Clifford Dinsmore

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It’s in my blood: BL’AST, DUSTED ANGEL and more

Es fällt mir zunehmend schwerer, Interviews zu führen, in denen es nur um Musik geht. Stattdessen interessiert es mich immer mehr zu ergründen, wer ein Musiker eigentlich ist, als Produkt einer bestimmten Zeit und bestimmter Orte. Die musikalische Laufbahn von Clifford Dinsmore, der aus Santa Cruz, California stammt, umspannt viele musikalische Epochen, und er ist einer der Sänger und Texter, die für mich stellvertretend für das stehen, was mir am Musikmachen wichtig ist: sich weiterzuentwickeln und immer neue Ziele anzustreben, und dabei immer seinen Obsessionen und Träumen zu folgen. Ob nun in BL’AST, die einst auf dem legendären SST-Label veröffentlichten, SPACEBOY, GARGANTULA oder aktuell mit DUSTED ANGEL, Cliff war immer schon ein Abenteurer und Seher. Seine musikalische Herangehensweise innerhalb des von Ups und Downs geprägten Rockmusikgeschäfts ist ein ständiger Kampf mit der Realität oder zurück in diese. Er erkundet neue Wege in einer feindlichen und surrealen Umgebung.

Cliff, was unterscheidet eure Musik von anderen Bands in eurem Genre?


Unser Alter, und die Tatsache, dass sie auf Gefühlen basiert und nicht auf einem Image. Die meisten jüngeren Bands in dem Genre sind eher damit beschäftigt, die komplette stilistische Komponente abzudecken und arbeiten innerhalb des Siebziger-Korridors mit einer Rückkehr zum Retro, und das ist auch erst mal cool, aber eventuell wirkt das irgendwann ein bisschen einschläfernd. Wir sind letztlich dort, wo wir auf Grund unserer musikalischen Vergangenheit hingehören, mitsamt der Erkenntnisse, die wir daraus gewonnen haben. Wir hatten alle unsere harten Zeiten in übermäßig technischen Bands und wir lieben aufwändige Riffs, wir haben aber einfach eine lockerere Einstellung und konzentrieren uns mehr auf das Schreiben von Liedern, die wir an diesem Punkt in unserem Leben einfach gerne hören würden.

Wie würdest du deine Band beschreiben?

Riff auf Riff auf Riff auf Riff aus absolutem Spaß und Gelöstheit. Ein unspezifischer musikalischer Bastard aus all der Musik, die wir jemals geliebt und gespielt haben.

Zumindest auf mich wirkten eure Texte immer sehr autobiografisch. Wie siehst du das? An wen sind sie gerichtet?

Vielleicht in einem geringen Maß ... ich sehe es eher als kräftige Dosis Surrealismus, gepaart mit viel Sozialkritik, und das gibt mir viel. Ich weiß zwar nicht genau was, aber es fühlt sich gut an! An wen sind die Texte gerichtet? Wer zur Hölle sie auch immer sein mögen: die Schweine, Unterdrücker und Maden.

Wie würdest du Vernunft und Verrücktheit definieren?

Ich würde niemals versuchen, so etwas zu definieren. Es ist so ein schmaler Grat – ein Grat, der mit der Zeit mehr und mehr verschwindet. Ich glaube, der letzte wirklich vernünftige Mensch starb schon vor einer Ewigkeit.

Über die Jahre hinweg ist deine Musik stets laut geblieben. Was fasziniert dich an Lautstärke?

Die Reinheit. Ich liebe alle Arten von Musik, aber ich würde nichts spielen wollen, das nicht wirklich verflucht heavy ist.

Gibt es eine grundsätzliche Aussage hinter DUSTED ANGEL?

Nein, das ist eher ein ungenaues Gefühl ... ein gutes Gefühl ... ein grundsätzlicher Zustand der Güte ... ein unglückseliges Feld von Wärme und Güte. Lebe dein Leben einfach in vollen Zügen und tue, was du verdammt noch mal tun willst, aber nur solange du nicht den Weg eines anderen missachtest. Der Schatten der Vorschriften ist nichts anderes als ein systematisches Phantom.

Wie sehr benutzt du deine Stimme als ein Instrument? Oder ist das einfach nur ein anderes Geräusch? Ein anderer Lärm?

Mittlerweile benutze ich sie ein bisschen mehr als früher. Aber ich hatte nie wirklich diese stimmliche Bandbreite, oder habe auch nur darüber nachgedacht. Meine Verbindung zur Musik war immer schon mehr ein Ausdruck der Gefühle, die ich in der jeweiligen Zeit hegte.

Welche weiblichen Musiker bewunderst du am meisten?

Oh, da gibt es so viele ... L7, 7 YEAR BITCH, Liz von SOURVEIN/ELECTRIC WIZARD, Laurie Sue und Christy von LUDICRA, Christine Davis von CHRISTIAN MISTRESS oder Hope Sandoval von MAZZY STAR.

Was ist die Bedeutung von eurem Bandnamen DUSTED ANGEL?

Ich glaube, er hat was mit schlechten Erfahrungen zu tun, die ich auf der Junior High und der Highschool im Zusammenhang mit Gras machte, das mit PCP versetzt war, auch bekannt als Angel Dust.

Was sind die besten Bedingungen, um euer Album „Earth Sick Mind“ zu hören?

Kurz nach Sonnenuntergang, wenn der der Vollmond scheint, einen Joint im Mund, ein kaltes Bier in der Hand und ein wunderschönes Mädchen an deiner Seite.

Okay, du hast offenbar deine eigene Definition von Erfolg ... Oder machst du einfach aus einem inneren Zwang heraus immer weiter Musik?

Das mit dem „zwanghaften Musikmachen“ wäre wohl ein gutes Alibi. Musik ist wie eine böse Droge, die dich viel Zeit und Geld kosten kann. Sie kann dich mit der Täuschung einwickeln, dass du finanziellen Erfolg haben könntest, oder du akzeptierst einfach die Tatsache, dass du von dem Gefühl abhängig bist, das du bekommst, wenn du Musik machst, und folgst dann einfach diesem Flow.

Welche Gefühle möchtest du bei deinen Shows im Publikum erzeugen?

Nichts anderes als komplette verdammte Glückseligkeit, nichts Großes also.

Diese kräftige Dosis Surrealismus, die du vorhin erwähnt hast – wie wichtig ist sie für dich, um andere Leute zu erreichen? Hast du keine Lust, die wahre Welt darzustellen?

Welche wahre Welt? Das ist jetzt die virtuelle Welt. Das Einzige, was real ist, ist die Massenhalluzination, an die wir an alle zu einem bestimmten Zeitpunkt glauben.

Wie wichtig ist es für ein Massenpublikum, die Musik von DUSTED ANGEL zu hören? Warum sollen sie unbedingt gehört werden?

Das ist verdammt wichtig. Weil es ein großer Spaß ist.

Santa Cruz scheint bei allem, was du tust, zentral zu sein. Ist Santa Cruz für dich der beste Ort, um zu arbeiten?

Ich denke, unsere Musik entsteht aus der Schönheit dessen, was uns umgibt. Es mag hier zwar kein musikalisches Epizentrum sein, durchsetzt mit Leuten, die berühmt werden wollen und so talentiert sind wie in L.A. oder anderen Riesenstädten, aber es ist auch kein durchschnittlicher Ort und wir sind auch keine Durchschnittsband.

Glaubst du, dass Musik wirklich etwas verändern kann?

Sie kann und sie tut es. Musik wurde schon immer genutzt, um alles Mögliche auszudrücken, von dummen Modetrends bis zu aktuellen politischen Fragen. Gelegentlich kann Musik eine wirkliche Veränderung im Untergrund bewirken, aber dieser positive Trend wird spätestens, wenn er ans Tageslicht und die breite Öffentlichkeit gezerrt wird, völlig verdreht und diskreditiert.

Kommen wir zu BL’AST!: Mit dieser Band, die von 1984 bis 1990 existiert, fabriziertet ihr eine massive „wall of sound“, wart brachialer als irgendeine andere Hardcore-Band zu jener Zeit. Was waren die Gründe für euch, eine solche Atmosphäre zu erschaffen?

Die meisten normalen Punkbands jener Tage haben es für uns einfach nicht gebracht. Unser Drummer war absoluter Fan von BLACK SABBATH. IRON MAIDEN, BONHAM, C.O.C., SS DECONTROLund BAD BRAINS hatten alle verrückte Schlagzeuger. Wir wollten einfach noch weiter gehen, indem wir etwas erschufen, das außergewöhnlich war und so hart wie möglich. Dazu fällt mir eine witzige Geschichte ein: Als ich diese Woche mit DUSTED ANGEL in San Francisco war, zeigte mir Steve Borek, unser Originalgitarrist bei M.A.D. und BL’AST!, ein paar Sachen, die er geschrieben hatte und die klangen, als wären sie direkt vom „Power Of Expression“-Album. Ein mächtiger, donnernder Aufbau, verrückte abrupte Stopps. Dann sagte mir Mike Neider, dass sie zusammen jammen, nachdem sie sich jetzt mehrere Jahre nicht gesehen hatten. Sie spielten uns auch etwas vor und jeder, der da war, war der Meinung, dass man daraus etwas machen muss. Die Möglichkeit besteht, vielleicht unter anderem Namen, dass wir bald wieder zusammen spielen. Vielleicht kommt ja sogar eine 7“ dabei heraus. Die Songs, die ich gehört habe, verkörpern genau das, wofür meiner Meinung nach immer BL’AST! standen: riesige Spannungserzeugung, durchgeknallte Aufbauten, große vernichtende Riffs, super übersteuerter Sound ... einfach ein großartiger Gitarrensound. Wenn ich jetzt auf BL’AST! zurückblicke, denke ich, dass wir einfach versucht haben, die größtmögliche chaotische Stimmung zu erzeugen.

Diese Heavyness, von der du sprichst: denkst du, dass sie heavy genug war, um irgendetwas zu beeinflussen?

Musikalisch gesehen hatte sie sicherlich einen Einfluss auf den Hard- und Metalcore. Bands wie DILLINGER ESCAPE PLAN, CONVERGE, BOTCH, viele dieser handwerklich guten und fortschrittlichen Bands haben das aufgegriffen, was wir gemacht haben, und es ein bisschen weitergesponnen. SPACEBOY waren zu ihrer Zeit ein gutes Beispiel dafür, wo Hardcore sich hinbewegte – eher in eine metallastige Richtung.

Wie siehst du deine Rolle als Musiker und Künstler, wenn du Musik machst?

Ich spiele kein Instrument, also habe ich mich niemals als Musiker gesehen. Musik war und ist für mich einfach ein gutes Medium zum Schreiben. Ich habe keine künstlerischen Fähigkeiten außer dem Schreiben. Also muss alles, was ich künstlerisch angehe, irgendwie aus dem poetischen Bereich kommen. Wenn ich etwas malen will, dann muss ich das mit Worten tun. Ich hielt BL’AST! für das perfekte Medium dafür. Es hat auf ganz natürliche Weise diese monsterähnlichen Texte kreiert, die einfach aus mir herauskamen.

Denkst du, dass deine Musik in 30 Jahren noch relevant sein wird?

Oh ja! Ich habe das Gefühl, dass BL’AST! über die Jahre hinweg immer größer und größer und größer wurden. Irgendwie haben die Leute in den letzten Jahren angefangen, die Band wahrzunehmen – und das trotz der ganzen Scheiße, die Rollins über uns erzählte, von wegen dass wir einfach ein BLACK FLAG-Klon wären und so was. Doch in letzter Zeit wurde immer klarer, dass wir in Wahrheit auf unserem eigenen Trip waren, dass wir zwar von BLACK FLAG sehr inspiriert wurden und davon, was sie taten – wie auch SS DECONTROL –, aber wir haben uns davon ausgehend in eine ganz eigene Richtung entwickelt. Eine, die noch ganz unberührt war. Wenn du mit anderen Punk- oder Metal-Bands sprichst, wenn du mit Phil von PANTERA sprichst, mit Leuten von BLACK MOUNTAIN und anderen, die geben BL’AST als Einfluss an. Wir wussten schon, was wir da taten und sind ziemlich zufrieden damit. Ich fühle mich ganz gut dabei, wenn ich weiß, welchen Einfluss wir auf das hatten, was nach uns kam.

Und was ist mit einer Reunion?

Das wäre es sicher spaßig, aber einfach schon die Tatsache, alle wieder zusammenzutrommeln, ich weiß nicht ... Mike Neider wird es nicht wollen – seiner Meinung nach sind BL’AST und MINOR THREAT die einzigen Bands aus der Zeit, die noch keine „Komm, wir machen es für die Kohle“-Reunion-Tour gespielt haben. Andererseits denke ich, dass es bestimmt Spaß machen würde, die alten Songs zu spielen. Aber ich weiß auch, dass der Versuch einer Reunion eine der dümmsten Ideen von BLACK FLAG war. Greg wollte nicht, dass Chuck spielt, und so haben es sie mit gesampleten Bassspuren probiert. Und dann war da noch dieser neue Sänger, der versucht hat, die alten Songs zu singen. Vielleicht war das es zumindest für Leute, die die Band vorher noch nie gesehen haben, interessant. Steve Borek war aber auf einem Konzert in L.A. und er fand sie einfach lahm. Warum sollte man also sowas machen?