JOHNNIE ROOK

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Pankow’n’Roll von Kiezromantikern

Warum Friedrichshain oder Mitte, wenn es doch Pankow gibt? Und weil Pankow und Punk ein unschlagbares Team sind, ist die 2003 gegründete Band JOHNNIE ROOK mit beiden untrennbar verbunden. Da die fünf Kiezromantiker – Sängerin Franziska, Micha (Gitarre), Jan (Bass), Roman (Gitarre) sowie René (Schlagzeug) – nicht auf Punk alleine reduziert werden wollen, sondern ein etwas weitläufigeres Musikverständnis haben, firmieren sie mit ihrem energiegeladenen, von Metalriffs durchsetzten Sound als „Freidenker-Rock’n’Roll aus Berlin-Pankow“. Ob dieses Etikett zur Steigerung der Wahrnehmung oder aus tiefer innerer Überzeugung geboren wurde, weiß nur der „Gott des Rock’n’Roll“. Fakt ist, die Band sitzt mit Köpfchen, Können und genügend Selbstbewusstsein ziemlich genau zwischen Punk, Rock und Roll. Das dritte Album „Stimmungsgerät“ ist eben erschienen. Höchste Zeit also, sich intensiver mit der Berlin-Pankower Band zu beschäftigen. Micha war so nett, uns hinter die Kulissen blicken zu lassen.

Micha, wie vertragen sich „Freidenker-Rock’n’Roll“ und der offensichtliche Konservatismus in der Punk-Welt, ich denke da an die Engstirnigkeit, die vielen „nicht-szenekonformen“ Individuen oder Bands entgegenweht?


Wir haben damals ganz bewusst das Etikett „Freidenker Rock’n’Roll“ gewählt, weil wir uns in der Punk-Szene eingeengt fühlten. Obwohl fast alle von uns mit Punk groß geworden sind und teilweise schon über zwanzig Jahre dabei sind, haben wir irgendwann keinen Bock mehr gehabt, uns als Punkrock-Band zu bezeichnen, weil in der Szene einiges im Argen liegt. Zu viele Dogmen, die man sich im Laufe der Jahre selbst auferlegt hat. Wir wollten uns ein bisschen davon befreien, deshalb bezeichnen wir unsere Musik seit 2008 eben so. Im Endeffekt machen wir aber tatsächlich doch nur melodiösen Punkrock mit Frauengesang.

In eine Schublade mit BAMBIX und Co. gesteckt zu werden, ist unter dem Strich doch auch nicht schlecht. Könnt ihr von der Beliebtheit der Holländer profitieren? Ich denke da an die gemeinsame Tour beziehungsweise die letzten Tonträger.

Es freut uns, wenn wir mit BAMBIX in einen Topf geworfen werden, waren sie doch der Hauptgrund, warum ich damals die Band gegründet habe. Ich habe BAMBIX 2000 das erste Mal live gesehen, und war gleich so hin und weg, dass ich unbedingt etwas Ähnliches machen wollte. 2003 waren wir, nach einigem Hin und Her und ein paar Besetzungswechseln, dann endlich als JOHNNIE ROOK am Start. Wir sind jetzt schon einige Jahre mit den BAMBIX sehr gut befreundet, waren mit ihnen oft auf Tour und haben sogar eine Split-EP zusammen gemacht. Sicher profitieren wir von der Beliebtheit der Band. Vor Kurzem hat mich jemand angeschrieben, der uns durch die EP kennen gelernt hat, obwohl er sie sich zunächst nur wegen der BAMBIX gekauft hat. Er fand unsere Musik aber auch so gut, dass er sich daraufhin erst mal alle unsere Alben zugelegt hat. Solche und ähnliche Erlebnisse hatten wir öfter und das freut uns natürlich sehr.

Wie kommt man als „Punkrock-Band“ in den „Genuss“, von der Bundesregierung beziehungsweise der Initiative Musik gefördert zu werden?

Ganz einfach. Wir wollten eine neue Platte herausbringen, hatten aber kaum Geld. Im Gegenteil, wir hatten sogar noch Schulden durch alte Produktionen. Punkrock halt, nie Kohle in der Tasche, haha. Auf jeden Fall habe ich dann zufällig von dieser Initiative gehört. Daraufhin haben wir uns auf deren Internet-Seite informiert und sind erst mal wieder zurückgeschreckt, weil das Ganze – typisch deutsch – extrem bürokratisch klang. Ein halbes Jahr später hat mir aber ein Kumpel, der davon Ahnung hat, geholfen, und wir haben zusammen den Antrag und den ganzen anderen Schnickschnack ausgefüllt. Unsere Förderung wurde dann zum Glück auch bewilligt. Man muss auf jeden Fall einige Sachen bei dem Ding beachten, aber im Endeffekt kann man sich dann mit einer nicht zu verachtenden Geldsumme fördern lassen, wenn man es richtig angeht. Ich hab auch kein Problem damit, mich in dieser Hinsicht vom Staat fördern zu lassen, zahlen wir doch alle seit Jahren Steuern – so holen wir uns so wenigstens einen Teil davon zurück.

Zu „Stimmungsgerät“, dem neuen Album: Warum so aggressiv, warum kein Kuschelkurs – und warum „Kein Lied“?

Findest du das Album so aggressiv? Ich denke, es ist auf jeden Fall etwas härter und geradliniger, aber so richtig aggressiv finde ich das Album nicht. Ich hatte beim Komponieren Bock darauf, schnelle, schnörkellose Songs ohne viel Tamtam zu schreiben. Melodiös mussten sie aber sein, denn das ist das, was wir mögen und was uns ausmacht. Auch Franziska wollte in ihren Texten diesmal einige Sachen ganz klar, ohne Umwege, ohne Schnörkel und ohne Beschönigungen sagen. Somit ist der Gesang härter als bei den Vorgänger-Alben ausgefallen. „Kein Lied“ ist aus einer Laune heraus entstanden. Wir haben seit unserem zweiten Album immer so ein paar Comic-Zeichnungen im Booklet untergebracht. Diese hat unser Bassist Jan gezeichnet. Bei unserem neuen Album wollten wir nun ganz viele Seiten, also einen richtigen Comic machen. Im Endeffekt lag es dann aber an der Zeit, es hätte ewig gedauert, also haben wir uns dazu entschlossen, ein knapp vierzehnminütiges Hörspiel zu machen und es „kein Lied“ zu nennen. Ein paar Comics haben es aber trotzdem ins Booklet geschafft.

Pankow scheint euch ja am Herzen zu liegen. Was rechtfertigt eure Kiezfixiertheit? Stell dir vor, du musst – warum auch immer – da irgendwann wegziehen ...

Ach, das Ganze ist mit einem Augenzwinkern zu betrachten, also jedenfalls für mich. Ich bin ja nicht einmal gebürtiger Berliner. Roman und René sind auch „nur“ Wahlberliner und wohnen gar nicht in Pankow. Franziska und Jan sind somit die einzigen gebürtigen Berliner, und beide sind sogar in Pankow geboren und groß geworden. Die beiden nehmen diese ganze Pankow-Geschichte sicher eine Spur ernster als der Rest der Band, aber im Endeffekt ist das Ganze wirklich nur Spaß, ein wenig Lokalpatriotismus eben. Deswegen hätte ich auch kein Problem damit, irgendwann mal aus Pankow wegzuziehen.

Was sind eure Erwartungen an „Stimmungsgerät“ und das neue Punkrock-Jahr?

Wir hoffen natürlich, dass die Scheibe bei den Leuten ankommt und würden uns über einen steigenden Bekanntheitsgrad sehr freuen. Außerdem werden wir eine ausgiebige „Stimmungsgerät-Tour“ machen. Und nicht zu vergessen: Wir feiern 2013 unser zehnjähriges Bandbestehen und machen dazu am 10. Mai eine Riesensause mit befreundeten Bands wie ZAUNPFAHL, SKIN OF TEARS, NORDWAND und mehr.