine Siebdrucke nur auf Tour verkauft hatte, mich doch mal dem Verkauf über einen Webshop öffnen musste. Wir touren ja nicht überall, also schloss ich viele Menschen vom Kauf eines meiner Bilder aus, und dieses Argument überzeugte mich.

Druckst du selbst?

Nein, ich arbeite mit der hervorragenden Siebdruckerei Burlesque Of North America in Minneapolis zusammen, ich habe kein Händchen für dieses Handwerk. Es interessieren sich auch immer mehr Menschen für meine Arbeiten, wie ich feststellen muss. Das ist nichts, was mich umtreibt, aber ich nehme das schon wahr. Es läuft also ganz gut, ich muss eigentlich ständig Aufträge ablehnen, weil ich nicht die Zeit dafür habe, was gut und schlecht zugleich ist. Ich bin eigentlich schon bis 2014 ausgebucht, das ist verrückt. Ich habe mich zuletzt um unser eigenes Artwork für Album, Merch und Poster gekümmert, davor um das einer Band aus Atlanta namens TIGER! TIGER!.

John, besten Dank für deine Auskünfte.