CRYPT RECORDS TEIL III

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Herr Johannsen lässt nicht mit sich feilschen

Im dritten Teil der Historie von Crypt Records geht es um Dirk, den Mailorder-Mann. Wer kennt es nicht: man möchte etwas im Crypt-Shop ordern und fühlt sich wie auf einer Zeitreise. Man forstet sich durch ein Daten-Wirrwarr, wie es nur pfiffige Internet-Cracks Mitte der Neunziger fabrizieren konnten. Verantwortlich hierfür ist neben Tim Warren auch Dirk Johannsen, der seit 1994 an Bord ist und sich um den Laden Cool & Crazy in Hamburg-Altona, den Mailorder sowie Vertrieb kümmert. Neben seinem privaten Umzug, dem täglichen Geschäftsbetrieb und einer Zahnwurzelbehandlung fand Dirk Zeit, seine Perspektive auf das Phänomen Crypt Records zu schildern, einen Einblick in seinen Alltag zu geben und über die Zukunft der Branche zu sinnieren.

Dirk, um die Frage werden wir wohl nicht herumkommen: Erzähl doch bitte kurz was zu deiner Person, zu deinen ersten Kontakten zu Crypt Records beziehungsweise zum Cool & Crazy und zu Tim, und wie du letztendlich selber irgendwann hinter der Verkaufstheke gelandet bist.


Meine ersten nicht-persönlichen Kontakte zu Crypt hatte ich über den Plattenladen „Wo-Anders“ in Lübeck, da habe ich meine erste „Back From The Grave“-LP gekauft und noch einiges mehr. Das war Mitte/Ende der Achtziger Jahre. Anfang der Neunziger entdeckte ich dann Tims Laden Cool & Crazy in der Seilerstraße in Hamburg und habe von dem Zeitpunkt an mein ganzes Geld dorthin getragen. Der Laden war einzigartig damals, da Tim regelmäßig Lieferungen aus den USA bekam und man Sachen fand, die sonst keiner führte, und das alles zu sehr guten Preisen. Es gab übrigens nicht nur ein tolles Vinylangebot, für das das Portemonnaie bluten musste, sondern auch eine sehr gut sortierte US-Comic-Abteilung, jede Menge Fanzines und Bücher, Art, Crime, Musik etc., ein wahres Paradies! Ich war nicht nur von der Auswahl begeistert, sondern auch von Tim, der damals am Tresen stand und dir begeistert Sachen vorgespielt hat, die neu reingekommen sind, und die dann fast ausschließlich auch immer so gut waren, dass man die sofort mitgenommen hat. Tim war und ist ein Musikverrückter und kann sich wie kaum ein anderer für Musik begeistern oder sich darüber aufregen. Jeder, der damals einen Crypt-Mailorderkatalog gelesen hat, wird wissen, was ich meine. Dieser Katalog war eigentlich fast schon ein Fanzine, nur dass du die Sachen dann gleich kaufen konntest oder lieber auch nicht, wenn sie komplett verrissen wurden. Wie auch immer, auf jeden Fall ist er eine höchst interessante Persönlichkeit und vor allem auch einer ohne irgendwelche Szene-Attitüden. Ihm geht’s ganz einfach um die Musik. Im April 1994 habe ich dann angefangen, für ihn im Laden zu arbeiten. Übrigens ein gutes Beispiel dafür, dass er auf Szene und Ähnliches keinen Wert legt, denn ich sah damals ganz bestimmt nicht wie der coole Plattenverkäufer aus, eher wie ein unbedarftes Landei, das ich, aus einem kleinen Kuhdorf in Schleswig-Holstein kommend, ja auch war. Aber ich war und bin auch musikbegeistert, weswegen das vermutlich ganz gut passte. Jedenfalls bin ich seitdem dabei.

Kannst du uns einen kurzen Überblick über die Crypt-„Familie“ geben? Wer war dabei, wer ist gegangen und wer unterstützt euch noch heute? Wie sind die Aufgaben zwischen dir und Tim verteilt?

Als ich anfing, waren Tim und Michaela dabei, damals noch verheiratet, und haben Label Mailorder und Laden gemeinsam betrieben. Dazu kam Claudia, eine Freundin der beiden. Damals war die Labelanschrift noch in der Hopfenstraße und der Laden plus Lager in der Seilerstraße. In den Neunziger Jahren gab es eine Menge Crypt-Bands, die auf Tour nach Europa geholt wurden, deshalb kam dann noch Stephan Rath dazu, der das Booking und die Promotion für die Bands gemacht hat. Da waren das Büro und Teile des Lagers bereits in der Eimsbütteler Chaussee, der Laden und das Mailorder-Lager weiterhin in der Seilerstraße. Tim war für die Labelarbeit zuständig, Michaela für die Buchhaltung und die Bands, und Stephan für Booking und Promotion, während ich den Laden und Mailorder machte. Es waren auch immer mal Aushilfen dabei, wie zum Beispiel ein Schulfreund von mir, Dennis, der während des Studiums eine zeitlang im Laden und Mailorder geholfen hat, dann aber auf die schiefe Bahn geriet und Lehrer wurde. Oder Gax, der Sänger der MOORAT FINGERS und jetzt der SWORN LIARS, der ein Praktikum bei uns machte, ebenso wie Kai-Uwe aus München, der nun bei einem Herrenmagazin die Musikseite betreut. Alles übrigens Leute, zu denen es immer noch freundschaftliche Bande gibt. Und dann gab’s noch die Leute, die den Crypt-USA-Mailorder gemacht haben, bevor Tim zurück in die Staaten ging und Michaela ihm später folgte: George, den ich nicht kennen gelernt habe, und Brett, der auf einer Art „Crypt-Skireise“ dabei war. 1997 haben wir den Laden in der Seilerstraße dichtgemacht, da die Miete zu teuer wurde, und nur noch den Mailorder und Vertrieb aus der Eimsbütteler Chaussee betrieben. Dann folgte Michaela Tim nach Amerika und ich habe den Laden hier geschmissen, mit Hilfe von Tom Kerlin, der eine ganze Zeit ausgeholfen hat. Später folgte Maetty, der mir ab und zu half und als er nach Wiesbaden zog, um was vernünftiges zu lernen, bzw. Önologie zu studieren, halfen mir zunächst Basti und dann Luka hin und wieder aus. Dann war ich mal wieder eine recht lange Zeit komplett allein, dann kam Maetty zurück und half noch mal kurz, um sich dann professionell dem Wein zu widmen. Momentan bin ich mehr oder weniger alleine am Start und frage mich, wie ich das schaffe. Ab und zu hilft Micha mir aus, auch so ein Musikverrückter, der gleich um die Ecke wohnt und bei Wildwax Booking mitmacht. Die Arbeit ist so aufgeteilt, dass ich den Laden, Mailorder und Vertrieb hier aus Hamburg mache, sowie die unglaublich spannende und mit Freude geführte Buchhaltung – ein dicker Dank an all die Läden, die ihre Rechnungen immer erst nach Erinnerungen meinerseits schreiben, ich liebe diese Zeitvergeudung! Tim ist in Berlin, macht Labelarbeit und betreibt das Masteringstudio, wo er hauptsächlich rare, verkratzte Singles zu Topsound verhilft und die dann auf Reissues oder Compilations der Weltöffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Es gibt zwar nicht überragend viele Mailorder in Deutschland, die sich auf das gleiche Special-Interest-Gebiet wie Crypt spezialisiert haben, aber im Verhältnis zur Größe der Käuferschaft doch genügend, dass sich die Käufer doch sicherlich ihren Stammmailorder aussuchen. Gibt es da ein Konkurrenzverhalten unter den Läden?

Ich kann hier nur für Crypt sprechen und dir versichern, dass es keinen Neid gibt! Im Gegenteil, es braucht meiner Meinung nach eine gute Anzahl von Mailordern und Läden, um Szenen am Leben zu halten. Zu Soundflat und Copasetic gibt es beispielsweise ein ausgesprochen freundschaftliches Verhältnis. Und Flight 13 und Green Hell halte ich zum Beispiel auch für sehr wichtig, da die nicht nur die typische Garagenszene bedienen und somit vielleicht auch eher mal bei szenefremden Kunden Interesse für zum Beispiel eine Crypt-Veröffentlichung wecken können.

Direktverkauf im Laden oder Mailorder-Bestellungen – wo setzt du mehr ab? Wie viel Laufkundschaft hast du im Laden und wie viele Kunden kommen regelmäßig?

Der Umsatzbringer ist der Mailorder, der Laden läuft nebenher – das macht Spaß und es ist schön, wenn man mal im dunklen Keller besucht wird und so an Informationen über das aktuelle Wetter kommt, ohne den Computer bemühen zu müssen, haha. Aber im Ernst: Wir sind zwar nicht Welten vom „Plattenviertel“ entfernt und um die Ecke vom Altonaer Bahnhof gelegen, aber eben auch nicht wirklich in einer Einkaufsstraße oder Szenegegend, das heißt du musst schon wirklich zu uns wollen, um uns zu finden. Und du musst klingeln, um in den Laden zu kommen, da ich den Laden, wie erwähnt, nur nebenbei mache und deshalb nicht die Tür die ganze Zeit im Auge haben kann. Keine Ahnung, ob das sehr abschreckend wirkt, aber ich denke eigentlich nicht. Es gibt viele Stammkunden, die in unterschiedlicher Frequenz kommen, es gibt aber auch viele Mailorderkunden, die den Laden checken, wenn sie mal in Hamburg sind, und auch Bands, die vor oder nach dem Gig reinschauen.

Wie sieht dein typischer Tagesablauf aus?

Der Laden nimmt die wenigste Zeit in Anspruch. Vertrieb und Mailorder sind da deutlich zeitintensiver, und nicht nur das Packen und Versenden, die Scheiben sollen ja auch angeboten werden, sprich: die Website muss gepflegt, Newsletter müssen verschickt werden, etc. Und die Buchhaltung muss man auch machen. Das nimmt alles viel Zeit in Anspruch und Zehn-Stunden-Tage sind normal, meistens ist es mehr.

Denkst du, dass Crypt irgendwie an den Standort Hamburg gebunden ist? Oder andersum: würde es anders laufen, wenn du den Laden in einer kleineren Stadt oder von mir aus auch in Berlin oder München führen würdest?

Crypt ist nicht an Hamburg gebunden, außer dass ich diese Stadt sehr mag. Den Mailorder und Vertrieb kannst du von überall aus machen, der Laden macht natürlich nur in größeren Städten Sinn, und Hamburg ist für einen solchen Laden schon ganz gut, weil die Stadt doch auch viele Besucher anzieht, die gerne mal im Crypt-Laden stöbern. Aber das träfe ja auch auf Berlin oder andere Städte zu.

Wenn man tagein, tagaus mit Musik zu tun hat und sich zudem auch mit sinkenden Verkaufszahlen, Datenbankverwaltung, Rechnungen etc. herumplagen muss, hat man da nach Feierabend immer noch Bock, ein paar Platten aufzulegen und auf Konzerte zu gehen? Oder bist du froh, auch einfach mal deine Ruhe zu haben? Kurzum: Wie viel Leidenschaft beziehungsweise Enthusiasmus für die Musik nimmt dir dein Job?

Es ist tatsächlich manchmal so, dass man keine Musik hört oder hören mag, wenn man nach einem langen Tag nach Hause kommt. Aber ich kann mich immer noch wie ein Kind über eine tolle Schallplatte freuen oder total begeistert und glückselig von einem Konzert nach Hause gehen. Ohne Leidenschaft und Enthusiasmus wäre der Job nicht zu machen, denn dafür ist er zu intensiv. Aber das ist ja auch die gute Seite: ich liebe vieles von dem, was ich tue, da fallen die nicht so tollen Seiten nicht so ins Gewicht, von daher nimmt der Job mir die Leidenschaft zum Glück nicht, sondern ich betreibe den Job mit Leidenschaft.

Hand aufs Herz: Wenn am Ende des Monats die Ladenmiete und alle Rechnungen bezahlt sind, bleibt doch heutzutage sicherlich nicht signifikant viel Geld für dich selber übrig, oder?

Ich halte mich für einen recht ausgeglichenen und zufriedenen Menschen und denke, dass hat auch mit meiner Arbeitswahl zu tun. Klar bin ich nicht auf dem Weg zum Multimillionär, aber das ist mir auch nicht wichtig. Ich bin ganz zufrieden mit dem, was ich mir leisten kann und wie ich lebe.

Hast du jemals bereut, damals den Schritt zum Plattenverkäufer gemacht zu haben? Würdest du aus heutiger Sicht den gleichen Weg noch mal gehen?

Nein, habe ich nicht, und ja, würde ich machen. Es hat sich von Anfang an gut angefühlt, und der Job, den ich mache, ist sehr vielfältig, wenn auch zeitintensiv, und ich muss mich nicht verbiegen. Mir gefällt deutlich mehr an meiner Tätigkeit, als dass ich was daran auszusetzen hätte.

Ein Job im Plattenladen wird von vielen Musik-Nerds ja romantisiert – räume doch bitte mal mit den beliebtesten Vorurteilen zum Traumberuf Plattendealer auf.

Na ja, hier ist es auf jeden Fall nicht so, dass du den ganzen Tag am Tresen sitzt und neue Platten hörst, dich mit ’nem Kaffee in der Hand mit den Kunden unterhältst und auf einmal merkst, dass der Tag schon rum ist und du dann den Laden abschließt. Wie gesagt: Da wir das Label haben, den Mailorder und unsere wie auch eine ganze Menge anderer Platten noch an Läden und Mailorder in der ganzen Welt vertreiben, hat das, was ich tue, eher wenig mit so einem Klischee zu tun. Und ich bin mir zu 100% sicher, dass nur der Laden, wie wir ihn hier haben, sprich: sehr spezialisiert und ohne Musikstile, mit denen wir gar nichts am Hut haben, wie Indie, Metal, HipHop etc., auch kaum existieren könnte. Und dann wäre es schon kein Traumberuf mehr für mich, wenn ich irgendetwas verkaufen müsste, womit ich überhaupt nichts anfangen könnte und das nicht mal grob in meine Geschmackswelt beziehungsweise in die Genres passt, die wir anbieten.

Und gibt es irgendwas, was dich so richtig anätzt?

Tja, und klar gibt es Sachen, die mich anätzen, die behalte ich aber mal lieber für mich ... Außer vielleicht die Frage nach einem Rabatt, wenn man zwei LPs kauft. Neuware zu ohnehin günstigen Preisen kaufen und dann ohne mit der Wimper zu zucken zu fragen, ob statt 23,80 Euro 20 Euro auch okay sind, da fehlt mir das Verständnis. Das muss mit Flohmarkterfahrungen zusammenhängen, aber die Leute zahlen, ohne mit der Wimper zu zucken, für ihre Sneakers oder T-Shirts, auf denen richtig fette Margen sind, viel Geld, aber bei Platten kann man scheinbar immer verhandeln, auch wenn es zwei Stück sind. Das machen zum Glück aber auch nicht viele und wir haben natürlich auch so ein großartiges Angebot, dass du eigentlich nicht mit nur zwei Platten den Laden verlässt ...

Crypt war ja noch nie sonderlich „medienpräsent“, Anzeigen begegnen einem auch nicht allzu häufig und der große Hype – sofern man die massive weltweite Popularität von Crypt in den Neunzigern so bezeichnen kann – ist ja etwas abgeklungen. Worin liegt dann euer Erfolgsrezept? Ich meine, nicht umsonst presst ihr dieser Tage die ganzen Klassiker nach ...

Tja, ich denke es liegt daran, dass Tim und somit Crypt immer für Qualität stand. Klar lässt sich über Geschmack streiten, aber der Crypt-Backkatalog ist schon verdammt gut. Dazu kommt, dass er mit dem Label und auch mit dem Mailorder so viel heißen Scheiß hier rübergebracht und populär gemacht hat – also im Rahmen der Szene –, dass viele ihm einfach dankbar waren, dass er sie zu der einen oder anderen Band oder gar zu Musikstilen gebracht hat, von denen sie vorher niemals was gehört haben. Damals gab’s kein Internet und Musik, die überall verfügbar war, da brauchte man Fanzines, vielleicht ’ne coole Fernsehsendung, aber die gab es in Deutschland eigentlich so gut wie nicht, und eben Mailorder, deren Besprechungen man glauben konnte, aber über den Katalog habe ich ja schon gesprochen ... Tim hat halt damals unglaublich viel getan, viel Kraft und Arbeit und auch Geld in etwas gesteckt, von dem er überzeugt war. Alle Crypt-Bands waren hier auf Tour. Das war der Wahnsinn, teilweise auch finanziell. Aber dadurch wurden die Bands und auch das Label bekannt. Und viele haben das nicht vergessen, dass dieser positiv Verrückte so viel getan hat für die Sub-Kultur. Es war eben nicht so, dass da ein Hype um das Label herum aufgebaut wurde, das hatte alles Substanz und war richtige harte Arbeit.

Und wieso sollte ich meine Platten beim Crypt-Mailorder kaufen und nicht bei der bereits erwähnten, etwas breiter aufgestellten „Konkurrenz“ oder gar bei Amazon? Die sind zwar nicht immer unbedingt günstiger, bieten aber eine viel breitere Produktpalette an – wenn ich also also meine zwei Garage-Platten, das eine Powerpop-Reissue, die neue ANTI-FLAG und irgendein lahmes Akustik-Album haben will, ist man bei Crypt ja relativ aufgeschmissen ...

Wenn du zwei Garage-Platten, eine Powerpoop(sic!)-Platte, die neue ANTI-FLAG und irgendein lahmes Akustik-Album kaufen willst, solltest du auf jeden Fall erst mal bei Crypt gucken. Da findest du dann nämlich viel mehr großartige Garagen-Platten, egal aus welcher Zeit, kaufst vielleicht die REAL KIDS oder NERVES, entdeckst unglaublich interessante neue Bands und versuchst vielleicht mal eine Surf-Compilation, einen Rockabilly-Klassiker, eine Wahnsinns-Soul-Scheibe oder ’ne obskure Punk Band, und bist viel besser bedient, als du vorher annehmen konntest!

Inwiefern ist dieses recht enge musikalische Spektrum, das du anbietest, vielleicht auch eine Maßnahme, sich gegen die Konkurrenz zu behaupten und den Kunden im Wust der Veröffentlichungen in einer Art Gatekeeper-Funktion auch ein Gütesiegel für die Qualität der Platten in deinem Katalog zu bieten?

Tja, das ist der Grund, warum die Arbeit Spaß macht: Man bewegt sich in einem gar nicht mal so engen Spektrum und kann mit so gut wie allem etwas anfangen. Ich muss ja gar nicht jede Platte lieben, aber die Genres stimmen zumindest und man kann sich schon auch auf neue Lieferungen freuen. Wir verkaufen, womit wir – im Großen und Ganzen – was anfangen können, das ist keine Maßnahme, um sich von der Konkurrenz abzusetzen, das ist Eigeninteresse. Aber ich denke schon, dass wir auch etwas Ahnung in den Bereichen vorweisen können, die wir anbieten. Das wird dann schon auch goutiert, wie ich hoffe.

Wieso ist der Crypt-Onlineshop so furchtbar altmodisch? Das schreckt doch jeden Digital Native ab. Eine Suchfunktion gibt’s ja lediglich über den „Strg+F“-Shortcut, haha ...

„Coz I love, and I live ... primitive“. Aber im Ernst, das wollen wir schon auch mal ändern. Ein Punkt, den wir schon länger auf dem Zettel haben, der aber aus Zeitgründen immer wieder zurückgestellt wird. Und finanziell muss die Sache natürlich auch Sinn machen. Außerdem hat der Shop auch was – ist eben ein wenig wie ein alter Katalog und auch charming.

Viele Bands bieten ihre Alben zum kostenlosen Stream an; wenn nicht, kann man sie trotzdem irgendwo runterladen oder spätestens zwei Wochen nach Release auf YouTube hören. Wie stark wirkt sich das auf dein Geschäft aus? Ist der Wert, der in der Szene noch auf originale Tonträger gelegt wird, groß genug, um den Laden am Brummen zu halten?

Schwer zu sagen. Über die Vinylverkäufe wollen wir mal nicht klagen. Aber bei CDs muss man sich schon überlegen, ob die Sinn machen. Zeiten ändern sich und man muss sich Strategien überlegen. Wir funktionieren darüber, dass wir mit dem Label und Mailorder plus Laden ganz gut aufgestellt sind, dazu kommt noch das Masteringstudio. Wir haben mit Cargo seit einiger Zeit auch wieder einen guten Vertrieb – die Pleite von EFA damals und die miesen Verkäufe, die wir da mit denen hatten, waren schon nicht so toll und mussten erst mal aufgefangen werden. Wir haben uns einen ganz guten eigenen Vertrieb mit dem Crypt-Katalog und einem ganzen Stapel anderer Sachen aufgebaut, so dass der Laden läuft. Was kommt, kann man nicht sagen, aber ich denke schon, dass wir, so wie wir aufgestellt sind, ganz gut funktionieren.

Wie ist es deiner Meinung nach um die Zukunft von Crypt bestellt?

Ein Blick in die Zukunft ist schwer. Wichtig ist, dass man mit der Zeit geht, so habe ich jetzt zum Beispiel auch eines dieser neuen Dinger, Handys oder wie die heißen, und kann damit mein Online-Banking machen. Und unsere Website hast du ja auch schon entsprechend gewürdigt!

Es werden ja auch sicherlich einige, vor allem jüngere, Ox-Leser mit Crypt Records bis dato nicht sonderlich viel anfangen können. Welche fünf Crypt-Veröffentlichungen würdest du denen besonders Herz legen? Und gibt es auch irgendeine Crypt-Platte, mit der du gar nichts anfangen kannst?

Das ist eine ähnlich unzulässige Frage wie das beknackte „Welche fünf Platten würdest du auf eine einsame Insel mitnehmen?“. Das Problem ist nicht, dass man nach spätestens vier Wochen die fünf Platten einfach nicht mehr hören kann, und sie als Ziele für Wurfspiele benutzt, als Frisbee oder zum Fische fangen, sondern dass die Qualität des Crypt-Kataloges einfach so hoch ist, dass einzelne Platten herauszupicken nicht legitim ist. Mit der „Back From The Grave Serie“ wurde das Label gegründet, also müsste man die Serie herausstellen, auch wegen der Bedeutung, die sie in dem Sixties-Garage-Genre hat. Aber auch, weil die Serie für etwas steht, was nahezu dem gesamten Katalog nachzusagen ist: All killer, no filler! No mediocre shit! Aber vielleicht ist der jüngere Ox-Leser eher im Punkrock-Bereich unterwegs, mit leichtem Interesse für Garage. Dann würde ich ihm das Debüt der NEW BOMB TURKS, „Destroy Oh Boy“, ans Herz legen, die OBLIVIANS mit „Popular Favorites“, von den GORIES „Houserocking“ oder „I Know You Fine, But How You Doin’“ für den Garagensound. Die PAGANS, „Shit Street“, die DIRTYS, „You Should Be Sinnin’“, weil dies ein so unglaubliches wildes Punkrock-Brett ist, und im Vergleich zu den anderen genannten nicht so bekannt. Und dann hätte ich schon fünf Bands ausgesucht. Die DEVIL DOGS aber noch nicht gelistet, und auch die JON SPENCER BLUES EXPLOSION nicht. Ganz zu schweigen von den Compilation-Serien, die wunderbar geeignet sind, den geneigten Punkrock-Hörer einzuführen in die Welt des R&B/Blues, Surf, Rock’n’Roll und Sixties-Garage etc. Es gibt in der Tat ein oder zwei Platten, mit denen ich nicht so viel anfangen kann. Die sind dann aber auch nicht scheiße, sondern nicht ganz mein Geschmack, machen aber trotzdem Sinn. Aber die könnte ich wirklich an einer Hand abzählen.