RICHIES

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Duisburg-Ruhrort ist kein Kurort

Im vergangenen Jahr sorgte eine Meldung in der heimischen Punkrock-Welt für Furore. Die RICHIES aus Duisburg würden ein Reunion-Konzert in Originalbesetzung spielen. Natürlich in ihrer Heimatstadt. Und natürlich vor all ihren Freunden und Bekannten aus vergangenen Jahren. Die Nachricht sprach sich rum und ehe man sich versah, war das Konzert ausverkauft und wurde zum vollen Erfolg für die Band. So sehr, dass es nicht bei dem einen Auftritt bleiben sollte. Es folgten weitere und nun ist man wieder kräftig aktiv und arbeitet an einem neuen Album. Im Oktober gibt es gleich zwei Konzerte in Duisburg zusammen mit den Freunden JIMMY KEITH & HIS SHOCKY HORRORS zu deren 25-jährigem Jubiläum.

Ende der Achtziger Jahre starteten die RICHIES ihre Karriere als junge, unbedarfte Punkrock-Kapelle aus dem Ruhrgebiet, die keinen Hehl aus ihrer Verehrung für die RAMONES machte. Nach der ersten Single folgten vier Longplayer, diverse Tourneen in Deutschland und dem benachbarten Ausland und mit der Zeit hatten sich die RICHIES zu einer der besten Pop-Punk-Bands Europas gemausert. 1997 folgte dann die Trennung, die bis zum letzten Jahr andauerte. Nun sind Axel, Peter und Sulle wieder vereint und erzählen im folgenden Interview, was wir so alles zu erwarten haben.


Nach so langer Pause sind die RICHIES wieder da. Was war die Initialzündung für die Reunion? Wie soll diese aussehen? Und was versprecht ihr euch davon?

Peter: Eine Initialzündung gab es nicht. Das war eher ein Schwelbrand, der sich nach Jahren entzündete. Wir haben vor, nächstes Jahr ein weiteres Album zu veröffentlichen, und versprechen uns davon Ruhm und Ehre. Zudem haben wir ja auch schon einige Konzerte gegeben, unter anderem mit den großartigen PROJEKT KOTELETT aus Hamburg.

War es von Anfang an klar, dass es eine Reunion nur mit neuem Material geben wird und ihr euch nicht nur auf die alten Stücke stürzen wolltet?

Peter: Für mich war das klar. Das steht auch so in der RICHIES-Satzung, die aber noch keiner unterschrieben hat ... „Stillstand ist Rückschritt“ heißt es ja, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob das auch für Punkrocker gilt. Aber wir haben inzwischen ja auch schon einige neue Songs geschrieben, die wir live spielen und natürlich auch veröffentlicht sehen wollen.

Sulle: Axel und ich hätten – vor allem aus Faulheit – auch ohne neues Material eine Reunion gestartet, aber Peter konnte uns glücklicherweise überzeugen, dass das albern wäre.

Wie waren die ersten Reaktionen auf eure Rückkehr?

Sulle: Durchweg positiv. Bei unserer Wochen im voraus ausverkauften Reunion-Show war die Stimmung grandios. Bei unseren alten Weggefährten mag es daran gelegen haben, dass sie sich zwanzig Jahre zurückversetzt gefühlt haben. Bei den Jüngeren, die damals noch nicht dabei gewesen sein konnten, weiß ich es nicht. Drogen?

Sulle, du warst vor dem damaligen Split der Band bereits ausgestiegen. Was war der Grund dafür und warum bist du nun wieder mit an Bord? Es ging also um die „Ur-RICHIES“ und nicht die letzte Besetzung?

Sulle: Wir hatten uns damals zerstritten. Wen die Hintergründe interessieren, der soll Gala oder Bunte abonnieren. Spatz und Peter machten dann ja mit einem anderen Gitarristen, Jim Bob, zunächst weiter, was sich aber nach weniger als einem Jahr auch erledigt hatte. Vor knapp zehn Jahren sprachen wir uns dann einmal aus und seitdem keimte die Idee in mir, die RICHIES wieder zu beleben. Und außer dem Original stand da gar nichts zur Diskussion.

Schauen wir noch einmal zurück. Zu Beginn eurer Karriere haftete euch ja stets das Etikett „deutsche RAMONES“ an. Wie lange dauerte es, bis das nervte, und was habt ihr getan, um davon ein wenig loszukommen?

Sulle: Es war ja nicht zu verleugnen, wo unser Haupteinfluss herkam. Und anfangs schien es mir auch so etwas wie ein Gütesiegel zu sein. Als wir jedoch erfolgreicher wurden – was bedeutet, dass wir recht viele Konzertangebote bekamen und Verkaufszahlen im vierstelligen Bereich hatten –, kam dieser Unterton dazu, der ausdrücken sollte, dass wir ja keine eigenständige Musik machen würden. „Ihr seid ja nur die deutschen RAMONES.“ Neid? Man weiß es nicht. Haben wir bewusst etwas dagegen unternommen? Ich kann mich nicht erinnern. Jedenfalls hat sich das Songwriting von Album zu Album weiterentwickelt. Das erste, „Winter Wonderland“ hört sich wirklich noch stark nach RAMONES an. Reverend Norb von BORIS THE SPRINKLER erzählte mir mal, wie er von lauter Musik geweckt wurde. Er sprang auf und fragte seinen Bruder, der die damals neue „Winter Wonderland“ aufgelegt hatte, ob die RAMONES ein neues Album herausgebracht hätten. Aber wenn ich meinem Kumpel Marky Fanatico glauben darf, dann haben wir uns schon mit dem zweiten Album „Spring Surprise“ zu weit von den RAMONES entfernt.

Habt ihr euch jemals als Teil der sogenannten „Ramones-Core-Szene“ betrachtet, die ja Ende der Neunziger Jahre international sehr populär war und mit den RIVERDALES, QUEERS oder HEAD auch recht erfolgreiche Bands hervorbrachte?

Peter: Nein, dazu haben wir uns nicht gerechnet, auch wenn wir vielleicht da einzuordnen wären. Den Begriff „Ramones-Core“ habe ich zuerst Ende der Nuller gehört. Wir hatten unser damaliges Bandende 1997 ja auch so getimet, dass es nach uns mit dem Ramones-Core losgehen kann. Die meisten dieser Bands gefallen mir auch überhaupt nicht. Von HEAD habe ich zum Beispiel noch nie gehört, aber was andere Bands betrifft, bin ich auch nie auf dem Laufenden. Ich bin Fan von den QUEERS und CHIXDIGGIT und das war es dann auch.

Axel: Gefühlt waren wir immer ziemlich allein auf weiter Flur zwischen den ganzen Hardcore- und Deutschpunk-Bands. Ein paar mehr gleich gesinnte Bands hätten uns gut getan. Man will ja auch mal verstanden werden. Sehr cool waren unsere Tourneen mit EXPLODING WHITE MICE, COSMIC PSYCHOS, PSYCHOTIC YOUTH, unseren Buddys SCHLIESSMUSKEL und natürlich die Deutschlandtour mit DEE DEE RAMONE & ICLC. Wir haben Dee Dee nackt gesehen. Etwas zwiespältig war unsere Europareise mit MURPHY’S LAW, da die Jungs musikalisch nicht so zu uns passten, ziemlich asi waren und hinterher noch den Tourmanager verprügelt haben. Wir hatten da unseren eigenen Mischer dabei, Achim. Den haben wir ihnen als „The Weapon“ vorgestellt. Da hatten die New York Hardcore Mugger sofort Respekt und wir hatten Ruhe. Vinnie Stigma, der als ihr Merchandiser dabei war, hat dennoch in jedem Club in die Ecke gepinkelt, um sein Revier zu markieren. Kein Witz!

Warum ist nach „Winter Wonderland“, „Spring Surprise“ und „Pet Summer“ nie ein Album zum Herbst erschienen? Das hätte die Geschichte doch abgerundet.

Peter: Also ganz sicher bin ich mir nicht, warum die nichts mit Herbst zu tun hatte. Ich glaube, wir haben das damals deshalb gemacht, weil wir die Sorge hatten, dass ansonsten nach vier Platten Schluss ist. Oder wir hätten die fünfte Platte Januar nennen können. So aber haben wir wieder alle Optionen offen.

Sulle: Wir fanden es witzig, die Erwartungen der Leute nicht zu erfüllen. Der Herbst ist zu deprimierend. Nee, ich weiß es nicht mehr.

Euer letztes Album „Why Lie? Need A Beer!“ habt ihr ja seinerzeit in den Staaten aufgenommen, was für eine Punkrock-Band aus Duisburg doch recht ungewöhnlich ist. Wie kam es dazu?

Peter: Damals hat Axel ein Semester in Tucson, Arizona studiert. Und Thomas Issler von We Bite meinte, dass wir nicht zu lange mit einer neuen Platte warten sollten, und hat uns deshalb in die Staaten geschickt. Für uns alle war das unser erster USA-Trip und natürlich auch eine schöne Angelegenheit, insbesondere da Flug und Studio vom Label finanziert wurden. Da hat man gleich noch einiges mehr mitgenommen.

Sulle: Peter und ich haben auf dem Weg nach Arizona einen Zwischenstopp in NYC eingelegt, MURPHY’S LAW besucht, auf Jimmys Kosten gesoffen, nachts um drei auf der Straße Oregano gekauft – es war wirklich Oregano –, mit hunderten Kakerlaken ein YMCA-Zimmer geteilt, und sind – zumindest ich – zwei Zentimeter gewachsen, als wir entdeckten, dass die RICHIES eigene Fächer in den großen Record-Stores hatten.

Ihr habt ja sehr oft mit euren We-Bite-Label-Kollegen SCHLIESSMUSKEL gemeinsam auf der Bühne gestanden. Die schönste Anekdote aus der Zeit, bitte.

Peter: Ich erinnere mich gerne daran, als Böckler, ihr Sänger und Bassist, beim Konzert heiser war. Er bat uns dann, ihm eine Tasse Kamillentee oder Ähnliches auf die Bühne zu bringen. Da hat ihm Axel einen Tee mit der RICHIES-Spezialkräutermischung serviert ...

Sulle: Was zusammen mit SCHLIESSMUSKEL alles so passiert ist, geht nur sie und uns etwas an! Und Faust. Ich weiß nur noch, dass extrem gesoffen wurde.

Hat Böckler das Konzert zu Ende spielen können?

Peter: Ja. Also Böckler hat nach dem ersten Schluck oder schon beim Riechen am Tee den Braten beziehungsweise unsere Geheimwaffe gerochen. Wir haben uns aber alle – inklusive SCHLIESSMUSKEL – köstlich amüsiert.

Ihr spracht ja bereits vom einsetzenden Erfolg und den vierstelligen Verkaufszahlen euerer Alben. Das klingt ja sehr bescheiden. Glaubt ihr, dass es heutzutage im Download-Zeitalter überhaupt noch möglich ist, ein paar Leute zum Erwerb einer RICHES-Platte zu animieren?

Peter: Einfach ist es heute sicherlich nicht, CDs zu verkaufen. Wir müssen uns auch darum kümmern, die Sachen auf den legalen üblichen Plattformen zur Verfügung zu stellen. Auch werden wir in den letzten Ecken des WWW nach illegalen RICHIES-Kopien suchen und jeden, der illegal den Kram zur Verfügung stellt, vor den Kadi zerren. Bis zum Verfassungsgericht oder auch den EuGH.

Sulle: Und ich gehe mit Lars Ulrich auf Illegal-Downloader-Jagd.

Schon klar ... Habt ihr bereits Kontakt zu dem Label aufgenommen, das euch entdeckt und als Erstes unter Vertrag genommen hat, Frank Herbsts Your Chance Records?

Peter: Nee, mit Frank Herbst haben wir noch keinen Kontakt aufgenommen. Aber Frank ist ja noch ganz der Alte und so was Ähnliches wie Fan. Ich hab ihn das letzte Mal bei unserem Gig in Duisburg gesehen und er scheint ja auch noch recht umtriebig. Also zur Zeit halten wir uns noch zurück mit der Label-Suche. Wir kümmern uns erst einmal darum, genügend Material für eine neue Platte zusammenzustellen, um unserem Label in spe was anbieten zu können.

Danke für das Interview, wir sehen uns in den Clubs dieser Republik.