MOPED LADS

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20 Jahre MOPED LADS!

Unser bedenklichster Schweizer Politiker lieferte den Namen für eines der amüsantesten Punk-Fanzines ever: Blocher Youth! In Ausgabe Nummer zwei gab es da ein Ox/Hiller-Interview, in der Nummer eins (Frühling 1996) berichteten die 15-jährigen Herausgeber von einem Konzertbesuch, in welchem eine verkleidete Band erwähnt wurde, welche „krank! Krank aber geil!“ gewesen sei. Gemeint waren damit die MÖPED LADS aus Luzern, welche im August ihr 20-jähriges Jubiläum feiern.

Als sich die MOPED LADS (auf die MOTÖRHEAD-Pünktchen wird heute verzichtet) 1992 formierten, handelte es sich nicht um eine Horde Teenager, welche gerade ihre erste Band startet – Ronnie, Randy, Sony und Sammy hatten nämlich bereits Schweizer Punkgeschichte geschrieben! Die bekannteste Vorgängerband waren CRAZY, deren Hit „Ech well frei si“ („Ich will frei sein“) einigen ein Begriff sein dürfte. CRAZY veröffentlichten ein Album („No Chance“, 1980) und eine unbetitelte 4-Track-12“ (1981) bevor sich die Gruppe trennte und Ronnie Moped (aka Mongi) als Gitarrist bei R.A.K. (RADIKAL ANARCHISTISCHES KOMMANDO) für kurze Zeit wieder in Erscheinung trat. Neben den durchgeknallten TAKE A VIRGIN (Sony Mopeds Ex-Band, welche 1989 ein James-Last-Tributalbum veröffentlicht hat) dürften aber auch die Sixties-Garage-Rocker FLYING SHRIMPS und THE REACTION unvergessen geblieben sein – glücklich, wer den Voodoo Rhythm-Sampler „Garage Punk Switzerland“ sein Eigen nennt. In den unzähligen Neben- und Vorgängerprojekten, die mit Beteiligung von Moped-Brüdern entstanden sind, wurde Gitarrenmusik verschiedenster Art gefrönt – bei den MOPED LADS allerdings geht es auch nach 20 Jahren immer noch kompromisslos zur Sache. Schnurgerader Drei-Akkorde-Punkrock ist angesagt, gesungen wird in Englisch, Deutsch und Luzerner Mundart.

Im Beiheft zur 2004 erschienenen LP „Dead People Smell Louder“ ist nachzulesen, wie Sony als auch Randy ihre Aktivitäten als Konzertveranstalter intensivierten – erst bloß im Sedel, später als JOHNNY MOPED COMMANDO/J.M.C. unter anderem auch in der Schüür, einer zusätzlich erkämpften Location im Zentrum von Luzern, welche nebenbei nächstes Jahr übrigens ebenfalls das 20-jährige Jubiläum feiern wird. Nicht mehr bloß für die J.M.C.-eigenen Veranstaltungen, sondern schweizweit zeichnet Sony heute Konzertplakate in einem der beiden Sedel-Ateliers – wobei er übrigens schwört, jeweils „vom weißen Papier bis zum Endresultat nur die Sounds, um die es bei dem Plakat oder Flyer geht, zu hören“. Dieses Atelier teilt er mit Drummer Sammy Moped, der sich mit knallbunten Bildern einen Namen gemacht hat – zu bestaunen auf der MOPED LADS-Website.

Musikalisch konzentriert man sich heute auf die Hauptband, in den 20 Jahren Bandgeschichte sind die Lads aber auch schon aufgetreten als TONY & THE MARSHALLS („mal Punk-Versionen von volkstümlichen Schlagern, mal Siebziger-Jahre-Disco-Heuler“), als G.G.’S KIDZ („ein Tribute an G.G. Allin“) oder als RAMONIACS („eigene Versionen von über 30 RAMONES-Klassikern im Zippy-Pinhead-Outfit, den hohen Kopfansatz aus chirurgischem Plastilin hergestellt“). Heute ist Dandyboy außerdem mit SIN LOGICA unterwegs („deftige Kost irgendwo zwischen WOLFPACK und MOTÖRHEAD“ um den Romp-Infoladen und Fanzine-Herausgeber Fix) und Sammy mit ADO („herrlich schräge Pop-Perlen“), gespielt unter anderem auf Kinderinstrumenten. Sony selber war zuletzt als Gastsänger bei den FAILED TEACHERS zu hören sowie als Jingle-Lieferant für das ziemlich gute (!) Radio 3fach.

Sony, seid ihr denn noch gar nicht müde?

Nein! Wir alle sind schon sehr früh in unserer Jugend in die Punk-Sache hineingerutscht und wurden dadurch so etwas wie geimpft. Diese Impfung hält irgendwie fürs Leben. Zudem haben wir auch eine Menge erlebt und durchgestanden in dieser Zeit. Die MOPED LADS sind eine Therapie. Ohne sie müssten wir vielleicht das Gesundheitssystem belasten und den Psychiater aufsuchen. So aber können wir noch immer lautstark Dampf ablassen. Wir haben vor, das so lange zu machen, bis der Körper die Energie dazu nicht mehr aufbringen und der Geist keine Songideen mehr ausschütten wird. Wir können es nicht verstehen, wenn Musiker in unserem Alter zur Antwort geben: „Och, weißt du, wir sind jetzt schon über 40 und da muss man es ein bisschen laid back angehen, da kann man nicht mehr so losrocken.“ Wieso nicht?! Du hast einen alten Blueser wie John Lee Hooker oder Muddy Waters auch nie gefragt, ob er denn nie müde wird, den Blues zu zelebrieren. Das ist ein Leben. Unser Blues war und ist halt der Punk, denk an UK SUBS und „Another kind of blues“. Zudem sind die Zeiten nicht besser geworden heute, sondern eigentlich ist alles noch schlimmer, obwohl wir schon vor vielen Jahren dagegen angestunken haben. Da kann man nicht relaxter werden, das macht einem noch wütender. Auch im Hinblick auf unsere Kinder.

Als Einflüsse gebt ihr gerne die ganz offensichtlichen Namen Johnny Moped, RAMONES und PETER AND THE TEST TUBE BABIES an. Was wird heute außerdem bevorzugt gehört? Sind irgendwelche aktuellen Punkbands interessant oder seid ihr gänzlich auf die alte Schule fixiert?

Wir sind eigentlich auch gar nicht so sehr auf Punkbands fixiert. Wir haben zwei Ohren, die wollen in ihrem Leben so viel aufsaugen wie möglich, eine soundmäßige Weltreise antreten sozusagen. Aber Punkrock ist halt immer der Träger des Ganzen, wohin wir wieder zurückkehren. Unsere Jugend war schon sehr fulminant, stürmisch und bunt. So kommt es halt, dass der Soundtrack der damaligen Zeit sich einfach auf unseren Festplatten eingebrannt hat. Das bedeutet aber, dass wir mit ganz vielen Sounds aufgewachsen sind. Es war auch eine Zeit der Entdeckungen. Neben Punkrock gab es ja auch eher synthetische Klänge damals, ob in England mit den ganzen Post-Punk-Sachen oder dem Anfang der NDW mit Bands wie DAF. Oder wir entdeckten den Reggae oder dann die Sechziger, und schließlich noch prähistorischer, die Fünfziger mit dem ganzen Rockabilly-Zeug, resultierend dann im Psychobilly. Unser Musikgeschmack ist wirklich breit gefächert – also von Metal über Soul zu Punk. Aber mit den MOPED LADS frönen wir einfach den drei Akkorden! Da gibt es ja auch verschiedene Varianten, das sehen wir nicht so eng, denn wir haben ja alle Strömungen mal durchschwommen in unserem Leben. Manchmal haben wir mehr Bock darauf, es hymnisch zu gestalten, dann wieder rasend wie zu besten Skateboard Zeiten. Neue Bands verfolgen wir durchaus, denn wir veranstalten ja selbst ab und an immer noch Punkrock-Konzerte.

Thommy beziehungsweise Dandy Moped, den fünften und jüngsten der Brüder, kenne ich noch ein bisschen aus der Luzerner Squatter-Szene Ende der Neunziger – bei euch dreht es sich aber meistens um den Sedel. Magst du den Punks vom Ox ein bisschen was darüber erzählen?

Eigentlich waren alle von uns irgendwann mal in Hausbesetzungen verwickelt, aber du hast Recht: die MOPED LADS sind im Zusammenhang mit dem Sedel beinahe nicht mehr wegzudenken. Nicht nur, weil wir seit Anbeginn der Band oder unserer Vorgängerbands unsere Proberäume da oben haben. Nein, Ronnie war mit CRAZY auch aktiv an der Entstehung des Sedels als Kulturzentrum beteiligt: Ihr Soundmann, Werni Heller, hatte zusammen mit einem anderen Punkrocker, Felix Hodel von IV-SEX, mittels einer Flyer-Aktion in der Stadt Proberäume angeboten – die sie gar nicht hatten! Darauf meldeten sich viele Musiker und Bands; und daraus entwickelte sich dann der Trägerverein „Interessengemeinschaft Luzerner Musiker“. Der Sedel ist ein trutziger Gefängnisbau aus den 1930er Jahren, der vor der Stadt auf einem Hügel thront und ab Anfang der Siebziger Jahre bis 1981 ungenutzt zu einem Biotop verkam. Begünstigt durch die Zürcher Jugendunruhen – und auch weil Luzern damals gerade die erste Besetzung in der Altstadt erlebte – waren die damaligen Stadtväter gewarnt und beschlossen, den Ostflügel des Gebäudes während eines zweijährigen Versuches freizugeben. Vom Trägerverein wurde verlangt, dass der Verein selbsttragend sein und ein Hausmeister „zum Rechten schauen“ müsse ...

Gute alte Schweizer Umgangssprache ...

Zudem verboten sie öffentliche Veranstaltungen. Einen der ersten Proberäume bezogen CRAZY. Und im ehemaligen Speisesaal der Häftlinge wurde der Club eingerichtet, wo Mongi/Ronnie die erste Bar betrieb, denn natürlich wurde das Live-Verbot „umgangen“. Zwei Jahre später schließlich wurde auch der Westtrakt freigegeben und so befinden sich heute unter dem Sedel-Dach 60 Proberäume, zwei 24-Track-Aufnahmestudios, zwei große Ateliers und natürlich der 300 Leute fassende Club, dessen Bühne ursprünglich aus den Bänken der Knastkapelle gebaut wurde.

Und was erwartet uns in Zukunft von euch?

Wir haben beschlossen, keine CDs mehr zu veröffentlichen. Und wenn ein Album, dann muss das so lange warten, bis wir ein Best-Of aus den veröffentlichten 7“-Vinylsingles daraus basteln können. Wir haben noch nie eine Single veröffentlicht und das wollen wir dieses Jahr mit einer Doppel-7“ nachholen. Unser Sound ist etwas für Liebhaber und so ist es auch mit den Vinylsingles, also gehört das zusammen. Natürlich wird man die Stücke auch irgendwo herunterladen können. Geht wohl nicht ohne, aber da entgeht einem dann ein schmuckes Kleinod an Artwork, haha. Große Touren werden wir wohl nicht mehr hinkriegen in der nächsten Zeit, da einige von uns doch ziemlich anderweitig eingespannt sind, aber wir werden sicher diverse Bühnenbretter berühren, egal ob auf dieser oder der anderen Seite der Grenze. Und dann – wenn uns die Songideen nicht ausgehen – machen wir weiter damit. In 20 Jahren hat sich durchaus die eine oder andere Geschichte zugetragen, die einem vor Lachen Tränen in die Augen treibt. Alleine über Ronnies Aktionen könnte man ein Buch schreiben, was wir vielleicht auf seinen Fünfzigsten hin, der nicht mehr lange auf sich warten lässt, machen werden. Wir haben in den letzen 20 Jahren unglaublich viele tolle Leute kennen gelernt, die wir nicht vergessen werden und sind an Orte gekommen, die wir wohl in einem normalen Leben nie gesehen und erfahren hätten. Das ist schon eine tolle Sache! Diese Situationen, wenn hinter dem Schlagzeug aus Abwasserrohren ein gelbes Rinnsal fließt oder wenn man beim Punk & Disorderly Festival in Berlin nach einer 40 Minuten langen, zerknitterten Fahrt im Auto viel zu spät aufs Gelände gebracht wird und gleich beim ersten Knochenstrecken auf der Bühne hundertprozentig abdrückt, das sind das einfach Erlebnisse, die eine Band auch irgendwie prägen. Wenn uns die Songideen nicht ausgehen, machen wir weiter damit.