LOS BRACKETS

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Spanischer Pop-Punk mit Nerd-Faktor

LOS BRACKETS sind spanische Punkrocker, die es bevorzugen, einen Ohrwurm nach dem anderen rauszuhauen, anstatt faul am Strand rumzuliegen. Die zudem in der Lage sind, brillante und extrem unterhaltsame Videos zu drehen. Und sich nicht dafür zu schade sind, sich nach Zahnspangen zu benennen und mit hässlichen Nerd-Brillen zu entstellen, dafür aber gute Freunde zu Weihnachten mit eigenen Weihnachtsliedern und -videos beschenken. Und die trotz allem leider noch nicht sonderlich bekannt sind im deutschen Sprachraum. Hugo (git., voc.) und Carlos (drums) musizierten zuvor unter dem Namen NEWAKE, bis sie sich dann mit Carlos’ Bruder Pablo (git., voc.), der vorher bei OWNFIGHT und EXTENSION 333 tätig war, zusammentaten, um LOS BRACKETS zu gründen. Als sie sich vom Bassisten trennen mussten, ersetzte den das verbleibende Ex-NEWAKE-Mitglied Borja. Mit Sänger Pablo führte ich dieses angenehme Interview.

Pablo, welche Bands sind für euch wichtig und hatten Einfluss auf euch?

Na, da sind die üblichen Verdächtigen, auch wenn man das vielleicht beim ersten Kontakt mit unseren Songs nicht immer gleich heraushört: RAMONES, TEENAGE BOTTLEROCKET, DEAR LANDLORD, COPYRIGHTS, SCREECHING WEASEL, DESCENDENTS, ALL und GREEN DAY.

Ihr heißt mit Nachnamen alle Bracket. Eine große Familie, wie die RAMONES?

Das sollte man nicht überbewerten. Ich finde es ganz passend, sich wie die Band zu nennen. Bei OWNFIGHT hieß ich auch Pablo Ownfight und bei EXTENSION 333 Pablo Extension. Der Bandname LOS BRACKETS war naheliegend. Wir zählten alle in unserer Schulzeit nicht gerade zu den beliebten, attraktiven Typen und mussten alle Zahnspangen tragen. Wir waren richtige Nerds. Eine furchtbare Zeit. Warum nicht aus der Not eine Tugend machen? Also haben wir uns passend LOS BRACKETS genannt, die Zahnspangen. Ein Tribut an alte Zeiten.

Der Nerd-Faktor wird dann noch durch die entsprechenden Brillen erhöht. Auf allen Bandfotos sieht man euch mit diesen Buddy-Holly-Gestellen. Tragt ihr die ständig?

Nein, das sind natürlich keine echten Brillen. Deshalb tragen wir die eigentlich auch nur auf der Bühne. Vor unserem ersten Auftritt haben wir etwas gesucht, das uns optisch eint und das unser Markenzeichen sein könnte. Da sind wir auf die Brillen gekommen. Wenn wir live auftreten, sind die Brillen immer dabei. Das ist bei uns inzwischen ein festes Ritual, von unserer ersten Show bis heute. Wenn wir auf die Bühne kommen, hängen die vier Brillen an den Mikroständern. Dann setzen wir die Brillen gleichzeitig auf, werden dadurch zu den wahren LOS BRACKETS, rufen „One-two-three-four“ ins Mikro und legen los.

Woran liegt es, dass ihr es bisher noch nicht ins Ausland geschafft habt? Euer Pop-Punk hat doch ein extrem hohes Hit-Potenzial.

Ich denke, dass es vor allem daran liegt, dass wir auf Spanisch singen. Dadurch sind die Möglichkeiten, in Deutschland, Frankreich oder England aufzutreten, deutlich eingeschränkt. Lust dazu hätten wir auf alle Fälle. Italien müsste eigentlich noch funktionieren, Italienisch und Spanisch sind nicht so unterschiedlich. Aber auch bis nach Italien sind wir bisher nicht gekommen. Anfragen gab es hauptsächlich aus Mittel- und Südamerika, insbesondere aus Mexiko, Chile und Argentinien. Sogar aus Indonesien hatten wir schon mal eine Anfrage. Aber um ehrlich zu sein, ist das bisher unerschwinglich gewesen, nach Südamerika oder sonstwohin zu reisen. Das konnten wir uns noch nicht leisten, leider. Auf alle Fälle haben wir Lust, überall zu spielen.

Habt ihr schon mal überlegt, auf Englisch zu singen, um eure Erfolgsaussichten in West- und Nordeuropa sowie Nordamerika zu verbessern?

Solche Überlegungen gab es schon, die waren aber schnell vom Tisch. Wir sind mit LOS BRACKETS angetreten, um spanisch zu singen, und das macht uns auch richtig Spaß, LOS BRACKETS und spanische Songs, das passt gut zusammen. Und um ehrlich zu sein: Wir sind alle nicht unbedingt die Fremdsprachen-Granaten. Ich befürchte, dass es sich ziemlich stümperhaft anhört, wenn wir englische Texte schreiben und auf Englisch singen. Man hört uns sofort an, dass wir keine Muttersprachler sind.

Im Netz findet man euer Video „Días de verano“, das einen sehr professionellen Eindruck macht.

Das ist auch von Profis gedreht worden! Der erste Platz beim „Circuit Rock“-Contest war mit dem Preis verbunden, dass die Siegerband ein Video im Wert von 6.000 Euro drehen durfte. An dem Video haben wir zwei Tage gedreht und dann wurde es noch zwei Tage lang geschnitten und bearbeitet. Wobei ich glaube, dass wir das zur Verfügung stehende Budget nicht annähernd aufgebraucht haben. Vom Filmteam kamen nur zwei Leute zum Dreh. Die ganzen Darsteller sind Freunde von uns. Und die beiden Drehorte, ein Strand und ein Aqua-Park, haben auch keine Kosten verursacht.

Wie ist das Video bei Freunden und Fans angekommen?

Für das Video haben wir durchweg gute Kritiken bekommen. Wir haben sehr gute Klickraten erreicht, insbesondere natürlich aus Spanien, aber auch aus Mexiko. Ich denke schon, dass das Video sehr hilfreich dabei war, unsere Popularität in Spanien und Südamerika zu erhöhen. In Zeiten von YouTube sind Videos definitiv ein gutes Hilfsmittel, um an Bekanntheit zuzulegen. Und wenn ich auf Notify oder Bandcamp die Klickraten anschaue, dann ist es immer noch so, dass „Días de verano“ am häufigsten angehört und runtergeladen wird. Das hat mit Sicherheit auch mit dem Video zu tun.

Wie viele Tonträger habt ihr bis jetzt herausgebracht?

Bis heute gibt es nur unser Debütalbum „Bracketsmania“. Das ist im Januar 2010 als Digital-Release bei Bandcamp, Spotify und iTunes rausgekommen. Im Mai 2010 ist es dann auf CD auf dem japanischen Label SP-Records veröffentlicht worden und im Juli 2010 dann auch noch als LP auf dem spanischen Label Sweet Grooves. Wenn ich mich recht erinnere, sind 1.000 CDs und 500 LPs gepresst worden. Daneben gibt es noch ein paar Songs auf Compilations.

In euren Songs geht es vorrangig um solche Sachen wie Girls, Strand und Sommer. Habt ihr keine Songs mit ernsten Themen?

Wie bitte? Na, wenn das mal keine ernsthaften Themen sind. Kennst du etwa ein ernsteres Thema, als im Sommer als Verlierer ohne Freundin dazustehen, weil sie dich für einen anderen Kerl verlassen hat? Spaß beiseite, wir lieben es einfach, über diese Themen zu singen, und das passt auch ganz hervorragend zu dieser Band.

Sind diese Spaßthemen zeitgemäß in einem Land, das durch eine extrem hohe Jugendarbeitslosigkeit geprägt ist?

Klar, auch Valencia hat eine sehr schwierige wirtschaftliche Situation mit einer hohen Arbeitslosenquote. Wir in der Band haben zwar alle Arbeit, aber keine Jobs mit ordentlichen Zukunftsperspektiven. Sicher ist es für viele Jugendliche hier enorm schwierig, Arbeit zu finden, aber das ist letztlich kein Hinderungsgrund, Songs über die schönen Dinge im Leben zu schreiben.

Habt ihr in dieser Situation auch mal darüber nachgedacht, das Hobby zum Beruf zu machen und mit der Musik Geld zu verdienen?

Da denkt man schon mal drüber nach, man sollte aber realistisch bleiben. Die Leute in Spanien kaufen kaum noch CDs und sind auch nicht bereit dazu, für Downloads Geld auszugeben. Als Band zu überleben geht eigentlich nur, wenn du ununterbrochen auf Tour bist. Ich glaube nicht, dass wir uns als Band nur mit Konzerten in Spanien, Südamerika und Mexiko über Wasser halten könnten. Schau dir zum Beispiel eine Band wie die HARD-ONS an, die habe ich neulich hier in Valencia gesehen. Die hatten eine Show zusammen mit Jello Biafra, das Konzert war mit 400 Leuten ausverkauft – meines Wissens übrigens das erste Mal, dass hier in Valencia ein Punk-Konzert ausverkauft war. Soweit ich weiß, haben die HARD-ONS seit Mitte der Achtziger weltweit über 2.000 Shows gespielt, und nur mit solch einem Einsatz kannst du als Band überleben. Wenn man live überzeugt, wird es immer noch Fans geben, die nach einem Konzert ein Album kaufen.

Und was sind eure nächsten Pläne?

Unser zweites Album steht an und eigentlich sollte es schon längst draußen sein. Wir haben auch bereits 15 Songs eingespielt, von denen es vielleicht 13 auf das Album schaffen werden. Momentan fehlt uns das Geld für das Abmischen. Die Songs konnten wir noch mit überschaubarem Budget einspielen, für das Abmischen benötigen wir jetzt aber geschätzt 2.000 Euro, die wir momentan nicht haben. Es ist uns wichtig, dass die Songs gut abgemischt werden, mit den Aufnahmen bisher sind wir absolut zufrieden und wir möchten das Gesamtergebnis nicht mit einem minderwertigen Mix gefährden. In den nächsten Wochen stehen einige Konzerte an, bei denen hoffentlich ein paar Euro überbleiben. Den Rest müssen wir mit der Band dann privat zusammenkratzen.

Momentan hört man von immer mehr Tonträgern, die über Crowdfunding finanziert werden. Ist das keine Alternative für euch?

Wir haben in der Band über die Möglichkeit gesprochen. Aber es ist uns einfach zu unsicher. Wir wollten nicht Geld einnehmen mit einem Versprechen, bei dem es nicht sicher ist, dass wir es auch erfüllen können. Wenn uns jemand vorab Geld gibt, weil er davon ausgeht, dass wir ihm nach ein paar Wochen eine LP zuschicken, und dann finden wir kein Label, das unser Album auf Vinyl rausbringt, das Risiko wollten wir dann doch nicht eingehen. Für die CD haben wir immerhin schon ein Label gefunden: Wie unser erstes Album wird sie auf dem japanischen Label SP Records erscheinen. Für die Vinyl-Variante hat ein Label aus Madrid Interesse signalisiert. Wenn die ersten Songs abgemischt sind, werden wir das hoffentlich endgültig klarmachen können. Wir hoffen auf jeden Fall, dass wir spätestens im Spätsommer beide Formate an den Start bringen werden.