KID DYNAMITE

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Zurück, um zu bleiben?

KID DYNAMITE haben zwischen 1997 bis 2000 mit ihren beiden Alben „Kid Dynamite“ (1998) und „Shorter, Faster, Louder“ (2000) einen impulsiven, kratzbürstigen Hybrid aus Hardcore und Punk geschaffen, der die Punkszene bereicherte und prägte. Man darf hier wohl von einer Melodic-Hardcore-Legende sprechen, die den späten Neunzigern einen unverbrauchten, frischen Sound bescherten. Eine Band mit programmatischem Namen, bestehend aus Sänger Jason Shevchuk, den ehemaligen LIFETIME-Migliedern Dan Yemin (Gitarre) und David „Dave“ Wagenschutz (Schlagzeug), sowie Bassist Michael „Spider“ Cottermann. Bevor jedoch KID DYNAMITE jedoch mehr als den Status eines Insidertipps erreichen konnten, war schon wieder alles vorbei. Nach dem jähen Ende wurden von den Ex-Mitgliedern mit NONE MORE BLACK, PAINT IT BLACK und THE LOVED ONES neue, bald ebenfalls wichtige Bands mit ähnlicher stilistischer Ausrichtung gegründet. 2010 dann kam es zur Reunion und sporadischen Auftritten, doch die in Philadelphia beheimatete Band hatte bis 2013 nie einen Fuß auf den europäischen Kontinent gesetz. Auf dem diesjährigen Groezrock-Festival und im Rahmen einer vorabendlichen Warm-up-Show Ende April absolvierten sie ihr europäisches Debüt vor einer tobenden Menge. Ich sprach mit Jason und Dave.

Wie war für euch die gestrige Show zusammen mit ROCKET FROM THE CRPYT, SMOKE OR FIRE und ASTPAI? Braucht ihr erst eine gewisse Zeit, um warm zu werden? Ihr spielt ja nur sporadisch.

Jason: Nein, denn wir haben vorher geprobt, haha. Außerdem waren die Scheinwerfer so heiß. Wir haben etwas mehr als ein Jahr nicht zusammen gespielt. Wir hatten zwei Proben, dafür war es okay.

Dave: Unsere erste Probe war gut genug, um auf die Bühne zu gehen. Das rührt einfach daher, dass die Musik uns immer noch so nah ist, wie wir uns eben auch nahestehen, obwohl es so viele Jahre her ist.

Jason: ... und wir sind nach wie vor fit auf unseren Instrumenten. Die Konzerte 2010 und einige Shows 2011 haben uns auch sehr geholfen. Klar, bei der ersten Probe 2010 brauchten wir ein paar Anläufe, um das Feuer wieder zu entfachen.

Jason, nachdem du KID DYNMITE verlassen hattest, hast du dich auf deinen Abschluss an der Filmhochschule konzentriert. Wie wir wissen, warst du dennoch mit NONE MORE BLACK aktiv. Ist Musik gegenwärtig noch ein wichtiger Lebensinhalt für dich?

Jason: Musik ist ein Interessengebiet, das ich ständig weiter erforsche. Ich schreibe ständig Songs. Aber ich würde niemals wieder so intensiv touren wie früher. Dave spricht sogar davon, keine Band mehr gründen zu wollen. Musik ist immer noch etwas, mit dem wir uns beschäftigen wollen. Aber wir sind in einer Phase unseres Lebens, in der andere Dinge an erster Stelle stehen. Nur ist auf Tour zu gehen eben genau so wichtig, wie Songs zu schreiben, wenn du in einer Band bist.

Deine kurzlebigen Projekte wie LA GRECIA und ONGUARD, aber auch das Hin und Her mit NONE MORE BLACK, zeigen, dass du dich nicht unbedingt festlegen willst und lieber spontane, vielleicht auch unüberlegte Entscheidungen triffst. Seid ihr beide Menschen, die laufend ihre Meinung ändern, die immer in Bewegung sein wollen?

Jason: Ich mag es, mit Sachen wieder von vorne anzufangen, haha. Wenn sich etwas nicht richtig anfühlt, dann sollte man damit aufhören. So sehe ich das. Und deswegen sind wir wiederum hier, weil es sich richtig anfühlt.

Dave: Meiner Auffassung nach – auch wenn ich seit Jahren nicht in irgendwelchen vernünftigen Projekten war – steckt der Mensch voller Talente, etwa zum Beispiel für Musik und Songwriting. Wenn es aus dir heraus will, dann will es heraus. Manchmal tut es das und du willst weiter daran arbeiten, und manchmal eben nicht. Ich mag diese Momentaufnahmen kreativer Energie, und dann kommt das nächste Ding. Nicht im Sinne abrupter Starts und Stops, sondern dass man diesen kreativen Output in seinem gesamten Leben in konstanter Weise hat.

Wenn man frühere Interviews und Artikel über eure Band liest, werdet ihr oftmals als eine legendäre Band wahrgenommen. Wie seht ihr eure Karriere und euren Output im Nachhinein?

Jason: Es ging einfach alles sehr schnell. Es fühlt sich nicht nach zehn Jahren an.

Dave: Hast du mich eben ernsthaft gefragt, ob ich mich für eine Legende halte? Aber ich glaube, ich weiß, was du sagen willst. KID DYNAMITE waren ein Teil von etwas Speziellem, als wir anfingen. Für jemanden, der zu dieser Zeit nicht in Philadelphia war, ist das schwer nachzuvollziehen, also wie die Musikszene war und zu was sie wurde. Und wir waren Teil der Szene in Philadelphia und das bedeutet mir wahrscheinlich mehr als alles andere. Auch wenn wir nicht der Auslöser dafür waren.

Jason: Dank vieler großartiger Leute, die sich darum kümmerten und das nach wie vor tun, war es so. Bands liebten es, in der Stadt zu spielen – aufgrund der Leute in unserem Umfeld, mit denen wir abhingen. Wir haben dafür gesorgt, dass man in Philadelphia unglaublich leicht und wunderbar Musik machen konnte. Groß oder klein, jede Band konnte herkommen und eine Show spielen.

Wie nehmt ihr ein Tribute-Album wie „Carry The Torch“ wahr, das 2009 erschienen ist?

Dave: Falls ein paar Leuten zusammenkommen und KID DYNAMITE-Songs spielen wollen, von mir aus gern. Ich denke, das Album ist super, wenn auch nicht unbedingt jeder Song. Aber es macht Spaß. Es ist ein schönes Liebes- und Inspirationsbekenntnis. Aber als ich zum ersten Mal davon hörte, war ich skeptisch. Warum sollte uns jemand covern wollen? Doch wenn du genauer drüber nachdenkst, ist es das Tollste, wenn jemand andere inspirieren. Wen kümmert es, von wem die Musik ursprünglich stammt?

Jason: Es war interessant, meine Texte und Melodien neu interpretiert zu hören. Das war das Interessanteste daran. Doch jemand zu hören, wo es nicht funktioniert, ist frustrierend.

Ihr habt eben gesagt, dass sich die letzten zehn Jahre nicht nach einer dermaßen langen Zeit angefühlt hätten. Wie seht ihr denn die heutige Szene im Gegensatz zu damals? Hat sich viel verändert, könnt ihr euch immer noch mit der Punkrock-Szene identifizieren?

Jason: Nein, kann ich nicht.

Dave: Ich würde sagen, dass ich überhaupt nicht dazugehöre. Nicht aus Mangel an Sympathie oder Respekt, sondern einfach deswegen, weil mich mein Leben anderweitig auf Trab hält. Meine gesamte Energie fließt in meine Familie und meinen Job. Wenn ich dann eine Weile mit den Jungs unterwegs sein kann, ist das ein Riesenspaß. Aber wenn es darum geht, meine ganzen Energie hier reinzustecken, dann nicht. Ich würde sogar die Unterstützung meiner Frau bekommen, sie würde sagen, dass ich es machen soll, wenn es das wäre, was mich antreibt. Die Musik wird immer ein Teil von mir bleiben, aber diesen Schritt mach ich nur alle Jubeljahre. Ich bin auch kein Angehöriger irgendeiner Szene.