MONKEY SUITE

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Wir lassen uns das Leben nicht verbieten!

Sie können was, sie wissen, was sie tun, obendrein sind sie sympathisch. Nur leider interessiert es (fast) niemanden. Mehr zufällig stolperte ich über das kürzlich in Eigenregie veröffentlichte zweite Album „The Fate Of Rosemarie Nitribitt“, war schwer begeistert und wollte mehr über den „Pussy-Punk-Pop-Rock“ der Band aus Frankfurt am Main wissen. Angeführt von der charismatischen Sängerin Darla DeVine, sorgen die Herren Jimmy Ween (Gitarre, Gesang), Tommy Kleptomansky (Schlagzeug) und Eaglebauer (Bass, Gesang) für einen knackigen und durchdachten Sound, den es in dieser Güte hierzulande selten zu hören gibt. Weil es aber für gute Musik nie zu spät sein kann, soll Aufmerksamkeit gebühren, wer sie sich erarbeitet. Ob der Glaube an die eigene Stärke, musikalische Offenheit, gelebter Idealismus sich mit dem allgegenwärtigen „Monkey Business“ und im Besonderen mit der Finanzmetropole Frankfurt am Main vertragen, beantwortete mir die Band mit offenem Visier und objektiver Selbsteinschätzung. It’s monkey time!

Warum liegt euch das Schicksal von Miss Nitribitt so am Herzen? Die Dame war im Frankfurt der Fünfziger als Edelprostituierte tätig und wurde ermordet.

Darla:
Na ja, wir wurden öfters gefragt, warum wir als Frankfurter eigentlich auf Englisch singen. Diese Frage stellt sich mir nicht, weil ich zum Englischen einen engen Bezug habe, viele Jahre im Ausland gelebt habe. Aber es hat mich beschäftigt und ich habe beschlossen, einen Song über Frankfurt zu schreiben. Just in diesem Moment ist mir ein Buch über die Nitribitt in die Hände gefallen. Sie war mir durch meinen Vater aber schon ein Begriff. Mich hat an ihrem kurzen Leben fasziniert, dass sie eine Frau war, die in den spießigen Nachkriegsjahren einfach mit der moralischen Enge gebrochen hat. Sie ist Punk für mich: Mach dein eigenes Ding, egal, was die Gesellschaft sagt. Sie hat die Regeln gebrochen und das mit Stil. Für ihr Rebellentum hat sie teuer, mit ihrem Leben bezahlt, dem gebührt Aufmerksamkeit.

Jimmy: Die perfide bürgerliche Doppelmoral tritt bei Miss Nitribitt besonders zutage, zudem noch in unserer Stadt. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Mut, Kreativität, Anderssein, schrilles Auftreten und womöglich noch ein wacher Geist werden von der Gesellschaft nur vordergründig geduldet, jedoch im zweiten Schritt wegen mangelnder Effizienz oft geächtet. Wir sind als Musiker nicht weit von der Prostitution entfernt. Auch wir lassen auf der Bühne die Hosen runter, lassen uns dafür – wenn auch bescheiden – bezahlen. Im Zeichen von Rosemarie Nitribitt zu spielen, heißt, der Gesellschaft einen Spiegel vor die Nase zu halten und ihr gleichzeitig einen Stinkefinger für ihre Doppelmoral zu zeigen. Wir lassen uns das Leben nicht verbieten. Und all diese Wut ist Basis unserer Musik.

Nun zur Band selbst. Was hat sie, was deren Vorgänger nicht hatten?

Jimmy:
Wir sind jetzt älter, schöner, reifer – besser! Wir haben uns einen Rahmen gesteckt, der alles für gut befindet, was uns berührt, und sich auf unsere Wurzeln als Punkband bezieht. Innerhalb dieses Rahmens bedienen wir uns genreübergreifend. In dieser Beziehung sind wir Freigeister. Das bringt uns viele Freunde ein, aber auch Schmähungen der „Schubladenfront“. In früheren Bands standen wir uns bei grundsätzlichen Fragen oft selbst im Weg. Administrative und musikalische Entscheidungen gehen inzwischen schneller, somit nutzen wir unsere Zeit effektiver. Wir kommen jetzt besser auf den Punkt.

Darla: Das musikalische Potenzial der Band ist in dieser Besetzung so hoch, dass wir es uns wirklich leisten können, über den Tellerrand zu schauen. Jimmy liefert dazu Rohgerüste der Stücke, die dann, wenn sie die Auswahlkriterien der Band erfüllt haben, zu fertigen Songs geschliffen werden.

Tommy: Ich habe noch nie in einer Band gespielt, in der sich die einzelnen Akteure musikalisch so gut ergänzen. Jeder für sich bringt ja schon einen reichlichen Erfahrungsschatz mit und kann sich selbstkritisch gut einschätzen. Dadurch sind wir viel besser als früher in der Lage, die Stärken jedes Einzelnen herauszukitzeln und umzusetzen. Das halte ich für ausgesprochen wichtig. In meiner Vergangenheit hatte ich es doch einige Male mit Leuten zu tun, die sich selbst völlig überschätzt haben. Eine Weiterentwicklung war nur langsam möglich und anstrengend. Zeit und Energie verpufften ...

Nun habt ihr ein Knalleralbum gemacht, aber niemand scheint sich so richtig dafür zu interessieren. Lasst uns über Gründe spekulieren, warum halb so gute Veröffentlichungen die mindestens doppelte Aufmerksamkeit bekommen.

Jimmy:
Du hast Recht und sprichst einen wunden Punkt bei uns an. Wir müssten noch intensiver und aufwendiger die Werbetrommel rühren. Im Prinzip ein Fulltimejob für einen von uns. Doch leider sind wir da durch Job und Familie sehr limitiert, und müssen so leider mitansehen, wie weitaus schlechtere Combos an uns vorbeiziehen. Wir sind aber intensiv auf Labelsuche, um diese Lücke zu schließen.

Tommy: Fakt ist, dass jeder von uns noch andere Verpflichtungen hat. Es gelingt uns zwar, ambitioniert Musik zu machen, aber darüber hinaus fehlt uns Zeit, um uns als Band auf dem verdienten Niveau zu managen. Da ist noch deutlich Luft nach oben. Wir bräuchten auf jeden Fall professionelle Unterstützung für alles, was dazu gehört.

Mal angenommen die Band bekommt plötzlich richtig Wind in die Segel. Wie viel D.I.Y. und Idealismus muss trotz allem bestehen?

Jimmy:
Ich bin in meinem Brotberuf Werbegrafiker und bin das Verkaufen von Illusionen, auch bei Kunden, die man nicht mag, tagtäglich gewohnt. Ich weiß, dass Kompromisse in der Realität dazugehören. Nur als Engel kommen wir nicht auf die Bühnen, auf denen wir gerne spielen wollen. Profis im Hintergrund, die wissen, wie man sich verkauft, sind meiner Meinung nach unabdingbar, vorausgesetzt, die Musik bleibt das, was sie ist, wird so nur besser vermarktet. Ich denke, wir sind zu dieser Frage in der Band sehr gut aufgestellt. Wir haben alle schon unser Lehrgeld in dem „Monkey-Business“ bezahlt.

Tommy: Es fragt sich natürlich, wo man die Grenze zur musikalischen Prostitution zieht. Es gab schon pfiffige Bands, die sich mit D.I.Y. unabhängig auf sehr respektables Niveau hochgeschafft haben. Davor kann ich nur den Hut ziehen. Ich stelle immer mehr als früher fest, dass interessante Auftrittsmöglichkeiten oft nur noch mit den richtigen Verbindungen zu kriegen sind. Vieles läuft über persönliche Beziehungen oder eben über Hilfe von Profis. Nicht umsonst haben wir 2010 unser erstes Mini-Album etwas überspitzt „Pay To Play“ genannt. Man sieht sich doch öfters festgefahrenen Strukturen ausgesetzt. Bestimmte Veranstalter oder Magazine arbeiten nur noch mit bestimmten Agenturen zusammen, diese wiederum nur mit ganz ausgewählten Firmen ... nur mit Idealismus wird es nichts mehr.

Frankfurt – eine Hassliebe? Wie steht es aktuell um die kleinen und notwendigen Nischen für gute Underground-Musik am Main?

Jimmy:
Man könnte sagen, es ist wie mit der Eintracht: „Man sucht sich seinen Fußballverein nicht aus, man wird hineingeboren.“ Dementsprechend versuchen wir, das Beste aus unserer Situation zu machen. Wir sind hier in der Geburtsstadt des Techno, das erklärt einiges. Die Nischen gibt es natürlich, wir sind erfahren genug, um sie zu finden und zu nutzen, aber es sind wenige. Der „Underground“ ist in kleine Grüppchen aufgeteilt, die kaum übergreifend ihre Musik hören. Da sind wir mit unserem kosmopolitischen Ansatz fast schon Verräter. Wir versuchen, die Fahne hochzuhalten, und bleiben optimistisch.

Tommy: Die Band hat ein gesundes Verhältnis zu Frankfurt. Die Nischen sind durchaus vorhanden, wie Orange Peel, Dreikönigskeller, Bett oder Ponyhof. Man muss sie nutzen, aber natürlich auch selbst unterstützen. Es gibt leider zu wenig dieser Unentwegten, die sich auch mal Konzerte anschauen, einfach nur um sich überraschen zu lassen. Bei Eintrittspreisen von fünf bis zehn Euro sich noch zu beklagen oder die Gästelisten auszureizen, finde ich einfach armselig. Wie gesagt, Nischen sind vorhanden, jedoch fehlt leider oft das Publikum ...

Gibt es bei euch überhaupt bezahlbare Proberäume?

Jimmy:
Es gibt bezahlbare Proberäume, und wenn man wirklich einen sucht, dann findet man ihn auch. Ich denke, da ist es nicht anders als in vielen Städten der Republik. Generell ist „Musikmachen“ ein eher teurer Spaß, den man sich leisten können muss.

Tommy: Ich empfinde die Situation hier als ganz okay. Es ist bis an verantwortliche Stellen durchgedrungen, dass Proberäume entscheidend wichtig sind für eine funktionierende Musikszene. Die Punk- und Rock’n’Roll-Szene im Speziellen war hier früher deutlich lebendiger und vielfältiger. Nachfolgende Generationen sind doch ganz stark von elektronischer Musik beeinflusst. Dementsprechend entstehen weniger wirklich interessante Bands, zu den einschlägigen Konzerten kommen weniger Leute. Als Folge davon wiederum werden diese Veranstaltungen auch seltener. Viele tourende Bands machen um Frankfurt einen Bogen. Ein „schönes“ Beispiel dafür sind die australischen COSMIC PSYCHOS, die Anfang 2012 in Berlin, Hamburg und Köln spielten. Früher waren die auch immer hier. Heute muss ein Veranstalter befürchten, diese großartige Band hier vor 40 bis 50 Zahlenden spielen zu lassen.

Und die verbliebenen Idealisten bleiben unter sich. Ihr habt aber noch Hoffnung, dass die Band durch die Decke geht, oder?

Jimmy:
Ich habe bei uns von Anfang an so ein Kribbeln im Bauch, und in vielen Momenten diesen wohltuenden Kälteschauer über den Rücken. Ein untrügliches Zeichen bei mir, dass da was richtig gut ist. Von daher müssen wir nur schauen, dass die Band in der Spur bleibt, und früher oder später geht die Geschichte durch die Decke. Denn was einen selbst anmacht, überträgt sich auch auf andere – ist so!

Tommy: Hoffnung gibt mir, dass ich immer wieder auch viel jüngere Leute kennen lerne, die nicht nur rein elektronisch verseucht sind, sondern tatsächlich Punk, Rock’n’Roll, Mod, Ska und Post-Punk für sich entdecken, die noch neugierig sind.