PROSECUTION

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Skacore aus dem süddeutschen Hinterland

Nachdem der Peak der dritten Ska-Welle Anfang/Mitte der Neunziger Jahre erreicht war und die Flut an Bands allmählich wieder verebbte, blieben die Genres Skapunk/Skacore eher von einer Handvoll etablierter amerikanischer Bands besetzt. Sicher gab es einige namhafte deutsche Bands, die zur Auflockerung auch den einen oder anderen flotten Offbeat-Kracher im Repertoire hatten, aber mit der Professionalität, mit der THE PROSECUTION aus Abensberg (Landkreis Kelheim, Niederbayern) dies seit über zehn Jahren praktizieren und verfeinern, bleibt diese junge Band eine große Ausnahme. Als sie im April 2013 im Rahmen ihres zweiten Albums „At The Edge Of The End“ als Support mit der amerikanischen Skapunk-Größe REEL BIG FISH in Frankfurt Halt machten, nahm ich Kontakt mit Schlagzeuger und Percussionist Lukas Schätzl auf.

Ihr habt ja blutjung angefangen. Lukas, erzähl mal bitte in Kürze, wie sich das seit Bandgründung bis heute derart professionell entwickelt hat.

Unsere Geburtsstunde war Ende Mai 2002. Wir waren fünf Zwölfjährige, die weder Instrumente spielen konnten, noch Ahnung von Punkrock oder Ska hatten. An schönen Tagen wurde geskatet, bei Regen wurde Musik gemacht. Ziemlich bald verliebten wir uns in den schnellen und melodischen California-Punk. Und als uns El Hefe von NOFX gezeigt hatte, wie gut Bläser und Stromgitarren zusammenpassen, war für uns klar, dass wir Skapunk machen würden. Die Professionalität hat sich dann so im Laufe der Zeit eingeschlichen.

Ihr macht da weiter, wo bislang der deutsche Skapunk/core sein Ende fand, interpretiere ich mal frei eine Passage aus eurem Bandinfo. Nun gab es durchaus Ende der Neunziger, Anfang der Nuller Jahre eine Vielzahl deutscher Skapunk-Bands, wenn auch seinerzeit nicht so amerikanisch beeinflusst. Dieser Sound hat ja nicht gerade eure Generation angesprochen. Wie erklärst du dir trotzdem euren derzeitigen Erfolg?

Das mit den Generationen ist für mich schwer einzuschätzen. Ende der Neunziger waren wir einfach noch zu jung, um das alles aktiv mitzubekommen. Aber wir sind ja trotzdem irgendwie auf den Trichter gekommen. Bei vielen unserer Kollegen fehlen uns ein bisschen der Druck und die Härte. Wir stehen auf gute Produktion mit poppiger Note, was du vielleicht als amerikanisch bezeichnest. Wir versuchen einfach, unsere Musik weiterzuentwickeln und nicht nur zu reproduzieren, was es in den letzten zwanzig Jahren sowieso schon gab. Das könnte vielleicht auch für unseren derzeitigen Erfolg mitverantwortlich sein. Aber ich denke, der Hauptgrund, warum es gerade so gut für uns läuft, ist einfach, dass wir seit Jahren ohne Pause Gas geben, immer selbstkritisch sind und am Ball bleiben.

Skapunk/core fristete im Vergleich zu den USA hierzulande schon immer ein Nischendasein. Wie denkst du darüber und welche aktuellen Bands empfiehlst du?

Auch wenn Skapunk eine Nische ist, die Szene schläft nie. Es gibt viele gute Bands da draußen. Ich denke zum Beispiel an THE TIPS, DIRTY RODRIGUEZ oder aus Prag JET 8. RANDOM HAND oder P.O. BOX gehören sicherlich schon zu den etwas größeren Kandidaten. Wir versuchen, auch abseits von unserer eigenen Musik die Skapunk-Szene wieder mehr aufleben zu lassen. Deswegen haben wir schon zum zweiten Mal den kostenlosen Online-Sampler „100% Skacore“ veröffentlicht. Da gibt es ganz viele frische Bands auf die Ohren!

Für mich waren DISABILITY und später SCRAPY die ersten Bands aus Süddeutschland, die Ska mit Hardcore beziehungsweise Punk in Verbindung brachten. DISABILITY kamen aus dem Punk- und Hardcore-Umfeld, während sich SCRAPY mehr im Skinhead-Lager bewegten. Gab es zu diesen Bands und besagten Szenen Berührungspunkte?

Ja, SCRAPY waren ganz klar eine Band, die uns begleitet hat. Von denen haben wir uns viel abgeschaut, obwohl wir mit der Skinhead-Szene weniger zu tun hatten. Wir kommen aus der California/Surfpunk-Ecke. Mit DISABILITY hingegen bin ich komischerweise nie so wirklich warm geworden.

Was habt ihr an der Herangehensweise zum Vorgänger „Droll Stories“ aus dem Jahr 2010 verändert?

Wir haben bei unserem neuen Album erstmals mit einem Produzenten, Corni Bartels, zusammengearbeitet. Mittlerweile haben wir auch mehr Erfahrung und theoretisches Wissen angesammelt. Wir haben uns für den Entstehungsprozess mehr Zeit genommen. Wir hatten auch die Freiheit, die Songs im Studio zu ändern. Außerdem haben wir gelernt, uns gegenseitig mehr zu vertrauen, so dass nicht immer alle acht Mann hinter der Glasscheibe sitzen und ihren Senf dazugeben mussten. Das macht die Arbeit viel entspannter und lässt mehr Kreativität zu.

THE MIGHTY MIGHTY BOSSTONES könnten eure Väter sein. Wie kamen der Kontakt und die Zusammenarbeit für den Song „Learning life“ auf eurer Platte zustande?

Die Bosstones sind wohl die Band, die uns endgültig zu Ska-Liebhabern gemacht hat. Ich kann mich noch gut erinnern, als ich das erste Mal „Chasing the sun away“ gehört habe. Der Song hat mich sofort gepackt. Dass Dicky Barrett jetzt auf unserem Album mitsingt, ist natürlich ein überdimensional großer Schulterklopfer für uns. Unser Saxophonist Moritz hat ein Händchen dafür, Leute kennen zu lernen. So kam der Kontakt mit Kevin, dem Saxophonisten der Bosstones zustande. Als wir ein paar Monate später mit der Arbeit an unserem neuen Album begannen, haben wir mit Kevins Hilfe Dicky gefragt, ob er etwas für uns einsingen will. Dicky fand unseren Sound cool und hat prompt zugesagt.

Der Offbeat ist in eurer Musik nicht immer allgegenwärtig. Rockige Hymnen mit Ausflügen ins Metal-Genre gehören genauso zu euch wie eine Ballade. Die eine oder andere Nummer ist radiotauglich und massenkompatibel. Wie weit würdet ihr als junge aufstrebende Band gehen, würdet ihr ganz auf den Offbeat verzichten?

Wir würden uns auf jeden Fall nicht verbiegen, nur um massentauglicher zu werden. Wir machen immer das, was uns selbst am besten gefällt. Das ist auch der Grund, warum das neue Album im Vergleich zum Vorgänger härter geworden ist. In dieser Hinsicht hat sich unser privater Musikgeschmack etwas verändert. Der Offbeat ist eines der wichtigsten Gewürze in unserer Musikküche und bringt immer Lebensfreude mit sich. Mir würde kein Grund einfallen, warum wir also darauf verzichten sollten.

In euren Texten kommt ein kritisches Bewusstsein zum Vorschein, das auch eigenes Verhalten in Frage stellt. Mal abgesehen vom gemeinsamen Musizieren und Partymachen, was wollt ihr den Leuten vermitteln?

Für uns hat zu Musik schon immer Gesellschaftskritik und auch Engagement gehört. Das macht für uns Punkrock aus. Deswegen ist es auch klar, dass wir in unseren Texten Dinge ansprechen, die uns auf den Sack gehen. Uns ist es aber auch wichtig, dass wir nicht nur labern, sondern auch was tun. Und am Merchstand liegt neben Spendenkassen immer Infomaterial für ProAsyl und Skateaid aus. Das haben uns andere Bands, die auch für unsere Wertvorstellungen mitverantwortlich sind, so beigebracht. Und jetzt sind wir an der Reihe und geben das weiter. Das gehört einfach zum Punkrock dazu. Ich finde es schade, dass Punkrock und Hardcore immer mehr zur Mode verkommen. Wenn wir also dazu beitragen, dass Engagement und Politik wieder einen höheren Stellenwert in der Szene bekommen, haben wir etwas erreicht.

Wann habt ihr euch dazu entschlossen, die Band als „Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ laufen zu lassen?

Haha, entschlossen haben wir uns dazu eigentlich nicht. Aber wenn irgendwann das Finanzamt anruft und wissen will, ob du mit deinen Auftritten Geld verdienst, wird es leider notwendig, die Band als Gesellschaft auf dem Papier festzuhalten. Da will man eigentlich nur Musik machen, und ehe man sich versieht, ist man zu einem kleinem Unternehmen verkommen, das Steuererklärungen macht und Tankzettel abheftet.

Ihr habt eine Reihe Sponsoren hinter euch. Inwieweit lohnen sich derartige Kooperationen und ist das noch Punk?

Eine acht Mann starke Band in einem Tonstudio aufzunehmen, ist nicht billig. Und alles, was wir mit der Band verdienen, wird wieder investiert. Sprich: ohne Unterstützer wäre es für uns nicht möglich, Musik in diesem Maße auszuleben. Wenn uns die Stadt Abensberg einen günstigen Proberaum im Jugendzentrum zur Verfügung stellt oder wir Hilfe von einer Kulturförderstiftung bekommen, beißt sich das nicht mit Punk.

Bands wie ihr beweisen, dass das Hinterland lebt und die Herkunft nicht immer zwingend eine Rolle spielen muss, um „raus zu kommen“. Wo seht ihr die Vor- und Nachteile, nicht aus einer Metropole zu sein?

Vorteile sind, dass man in einer Kleinstadt bessere Unterstützung erfährt. Proberäume sind bezahlbar. Ältere Musiker werden auf dich aufmerksam und helfen dir. Alles liegt weit auseinander und du gehst mit deinem Krach niemandem auf die Nerven. Allerdings, glaube ich, ist die Liste mit den Nachteilen länger. Es ist schwieriger, eine Fanbasis aufzubauen. Es gibt keine starke Szene, nur wenige Auftrittsmöglichkeiten, und das örtliche Musikgeschäft hat nur zweimal die Woche auf. Aber der größte Nachteil ist wohl, dass es immer schwierig ist, jemandem zu erklären, woher wir kommen.

Wenn man als junge Menschen mit einer Band startet, kommt zwangsläufig die Zeit, in der sich die Prioritäten ändern, so dass ein aktives und intensives Bandleben nicht mehr möglich ist. Wo wollt ihr noch hin? Welche Ziele habt ihr euch gesteckt?

Glücklicherweise sind wir noch so jung, dass wir viel Zeit in die Band stecken können. Klar kommen wir auch manchmal an unsere Grenzen. Vor allem die beiden Jungs von uns, die nicht studieren, müssen mit ihren Urlaubstagen gut wirtschaften. Früher waren unsere Ziele, mit einer Fat Wreck-Band und mit einer amerikanischen Band eine größere Tour zu spielen. Haben wir beides schon geschafft. Jetzt nehmen wir uns vor, mal für längere Zeit ins Ausland zu kommen. Wir versuchen gerade, für die zweite Jahreshälfte eine Tour Richtung Schweiz und Frankreich zu buchen. Nach England wollen wir auch. Und aus Tschechien bekommen wir ständig Post, dort doch öfter zu spielen. Sogar aus Moskau kommen Anfragen. Ein Traum ist auch, mal auf der Warped Tour zu spielen. Was wohl ein Traum bleiben wird, da die Warped Tour angeblich nur noch in diesem Jahr stattfinden soll.