CARLOS CIPA

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Débussy und Bukowski

Sechs Jahre alt war Carlos Cipa, als er die ersten Klavierstunden nahm. Mit 16 lernte er Schlagzeug, um mit einigen Freunden eine Hardcore-Band zu gründen. Von da an probierte er sich in diversen Genres von Jazz bis Indie und experimentiert mittlerweile mit verschiedenen Instrumenten. Momentan hofft er auf einen Studienplatz an der Hochschule für Musik in Theater im Fach Klassische Komposition. Bis dahin vertreibt er sich die Wartezeit bis zum Wintersemester eben mit der Veröffentlichung seines Debütalbums „The Monarch And The Viceroy“ im Juni und einer kurzen Europatour im Oktober.

Im Zentrum des Albums steht jedoch der Flügel der Marke Steinway & Sons, mit dem Carlos die zwölf Stücke seines ersten Albums im heimischen Wintergarten in München aufnahm. Als Klassik-Pianist versteht sich Carlos trotzdem schon lange nicht mehr. Seine Ausflüge in den Hardcore-, Punk- und Screamo-Bereiche sieht er als Bereicherung seines Erfahrungsschatzes an: „Mir hat das vor allem gezeigt, wie es ist, selbst Musik zu machen. Am Klavier bleibt man ja im Regelfall immer auf die Interpretation beschränkt. Beim Schlagzeug ist das einfach anders, man lernt das Instrument zu spielen und einzusetzen. Das erste Mal mit den eigenen Songs auf der Bühne zu stehen, ist einfach etwas anderes als zum hunderttausendsten Mal eine Beethoven-Sonate zu spielen.“

Als Musiker betrachtet er sich in erster Linie, in zweiter Instanz als Komponist. Einerseits betont er die Rolle, die Populärmusik für seine Entwicklung gespielt hat, den Einfluss von klassischer Musik und Komponisten wie Claude Débussy und Erik Satie räumt er aber ebenfalls unumwunden ein: „Bei manchen Stücken kann man sicherlich von Komposition sprechen, zu manchen anderen passt wohl eher der Begriff Songwriting. Die Strukturen sind teilweise von der normalen Pop-Form beeinflusst. Ich habe mich beim Schreiben meiner Stücke nicht auf irgendein Genre festgelegt oder mich von irgendetwas beeinflussen lassen. Die Stücke sind sehr intuitiv in ganz bestimmen Momenten entstanden.“

„The Monarch And The Viceroy“ klingt dementsprechend hybrid, steht im Spannungsfeld von klassischer Klaviermusik und beinahe poppigen Melodien. Das spiegelt sich allein schon in den Titeln wider: Bukowski-Zeilen lieh sich der 22-Jährige ebenso wie Episodennamen der Fernsehserie „Six Feet Under“, mit „Nocturne“ zollt er der Tradition klassischer Klaviermusik Tribut. Hört man genau hin, scheint sich seine Beschäftigung mit Hardcore und Jazz gleichermaßen niedergeschlagen zu haben. Tatsächlich sprüht „The Monarch And The Viceroy“ vor Lebhaftigkeit, die sich nicht mit dem Klischee eines Beethoven-Interpreten decken mag. Hier und dort nimmt Carlos das Tempo raus, variiert rhythmisch. „Ich habe schon von vielen Seiten gehört, dass der Rhythmus auf dem Album sehr auffällig ist“, stimmt er zu. „Das liegt wohl am ehesten an meinen relativ eigenen und oft variierenden Begleitmustern in der linken Hand. Auch wenn diese meistens intuitiv gespielt, also fast improvisiert sind, habe ich doch großen Wert darauf gelegt, dass es immer wieder Neues gibt.“

Nichtsdestotrotz gibt sich das Debüt minimalistisch, beschränkt sich auf ein einziges Instrument. „Das ist sozusagen meine persönliche ,Verarbeitung‘ mit dem Klavier“, sagt Carlos, der für sein zweites Album gerne mit weiteren, ausgefallenen Instrumenten experimentieren möchte und schon ein Bandprojekt in Planung hat. Für die Zukunft schließt er auch die Filmmusik als weiteres Standbein nicht aus. „Ich habe bis jetzt zwei Kurzfilme mit einem jungen Münchner Regisseur gemacht, bei denen wir uns total gut zusammengefunden haben. Musik zum Bild zu komponieren war natürlich eine ganz andere Erfahrung, als die Stücke für das Album zu schreiben.“

Das überstrapazierte Label „Film-Score-Musik“, das vielen der Acts, die wie Carlos auf Denovali Records veröffentlichen, aufgedrückt wird, sieht er kritisch: „Film Score ist eine Ecke, in die Musik gedrängt wird, wo sie schnell ihren eigenen Charme verliert. Versteh mich nicht falsch, ich liebe Filmmusik, vor allem aus den Fünfzigern. Aber ich wollte, dass meine Musik für sich steht. Früher war Filmmusik wesentlich kunstvoller und auch dadurch viel beeindruckender. Heutzutage will einfach jeder nach Hans Zimmer klingen. Es geht nur darum, möglichst schnell möglichst fett zu klingen. Trotzdem könnte ich mir auch für die Zukunft vorstellen, Filmmusik zu machen, würde aber niemals davon abkommen, einen hohen Anspruch an die Musik zu legen. Wenn das dann zeitlich oder finanziell nicht zu verwirklichen ist, dann werde ich wohl leider nicht damit dienen können.“

Das sind selbstbewusste Worte von einem verhältnismäßig jungen Musiker. Die kann er sich allerdings erlauben, schließlich hat er nicht nur eine eindrucksvolle Vita vorzuweisen, die auch Auftritte mit Bands wie THIS WILL DESTROY YOU, A WINGED VICTORY FOR THE SULLEN und LIBRARY TAPES mit einschließt, sondern auch sein Ziel stets fest vor Augen: „Ich bin eigentlich jemand, der sich nur auf eine Sache konzentriert, und das ist die Musik.“