DEMOKHRATIA

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Algerian Hardcore

2009 veröffentlichten DEMOKHRATIA mit Hilfe zweier französischer Labels die erste Punk-Single Algeriens: 13 fantastische HC/Crust-Brecher mit aggressivem Wechselgesang auf Arabisch. Das ermöglichte ihnen bereits zwei Europatouren. Im Sommer 2012 erschien ihr Splitalbum mit der israelischen HC-Band MONDO GECKO.

Wenn eine arabische Punkband und eine Band aus Israel eine gemeinsame Platte veröffentlichen, das ist an sich schon eine Art Statement.

El Djifaa:
Richtig, das war kein Zufall. Es war eine Möglichkeit, zu zeigen, wie schwachsinnig die ganze Indoktrination ist, mit der wir leben müssen, nur weil das hier ein islamisches Land ist. Wozu auch gehört, dass wir alle Israelis zu hassen haben, ihnen den Tod wünschen sollen. Der Titel der Split-LP lautet „No Religions, No States“, denn gäbe es weder Religionen noch Staaten, hätten die Menschen gar nicht erst diese ganzen Probleme miteinander.

Habt ihr noch Hoffnung auf Frieden im mittleren Osten?

El Djifaa:
Für uns ist das keine Frage der Hoffnung. Wir haben einfach das Gefühl, dass endlich etwas getan werden muss.

[/b]Welche Rolle spielt Religion in diesem Konflikt und generell für euch und die Menschen um euch herum?

El Djifaa:[/b] Wenn es um den Nahostkonflikt geht, dann ist es offensichtlich, dass Religion eine große Rolle spielt. In Bezug auf unseren Alltag ist es so, dass wir täglich unter den Einflüssen von Religion zu leiden haben. Wenn man in einem muslimischen Land lebt, dann gehen eben viele Gesetze auf den Islam zurück, auch wenn sie nicht so hart angewendet werden. Im Grunde genommen kannst du aber dafür ins Gefängnis gehen, dass du außerehelichen Sex hast, dass du während des Ramadan isst oder einfach weil du Tattoos hast.

Wie kam es zum Kontakt mit MONDO GECKO?

El Djifaa:
Der Schlagzeuger der israelischen Band NOT ON TOUR, der mit MONDO GECKO befreundet ist, hat uns bei MySpace angeschrieben und wollte eine Europatour mit uns organisieren. Das hat für uns leider nicht geklappt, aber wir haben immerhin in Le Thillot in Frankreich zusammen gespielt, veranstaltet von Crustatombe Records. MONDO GECKO haben dann vorgeschlagen, bei denen eine Split-Platte mit uns zu veröffentlichen und so kam’s. MONDO GECKO haben wir bislang leider noch nicht getroffen.

Denkt ihr, dass diese Kooperation Leuten in Israel oder Algerien übel aufstößt?

El Djifaa:
Ich weiß nicht, wie das in Israel ist, aber in Algerien auf jeden Fall.

El Beghli: Unsere Regierung fährt einen stark antijüdischen Kurs, im religiösen Sinne. Wir haben keinerlei Beziehungen mit Israel, somit wird jede Kooperation mit Israelis, ob sie jüdisch sind oder nicht, als Staatsverrat betrachtet. Aber im Endeffekt ist das alles nur Panikmache, die Leute sollen weiter in Angst leben.

Hat Algerien auch etwas vom Arabischen Frühling abbekommen?

El Djifaa:
Es gab zur gleichen Zeit Krawalle in Algerien, aber man kann nicht wirklich sagen, dass das damit zu tun hatte.

El Beghli: In Algerien haben die Aufstände lange vorher gefangen, Oktober 1988, und seitdem haben die Leute nie aufgehört zu demonstrieren. Doch wie immer sind es entweder die Islamisten die daraus Kapital schlagen, wie Aasgeier, oder eben die Regierung, die die Bevölkerung mit Gewalt unterdrückt. Viele Algerier denken, dass die „Revolutionen“ von Tunesien und Ägypten nichts anderes sind, als es der 5. Oktober 1988 für Algerien war – der Tag, an dem gewalttätige Ausschreitungen und die darauf folgende Reaktion der Regierung den Grundstein legten für viele Jahre Bürgerkrieg –, und dass den Menschen dort das Schlimmste noch bevorsteht. Deshalb sind die Leute verängstigt, sie befürchten, ein weiteres Jahrzehnt des Terrors durchleben zu müssen. Die Situation hier ist viel komplizierter.

Warum kombiniert eurer Bandname Demokratie und „khra“, also Scheiße?

El Djifaa:
Weil wir denken, dass Demokratie große Scheiße ist, besonders diese Art von Pseudo-Demokratie, wie wir sie hier haben.

Existiert eine Punk-Szene in Algerien? Ist „Punk sein“ ein Problem?

El Djifaa:
Nein beziehunsgweise ja. Wenn man bedenkt, dass es keine Szene gibt, können wir keine Konzerte organisieren, wir dürfen unsere Meinung nicht frei äußern und müssen uns verstecken, um uns selbst zu schützen.

Wie seid ihr zu Punk/Hardcore gekommen?

El Djifaa:
Wir haben früher viel Metal gehört und Grindcore. Irgendwann habe ich MIGRA VIOLENTA aus Buenos Aires, Argentinien entdeckt und mich auch für ihre Texte interessiert. Von da aus habe ich mehr über D.I.Y. und Punk und das ganze Drumherum erfahren.

Habt ihr auf eurer Europatour Besonderes erlebt oder gab es Überraschungen?

El Djifaa:
Alles war neu und ganz unerwartet für uns. Die Menschen, die Organisation, einfach alles. Es konnte ja auch keiner wissen, wie es werden würde. Wir hatten uns nie vorstellen können, auf Europatour zu gehen.

El Beghli: Wenn ich eine Show auswählen müsste, dann wäre das die auf unserer ersten Tour 2010 in Leipzig. Vorher hatte die Polizei uns noch vier Stunden lang festgehalten, weil unser Van nach deutschen Standards wohl nicht ganz einwandfrei war. Wir waren da auf dem Zoro Festival zum zwanzigsten Geburtstag des Veranstaltungsortes, es gab zwanzig Bands und zwanzig DJs, das war einfach unglaublich. Wir hatten so was vorher noch nie erlebt, wie das alles organisiert war, die ganzen Leute, die sich dieser Bewegung widmen. Wir spielten dann zusammen mit FERTIL MISERIA, der kolumbianischen Hardcore-Legende, und den Anarchopunks ACTIVE MINDS aus England und noch vielen anderen so großartigen Bands. Ich werde diesen Tag nie vergessen.