GOLDEN ANTENNA RECORDS

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Sender an Empfänger

Das Label aus 38835 Hessen im nordwestlichsten Zipfel von Sachsen-Anhalt ist in gewisser Weise typisch für all die „Einzelkämpfer-Labels“, die für mich das Rückgrat dessen darstellen, was man als „Szene“ bezeichnet. Da hängt sich dann eine Person in jeder freien Minute rein, um Platten von geschätzten Bands zu veröffentlichen – und der einzig relevante Maßstab ist der eigene Geschmack. Im Falle von Timo Siems reicht das Spektrum von PLANKS bis MASERATI, von ASCETIC: bis HEIRS.

Timo, du hast einen „richtigen“ Job im sozialen Bereich, musst oder kannst also nicht von deinem Label leben. Inwiefern erleichtert so was die Labelarbeit, wenn man das als „Nullsummenspiel“ und Hobby rein zum Spaß betreiben kann? Inwiefern ist es ungünstig, wenn man vielleicht auch mal bei einer Band, einem Release einfach nicht die Zeit hat, sich noch mehr „reinzuhängen“?


Also wenn ich könnte, würde ich gerne davon leben, aber dies ist ganz und gar utopisch. Klar, mein „richtiger Job“ erleichtert die Labelarbeit an manchen Punkten natürlich immens in puncto Einkommen, aber an sich ist das Label auch ein „Job“ geworden, gerade weil ich probiere, mich immer 100% reinzuhängen bei jedem Release. Das klappt auch ganz gut, weil mein Output, verglichen mit anderen, auch nicht immens ist. Zumal ich finde, dass auf diesem Level dann auch die Qualität und der Enthusiasmus darunter leiden, weil es eben zu einem „Job“ geworden ist.

Dein Labelprogramm ist weit gefächert, zwischen PLANKS aus Mannheim und den Neuseeländern DIE! DIE! DIE! liegen nicht nur geografisch Welten. Was verbindet „deine“ Bands, welche Voraussetzungen muss eine Band erfüllen, damit sie dein Interesse so stark weckt, dass du sie veröffentlichen willst?

Es muss mir einfach gefallen. Das kann alles zwischen Elektro und Grindcore sein. Ich würde es als langweilig empfinden, immer nur Bands eines Genres zu veröffentlichen.

PLANKS sind derzeit eine – so kann man es wohl ausdrücken – sehr angesagte Band, die nach der Southern Lord-Veröffentlichung auf viel Interesse gestoßen ist. Wieso haben die sich für Golden Antenna entschieden? Und du dich für sie?

Warum sie sich für mich entschieden haben, bleibt das Geheimnis der Band. Ob die angesagt sind? Keine Ahnung! Das ist nie ein Kriterium, wenn ich mich für ein Release einer Band entscheide. Ich kenne Sänger/Gitarrist Ralph schon viele Jahre, und als sie mal zusammen mit TEPHRA in Braunschweig gespielt haben, habe ich ihm gesagt, dass ich Interesse an ihrer nächsten Platte hätte. Dann kam irgendwann die Southern Lord-Veröffentlichung und ich habe mich für sie gefreut, dachte aber natürlich auch: „Scheiße, der Zug ist abgefahren!“ Aber Southern Lord wollte „Funeral Mouth“ nicht rausbringen und dann habe ich mit Ralph exakt drei Mails ausgetauscht und das Ding war eingetütet.

Du wohnst in Hessen, einem „Kaff“ zwischen Harz und Braunschweig, nicht in einer coolen Metropole wie Köln, Berlin oder Hamburg. Ist das ein Standortvorteil oder -nachteil?

Ey, nichts gegen Hessen, ja! Ich mag Metropolen sehr gerne, glaube aber, auf Dauer würden mich Städte dieser Größenordnung kaputt machen. Der Vorteil ist, dass man frei von Trends agiert und wirklich sein Ding machen kann. Da ich ja eh keine „Trendplatten“ herausbringe, ist das auch kein Nachteil. Kulturell ist es auf dem Land natürlich ein riesiger Nachteil.

Wie kamst du einst zu Punk/Hardcore, was waren und sind für dich wichtige Bands oder Platten?

Schuld ist ein Freund und späterer Mitbewohner von mir, der Anfang der Neunziger diese ganzen New-York-Hardcore-Sachen hatte. Ich habe damals Grunge gehört und dann kamen Bands wie SICK OF IT ALL, AGNOSTIC FRONT, EARTH CRISIS und ich war total geflasht. Die erste selbstgekaufte Platte war „Scratch The Surface“ von SICK OF IT ALL 1994. Danach kamen dann SNAPCASE und „Lookingglasself“ und 108 mit „Song Of Separation“ und die ganzen Revelation Records-Releases wie GORILLA BISCUITS. Die Phasen Deutschpunk, Metal und „Fun Punk“ hab ich also gleich übersprungen. Wichtige Bands sind immer die, mit denen man angefangen hat. Ich könnte heute noch die ganzen SENSE FIELD- oder SNAPCASE-Platten mitgrölen. Eine der wichtigsten Platten ist für mich aber „Inventions For The New Season“ von einer der wichtigsten Bands: MASERATI.

Worin siehst du deine Rolle als Labelbetreiber, was löst bei deiner Arbeit Glücksgefühle aus?

Glücksgefühle löst geile Musik aus, und wenn ich die dann noch anderen Menschen unter die Nase reiben kann und die auch so geflasht sind, finde ich das super. Ich kann mich noch an eine Mail aus Japan aus der Anfangszeit erinnern, wo ich jemandem, weil er so viel bestellt hat und das Porto dadurch so hoch war, noch eine Gratis-CD beigelegt habe, und er mir daraufhin etliche Male geschrieben hat, wie dankbar er ist und wie super das alles ist. Das sind für mich die kleinen Freuden des Labelbetreibers ...

Worin liegt der Reiz, im Zeitalter von Streams und Clouds noch Platten zu veröffentlichen? Mir ist nach dem Kauf eines neuen Verstärkers in Verbindung mit einem guten Plattenspieler mal wieder klar geworden, wie viel besser Musik von Platte auf einer richtigen Anlage und mit dicken Boxen im Vergleich zu mp3-Dateien vom Rechner klingt.

Derzeit warte ich auch noch auf meinen neuen Plattenspieler. Mein guter alter Technics hat nach 18 Jahren einfach seinen Geist aufgegeben. Frechheit! Die Diskussion ist ja derzeit in aller Munde: Die CD-Verkäufe gehen überall zurück – aus gutem Grund. CDs sind nicht mehr „zeitgemäß“ und die Haltbarkeit ist auch beschränkt. Vinylschallplatten gibt es seit mehr als achtzig Jahren und sie haben damit den Beweis erbracht, dass ihre Faszination allen modernen Trends standhalten kann. Für mich ist es diese Magie, die entsteht aus der Kombination von großem Artwork und dem deutlich besserem Sound.

Die „doofe“ Frage zum Schluss: Warum „goldene Antenne“? Irgendwie muss ich da an alte James Bond-Filme denken ...

Alte Bond-Filme sind nun wirklich nicht die schlechteste Assoziation! Da haben andere schon viel schlüpfrigere Ideen gehabt ... Aber „Golden Antenna“ kam dadurch zustande, dass ich eigentlich mit meinem Freund Zoli von NEWBORN und BRIDGE TO SOLACE, der in Ungarn wohnt, mal ein Label aus zwei Ländern machen wollte. Wir hatten ein Logo, quasi das jetzige Golden-Antenna-Logo, Ideen für erste Releases, aber irgendwie kam das nie zustande. Dann habe ich mich im Sommer 2006 entschieden, ein eigenes Label aufzumachen, habe das Logo fast übernommen und wollte irgendwas im Namen haben, das auf „Verbindung“ hindeutet, so wie eine Antenne. Wie das „Golden“ noch dazukam ... keine Ahnung mehr.