ASTPAI

Foto

Austria’s greatest punkrock export

Wiener Neustadt, die elftgrößte Stadt in Österreich, ist schon seit längerem das kreative Epizentrum der österreichischen Punk-Szene. Eine der wichtigsten und qualitativ beständigsten Kombos sind ASTPAI, die schon seit mehr als zehn Jahren zusammen Musik machen. Verwunderlich dabei: Man hat das Gefühl, dass sie immer noch wie ein Geheimtipp gehandelt werden. Dabei hat der Bandbulli des Quartetts in den letzten Jahren mehrmals ganz Europa und weite Teile der USA und Kanadas hinter sich gelassen – besonders mit ihren Freunden ONE WIN CHOICE. Spätestens mit dem letzten Album „Heart To Grow“ (2010) musste das punkrock-sozialisierte und KID DYNAMITE-, NONE MORE BLACK- und Dan Yemin-affine Herz doch erkennen müssen, was für eine potente Band Wiener Neustadt hier beheimatet. So gern auch mancher Pseudo-Journalist den melodischen Punkrock, wie ihn die Neunziger Jahre aufwachsen sahen, für tot erklärte, karren ASTPAI ihn aus der rhetorischen Leichenhalle. Mit „Efforts & Means“ hat das Quartett im Mai sein viertes Album veröffentlicht und damit seinen bislang besten Versuch, um weitere Aufmerksamkeit zu erlangen. Stagnation ist hier außer Sichtweite. Wenn man ASTPAI die Chance gibt, dann sind es besonders sie, die aus der Reizüberflutung an Bands, die das digitale Zeitalter ins Wohnzimmer schwemmt, deutlich hervorstechen. Ich sprach mit Sänger Zock.

Zock, auf der ersten Tour zu eurem neuen Album „Efforts & Means“ im Frühling lag die LP-Version noch nicht vor. Gab es Probleme mit dem Presswerk oder was ist da genau vorgefallen?


Es gab zusätzlich noch einen Fehler mit dem Master, da wussten wir selber nicht ganz, was da los war. Da hat sich das Ganze zum ersten Mal verzögert und dann gab es noch das Problem, dass uns die Platten zwar geschickt wurden, aber dass sämtliche Innersleeves zerknickt waren, und zwar von allen 500 Platten. Wir mussten die zurückschicken und das hat es nochmals verzögert. Zwei Tage nach der Münster-Show waren sie dann schließlich da – was besonders bitter war, denn gerade in Münster haben ziemlich viele nach der Platte gefragt –, aber wir waren da schon in Holland, auf dem Weg nach Frankreich, und haben die Nachricht bekommen, dass die Platten jetzt in Dortmund angekommen sind. Gerade in Städten wie Münster macht es total Spaß und dann ist es scheiße, wenn Leute, die extra auf die Platte gewartet haben, enttäuscht werden.

Die Nische der LP-Liebhaber erfährt ja seit einigen Jahren eine Art „Boom“. Schade, wenn es dann gerade zu Verzögerungen und Komplikationen kommt, oder? Liegt es an den überbelasteten Presswerken?

Nun ja, auf der letzten Tour haben wir tatsächlich mehr CDs verkauft – so viel also zum LP-Boom, haha.

Selbst, wenn ihr auf der letzten Tour mehr CDs als LPs verkauft habt, gibt es seit ein paar Jahren schon den Record Store Day, der eine Art Rückbesinnung widerspiegelt, mit Sicherheit auch dadurch angetrieben, dass viele Leute wieder mehr Vinyl kaufen. Was hältst du davon?

Ich finde die Idee großartig. Vor allem mit all den exklusiven Releases, die rauskommen. Ich könnte mir echt vorstellen, dass wir da mal einen Release machen, jedenfalls hätte ich da tierisch Bock drauf. Zumindest haben wir das schon mitbekommen, dass viele Bands exklusive 7“s herausgebracht haben, die es dann nur in dem lokalen Record Store um die Ecke zu kaufen gibt. Aber es ist sicher nach wie vor schwierig, einen Plattenladen zu betreiben und damit überleben zu können, auch insofern macht so etwas schon Sinn.

Jetzt mal zu eurem neuen Album. Wenn man sich eure Diskographie anschaut, merkt man zweifelsfrei, dass ihr einen gewissen Reifeprozess vollzogen habt, sowohl musikalisch als auch textlich.

Ja, das ich finde auch. Mit der Zeit hat sich auch der Anspruch an mich selbst erhöht, Texte zu schreiben, wo ich mich mit jedem Sinn und jedem Wort, das ich schreibe, identifizieren kann. Aber so Texte, die ich jetzt schreibe, hätte ich vor fünf Jahren nicht schreiben können. Bei der ersten Platte wäre das nicht möglich gewesen. Insofern hast du völlig recht, das ist ganz logische Entwicklung.

Besonders bei Songs wie „Honest and sentimental“ oder auch „Stalactites of heart“ nimmst du kein Blatt vor den Mund. Setzt man sich mit der Zeit ehrlicher mit den Dingen auseinander, die einen beschäftigen?

Mit dieser Platte ist es zum ersten Mal so, dass ich live nicht nur etwas wiedergebe, was ich auswendig gelernt habe, sondern genau das singe, was ich aussagen will. Das macht es total spannend, wenn du es schaffst, Texte zu schreiben, die genau das ausdrücken, was eine Person sich gedacht hat. Ich sehe das als großes Kompliment an, wenn es so rüberkommt, dass es ehrlich ist. Denn genau so ist es auch gemeint. Wenn das so ankommt, dann ist das geil, dann ermutigt mich das, genau so weiterzuschreiben.

Selbst auf „Heart To Grow“ hattet ihr bereits Lieder, die bis an die Fünf-Minuten-Grenze gingen. Auf „Efforts & Means“ geht ihr noch einen Schritt weiter. Sowohl fünf, sechs als auch ein fast sieben Minuten lange Songs sind dabei. Wie kam es zu solchen Ausschweifungen?

Wir haben das überhaupt nicht bewusst gemacht, und zuerst auch gar nicht so mitbekommen. Das ist die erste Platte, die wir mit dem neuen Line-up geschrieben haben und es ist alles ziemlich schnell gegangen. Die Nummern mit viel Texten sind dann zwangsläufig so lang geworden, aber wir haben nicht das Gefühl gehabt, dass es zu langweilig sei. Es gab einfach keinen Grund, die Nummern zu kürzen. Ich finde, wenn einem das nicht langwierig vorkommt, dann passt das schon. Aber mittlerweile habe ich schon mitbekommen, dass einige Leute eine Hemmschwelle haben, sich die Platte überhaupt anzuhören, weil ihnen die Nummern zu lang sind. Auf Punknews.org hat einer ein Review zu unserer Platte geschrieben, und da war ein Kommentar von einem User drunter, der sich die Platte gekauft hat, aber sie sich noch nicht angehört hat, weil er gesehen hat, wie lang die Nummer sind. Dann fragt man sich ja schon, wieso das eine Barriere für einige Leute ist ...

Der Opener von „Efforts & Means“ wird ja vollständig von einem Sample begleitet, und selbst auf „Heart To Grow“ habt ihr schon eine Menge gesamplet. Wie wurdet ihr da beeinflusst, spielten da auch Bands wie DILLINGER FOUR, die Samples dauerhaft einbringen, eine Rolle?

Ich würde eher sagen, so Bands wie GOOD RIDDANCE, die immer politische Samples mit eingebracht haben. Jeder von uns ist mit solchen Bands aufgewachsen, und bei GOOD RIDDANCE war jede Platte voll mit Samples. Zum Beispiel auf „Operation Phoenix“ gibt es fast keinen Song ohne. Wir haben jetzt nicht zwangsläufig politische Samples, es sind fast alles Filmzitate, aber ich finde es geil, damit zu spielen. Wie du damit dem Ganzen eine ganz andere Dynamik verleihen kannst – es verstärkt es noch viel mehr. Ich muss sagen, ich kenne ja überhaupt keine Filme, filmtechnisch habe ich keine Ahnung. Sämtliche Samples, die auf unseren Platten sind, stammen von Filmen, die mir ein guter Freund irgendwann mal gezeigt hat. Ich bin einfach kein Filmmensch. Aber genau von den Filmen haben es die Samples immer auf die Platten geschafft, haha. DILLINGER FOUR machen das aber auch schon echt geil.

Euer Song „Give us our daily bread, cars and flatscreens“ klingt wie ein Abgesang auf den Kapitalismus.

Da geht es eigentlich um den Job, den ich in Wiener Neustadt mache – ich arbeite bei einem Bestattungsunternehmen. Im Prinzip ist es ein klassischer Studentenjob, du arbeitest bei Begräbnissen und führst den Sarg oder Blumengestecke. Der Job ist halt flexibel, passt also ganz gut zu meinem Tourleben, und ich habe eine Versicherung. In dem Text geht um Folgendes. Wenn man ohnehin schon religionskritisch eingestellt ist, dann schießt du mit so einem Job einfach den Vogel ab. Das Thema ist nur, ich kann es sehr gut verstehen, wenn Leute dieses ganze Drumherum brauchen und ich verstehe auch, dass manche Leute religiös sind, weil sie es einfach brauchen und dieses Begräbnis- und Bestattungsding benötigen, um mit etwas abzuschließen, das macht schon Sinn. Aber Religion ist halt ein Business wie jedes andere. Und wenn du da mal mitarbeitest, dann merkst du, dass es im Prinzip nur ein Fließbandjob ist. Du hast drei Begräbnisse am Tag: Sarg rein, Leute rein, Sarg raus, und so weiter. Wenn der Pfarrer, der dann das Begräbnis leitet, auch noch drei Minuten vor dem Begräbnis fragt, ob es überhaupt ein Mann oder eine Frau ist, dann finde ich es total schade, wenn Leute an so etwas festhalten und es so einen extremen emotionalen Wert hat. Das ist absoluter Bullshit! Außerdem haben wir bei dem Bestattungsunternehmen nicht nur katholische Begräbnisse, sondern auch islamische. Du merkst einfach bei den Kollegen, die das seit 15 bis 20 Jahren machen, wie schwerst voreingenommen die sind – Rassisten, „Alltagsrassisten“, wie einige das verharmlosend ausdrücken. Aber im Endeffekt ist es halt ein Job und wenn die Kohle stimmt, dann kann man das ausblenden. Und das fasst der Titel ganz gut zusammen. Ja, eben. Genau das ist der Punkt. Ich werfe auch niemanden vor religiöse zu sein, soll jeder an das glauben, was er will. Aber ich finde es manchmal schon interessant, einigen Leute mitzuteilen, wie es wirklich aussieht. Wobei ich glaube, manche Leute interessiert das auch gar nicht. Es gibt das Prozedere, und es ist halt so. Aber es stellt sich ja die Frage, warum man überhaupt so eine Szenerie braucht. Das Schlimmste daran ist einfach, die Pfarrer sind bezahlte Redner. Was die machen ist einfach so geil. Die tun so, als hätten sie diese Person ein Leben lang gekannt. Sie stehen an dem Rednerpult und reden ganz andächtig über ... nochmal kurz auf den Zettel schauen ... diese Person und was sie für ein schönes Leben doch verbracht hat. Ich weiß, dass es hart ist von jemanden Abschied zu nehmen, aber ich fände es doch zehn mal erfüllender, wenn da jemand vorne steht, der zwar Rotz und Wasser heult. Ich hoffe, ich muss den Job nicht mehr allzu lange machen. Solange hole ich aber raus, was rauszuholen ist, und wenn es zumindest ein Text ist.