NOMEANSNO vs. Pax-Bräu

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Praktikant John meldet sich zum Dienst

John Wright mag Bier. Das ist soweit nichts Neues. Auch dass der Drummer von NOMEANSNO zu Hause in Kanada sein eigenes Bier braut, war schon in der Oktober-Ausgabe 2012 Thema im Ox-Fanzine. Jetzt hat John aber Nägel mit Köpfen gemacht und ein Praktikum bei einer Brauerei in Deutschland gemacht. Genauer gesagt bei Pax-Bräu in der bayerischen Rhön. Pax-Bräu ist ein kleiner Ein-Mann-Betrieb, der letztes Jahr gerade mal 50.000 Liter gebraut und verkauft hat. So viel fließt in einer großen Brauerei an einem schlechten Tag in den Gully, sagt Braumeister Andreas Seufert. Seufert ist ein Bierverrückter, der vor vier Jahren sein Hobby zum Beruf gemacht und auf dem Bauernhof des Onkels seine eigene Brauerei aufgemacht hat. Genau der richtige Mann für das Brauerei-Praktikum von Mr. Wright.

Oberelsbach ist ein kleiner Ort mit knapp 3.000 Einwohnern im Landkreis Rhön-Grabfeld. Keine zehn Kilometer von hier, in Ostheim vor der Rhön, wurde die Kräuterlimonade Bionade entwickelt, die inzwischen in allen Metropolen Europas verkauft wird. Andreas Seufert ist 36 Jahre alt und hat in Würzburg Brauer gelernt. Nach der Meisterschule ist er auf Wanderschaft gegangen und hat in China, Laos, Kambodscha oder Vietnam gearbeitet. Dann ist er zurückgekommen. „Für mich ist Pax-Bräu eigentlich ein zu groß gewordenes Hobby“, sagt Andreas Seufert. Den ersten Sud hat der Brauer im Kuhstall seines Onkels im Jahr 2001 angesetzt. 2007 hat er die Brauerei als Nebengewerbe angemeldet und seit 2009 macht Andreas Seufert nichts anderes mehr als Pax-Bräu. „Das Geld reicht noch nicht für Personal, deshalb mache ich momentan noch alles allein“, erklärt er. „Natürlich bin ich auf viele Freunde angewiesen, die mich tatkräftig unterstützen. Die zum Beispiel das Design für meine Etiketten machen oder bei Ausschankaktionen mithelfen. Allein kann man da nicht viel reißen.“

John hat Andreas im Dezember 2012 bei einem NOMEANSNO-Konzert in Bamberg getroffen. Er kam zusammen mit der Würzburger Band MALM und weil er wusste, dass John selbst braut und echter Bierkenner ist, hat er ein paar Flaschen Pax-Bräu mitgebracht. „Wir haben wir uns natürlich viel über Bier unterhalten und ich war hocherfreut über das Gastgeschenk“, erzählt John von der ersten Begegnung. „Weil ich gerade erst eingeladen wurde, ein Gastbier für eine Brauerei in Quebec in Ost-Kanada zu brauen, habe ich mich für Bamberger Rauchbier entschieden. Kein traditionelles Rauchbier allerdings, ich habe das Rezept ein bisschen verändert. Das war vor etwa eineinhalb Jahren und ich musste einen geeigneten Zeitpunkt finden, an dem ich nach Quebec gehen kann, um dieses Bier zu brauen. Als die Europatour für dieses Jahr gebucht wurde, stellte ich fest, dass wir unsere letzte Show am 8. Juni in Frankfurt spielen. Das ist nur ungefähr eine Stunde Autofahrt von Oberelsbach entfernt. Da dachte ich mir, ich könnte mich doch einfach bei Andreas einige Tage einquartieren und ein paar Erfahrungen sammeln. Ich weiß nur sehr wenig über kommerzielle Brauereien. Ich dachte also, es wäre eine perfekte Gelegenheit, in einer kleinen bayerischen Do-It-Yourself-Brauerei ein paar Dinge zu lernen. Da kann ich die Biere machen, die mich interessieren, und kann zuschauen, wie sie in einer größeren Menge produziert werden als bei mir zu Hause.“

John braut seit Anfang der Neunziger Jahre sein eigenes Bier, meistens in der Küche in großen Bottichen. Für den privaten Gebrauch ist das in Kanada erlaubt, nur verkaufen darf er das selbst gemachte Hopfengetränk nicht. „Das Bier in Kanada ist einfach scheiße“, erklärt John, warum er aufs Hobby-Brauen gekommen ist. „Schon bevor ich das erste Mal in Europa war, habe ich gerne importiertes Bier gekauft. Als wir dann regelmäßig in Europa auf Tour waren, habe ich all diese wunderbaren Biersorten entdeckt. Bei uns in Kanada muss man eine Menge Geld für Bier bezahlen und importiertes Bier ist noch teurer. Und ich dachte mir, das ist Bullshit, so viele Steuern zu bezahlen, nur um ein vernünftiges Bier zu trinken. Deshalb habe ich beschlossen, das Brauen selbst zu lernen. Und ein schöner Nebeneffekt ist natürlich, wenn man die Zutaten zum Bierbrauen kauft – Malz, Hefe oder Hopfen –, bezahlt man natürlich keine Alkoholsteuer. Man bezahlt auch keine anderen Steuern, weil es sich um Lebensmittel handelt. Alle Sachen, die man für Bier braucht, sind in Kanada also komplett steuerfrei. Und das ist genau das, was ich will. Außerdem habe ich schon immer gerne gekocht und in der Küche mit Lebensmitteln gearbeitet. Ich habe in der Lebensmittelindustrie schon alle möglichen Jobs gemacht. Bedienen, kochen, putzen, alles. Und Bier brauen ist nichts anderes als kochen. Also war das ein ganz natürlicher Vorgang für mich. Ich bin wohl ein Hedonist, so nennt man Leute wie mich, denke ich.“

Eine Woche lang schaut der Schlagzeuger dem professionellen Brauer in seinem Ein-Mann-Betrieb über die Schulter. John wohnt und arbeitet sieben Tage bei Andreas, weil er einiges an Know-how für seine kleine Küchenbrauerei in Vancouver mitnehmen will. „Ich kann lernen, wie man mit größeren Mengen umgeht. Die größte Menge Bier, die ich bis jetzt gebraut habe, ist 35 Liter. Hier geht es um 1.000 oder 1.500 Liter“, erklärt John. „Prinzipiell ist der Brauvorgang ganz ähnlich, aber hier kann ich mir einiges von der Logistik und der Brautechnik abschauen. Ich habe nie eine Brauereischule besucht. Es gibt viele Dinge, die ich tue, ohne eigentlich zu wissen, warum. Ich schaue mir ein paar kleine Tricks ab, damit ich die Sache zu Hause ein bisschen professioneller angehen kann. Diese kleine Brauerei hier ist zum Glück keine Braufabrik, sondern irgendwie ein bisschen wie meine Küche. Das Konzept ist vergleichbar. Aber die Vorgänge sind etwas komplizierter und das möchte ich gerne lernen.“ John ist für Andreas natürlich kein Praktikant wie jeder andere. Er erklärt und zeigt viel mehr, als er es sonst tun würde.

Aber das Geschäft muss auch weiterlaufen. Die Kunden warten auf die nächste Bierspezialität. Denn neben dem typisch fränkischen Vollbier mit leichtem Rauchgeschmack hat sich Pax-Bräu unter Biergourmets mit seinen monatlichen Sondereditionen internationaler Biersorten einen Namen gemacht: Lakritz Oatmeal Stout, India Pale Ale oder Bière Blanche, die belgische Version des deutschen Weißbiers. Alle Sorten werden in Literflaschen verkauft oder sogar an Abonnenten verschickt. „Deshalb muss ständig gebraut werden“, erklärt Andreas. „Für mich ist es eine ganz normale Produktionswoche. Angefangen hat es am Sonntag in Poppenhausen an der Wasserkuppe beim dritten Rhöner Brot- und Biermarkt. Da ist John zu mir gestoßen. Und jetzt ist er dazu verdammt, diese Woche mit mir zu verbringen. Er muss also überall mitlaufen und alles mitmachen. Wir waren schon bei der Würzburger Hofbräu und haben uns dort Hefe geholt. Da haben wir uns die Brauerei kurz zeigen lassen. Ich habe ja dort gelernt, deshalb kenne ich mich da ganz gut aus. Danach haben wir noch Bier ausgeliefert und sind anschließend zur Mälzerei. Da habe ich John gezeigt, wie das Malz gemacht wird. Dann haben wir unser Malz mitgenommen und jetzt geht’s gleich weiter: Sud vorbereiten, Malz abwiegen, Wasser aufheizen, Rezepte checken. Und dann werden zum Ende der Woche drei Sude hintereinander gebraut, tagsüber Flaschen gefüllt und abends geht’s dann in Richtung Kloster Kreuzberg.“ Auf den bekanntesten Berg in der Rhön, wo Franziskaner-Mönche seit 1731 ihr Klosterbier brauen. Damit John auch mal eine ganz traditionelle Brauerei mit Ausschank erlebt.

Für John ist die Woche in der Rhön ein Riesenspaß und natürlich auch eine Woche, aus der er sehr viel mitnimmt. Dieses Wissen wird er dann wahrscheinlich in Kanada auch weitergeben. „Es gibt einige Leute in Kanada, die selbst brauen“, erzählt John vom Homebrewing-Business in seiner Heimat. „Ich habe das Brauen von einem Freund gelernt. Mein erstes Bier habe ich zusammen mit dem Vater unseres Gitarristen Tom gemacht, der hat sogenannte Brewing Kits verwendet. Also fertige Sets, die man einfach zusammenmischt. Dann hat mich aber ein Freund ins Brauen mit frischen Zutaten eingeweiht. Da bin ich dann ziemlich schnell hängengeblieben. Ich habe mein Wissen dann an einen anderen Kumpel weitergegeben und er hat wieder einen anderen ausgebildet. Der macht jetzt eine Brauerei in Vancouver auf. Ich kenne inzwischen eine ganze Menge Leute, die brauen. Das liegt aber daran, dass Brauer sehr gesellige Menschen sind und gerne zusammenkommen. Man trifft solche Leute im Laden für Brauerei-Zubehör.“ Gibt es in Kanada viele Hobby-Brauer? „Gemessen an der Bevölkerung eher nicht. Es wird aber immer populärer, weil die Leute gutes Bier aus der Umgebung wieder mehr schätzen.“

Einen besonderen Stellenwert hat für John das deutsche Bier. Speziell das Bier der Bamberger Brauerei Fässla liebt der Kanadier. John hat sich sogar Malz aus Bamberg mitgenommen, um zu Hause sein eigenes Kellerbier zu brauen. Deutsches Bier ist, so John, unerreicht. „Ich mag einfach den Geschmack. Ich habe viele verschiedene Biersorten probiert und die Kombination aus Malz, Hefe und Hopfen gefällt mir einfach“, erklärt der Schlagzeuger. „Deutsches Bier kann man einfach gut trinken. Besonders gut gefällt mir das fränkische Rauchbier. Ich mag geräucherten Fisch, geräuchertes Fleisch, ich koche gerne über offenem Feuer und grille gerne. Natürlich trinke ich nicht jeden Tag Rauchbier, aber für meinen Plan, ein spezielles Bier für eine Brauerei zu kreieren, komme ich nicht mit einem Pale Ale an, das ist nichts Besonderes. Als ich also von Bamberg zurückkam, wollte ich unbedingt so ein Bier machen. Und die Jungs von der Brauerei in Quebec waren sofort begeistert. Es wird also demnächst ,Johnny Hansons Punk-Rauch‘ geben. Haha.“

John mag aber nicht nur fränkisches Bier. Er trinkt auch gerne norddeutsche Pilssorten. Und das deutsche Bier ist in seinen Augen deshalb so gut, weil es so penible Vorschriften für die Verwendung der Zutaten gibt. „Es gibt so viel Bier mit fürchterlichen Zutaten: irgendwelche Chemikalien oder Zucker. In Deutschland gibt es das Reinheitsgebot und damit eine Reinheit und Klarheit im Bier. Die Brauereien werden gezwungen, ihr Bier einfach zu belassen. Kanadisches Bier wird zum Beispiel mit Sirup gemacht, das ist einfach fürchterlich. Das Bier von Carlsberg und all diesen riesigen Konzernen, das schmeckt schlicht nicht gut. Deutsches Bier hat einfach eine hohe Qualität. Die verschwindet natürlich auch hier mit den großen Brauereien, aber wenn du zu Leuten wie Andi gehst und gutes lokal produziertes Bier trinkst, kannst du nichts falsch machen.“

Bei aller Liebe zum Bier – Fans von NOMEANSNO oder HANSON BROTHERS müssen in Zukunft wohl nicht befürchten, dass sie John endgültig an die Braukessel verlieren werden. Denn eine professionelle Brauerei brächte nicht nur die praktische Arbeit, sondern auch eine Menge Verwaltungskram mit sich. Und das kann John auf den Tod nicht ausstehen, sagt er. „Die Band ist seit dreißig Jahren meine Vollzeitbeschäftigung, es wäre natürlich auch schön, professionell zu brauen. Leider war ich aber schon immer ein schlechter Geschäftsmann. Man muss sich mit Genehmigungen und dem ganzen Papierkram beschäftigen, der mich dazu bringt, Leute anzuschreien. Ich mag Dinge, die sehr einfach sind, die Regierung will es lieber kompliziert. Ich bin also nicht sicher, ob ich die nötige Geduld dazu habe. Vielleicht sollte ich einfach ein Schwarzbrauer werden. Das ist einfacher. Ups! Habe ich das jetzt in aller Öffentlichkeit gesagt? Oh nein!“

John ist und bleibt eben ein Punkrocker. Die versorgen sich zwar traditionell im Supermarkt mit dem billigsten Bölkstoff, den sie in die Finger kriegen, das stört den Mann von NOMEANSNO allerdings nicht. Denn was Bier betrifft, ist er ein Feinschmecker. „Ja das ist schon wahr! Ich gehöre damit wohl eher zu den Yuppies, oder? Haha. Im Ernst, die Mehrheit der Leute wird immer das billigste Bier kaufen. Ihnen geht es nicht um den Geschmack, sie wollen einfach Bier trinken und betrunken werden. Aber bei uns um die Ecke hat zum Beispiel eine Brauerei aufgemacht, deren Bier 50% teurer ist als normales Bier. Aber das Geschäft brummt, mehr können sie momentan nicht produzieren. Jeder in der Stadt sagt: ,Das ist unser Bier!‘ und deshalb bezahlen sie auch mehr für das Bier, das in ihrer Stadt gebraut wird. So funktioniert die Idee, lokale Unternehmen zu fördern.“ Lokale Unternehmen wie Pax-Bräu aus Oberelsbach in der Rhön.

www.pax-braeu.de