Sun Records

Foto

Mammutprojekt für die Bear Family

Exakt 1.976 Stunden und 52 Minuten Musik kommen heraus, wenn diese beiden Schwergewichte der Musikgeschichte aufeinandertreffen: Sam Phillips und Richard Weize. Der eine ist tot. Der andere lebt. Phillips brachte vor sechzig Jahren das legendäre Label Sun Records in Memphis, Tennessee in Schwung und machte unbekannte Jungspunde wie Elvis, Johnny Cash, Roy Orbison oder Jerry Lee Lewis zu Wegbereitern all dessen, was heutzutage unter Rock firmiert. Er starb 2003. Auf Bear Family wurden jetzt drei CD-Boxen veröffentlicht, die alles, was jemals in den Sun-Studios in Memphis vors Mikro kam und durch Verstärker gejagt wurde, enthalten. Die „Country-Box“, die „Blues-Box“ und die „Rock-Box“ sind die umfassendste Bestandsaufnahme, die es von diesem legendären Label gibt und die die Geburt des Rocks dokumentieren. Sie wurden von Weize als Projekt gestartet und von seinen Freunden in Amerika vorangetrieben – den Musikern, Journalisten und Schriftstellern Hank Davis, Colin Escott und Martin Hawkins.

RICHARD WEIZE gründete sein Label Bear Family 1975 und widmet sich seitdem unermüdlich der Wieder- und Erstveröffentlichung von verschütteten Songs aus den Genres Country, Blues, Rockabilly und Rock’n’Roll. Er ist derjenige, der das Sun-Erbe, die Anfänge des Rock’n’Roll, bis heute wie ein Gärtner zwischen Liebe und Wahnsinn hegt und pflegt. Der große Mann mit Bauch, Bart und Latzhose, der 1945 im niedersächsischen Bad Gandersheim zur Welt kam und früher mal Weinhändler war, tingelte schon Mitte der Sechziger Jahre regelmäßig in die USA, um dort in Archiven von Labels, in Privatsammlungen oder Plattenläden nach alten, meist skurrilen Aufnahmen aus den typischen Sun-Genres Country, Rockabilly und Blues zu wühlen, die kein Normalsterblicher sonst jemals suchen würde. Sein auf Klassiker und Absonderlichkeiten aus diesen Sparten spezialisiertes Label Bear Family ist stilgerecht in einem alten Bauernhof im niedersächsischen Holste-Oldendorf beheimatet.


Richard, diese drei Kompilationen gelten schon jetzt als die umfangreichste Songsammlung, die je über Sun Records veröffentlicht wurde. Wie lange habt ihr daran gearbeitet?

An jeder Box im Durchschnitt knapp 300 Stunden. Wobei vor allem die Arbeit an der Blues-Box sehr aufwändig war. Bei Country und Rock war das etwas anderes, denn Rock und Country haben bei Sun über die Jahre immer mehr Beachtung erfahren, da wurde schon früher viel recherchiert. Zum Country haben wir beispielsweise schon Anfang der 80er Jahre eine Vinyl-Retrospektive veröffentlicht. Und in dieser Zeit war die Recherche schon sehr gut.

Welche Rolle hattest du bei der Arbeit an den Boxen?

Ich war eher der Dompteur, haha. Hank Davis, Colin Escott und Martin Hawkins haben die eigentliche Arbeit gemacht.

Trotzdem wirst du zig Telefonate geführt haben, oder?

Natürlich. Es wäre auch nicht umzusetzen gewesen, wenn ich da keinen Bock drauf gehabt hätte. Es war so schon alles kompliziert genug.

Welche Probleme gab es?

Die kann man gar nicht alle benennen. Nur ein Beispiel: Wir hatten für die Linernotes kein Foto von Bonnie Turner, der ersten Ehefrau von Ike Turner, der ja später mit Tina verheiratet war. Da haben wir partout keines gefunden. Wir haben alles probiert, es war nichts aufzutreiben. Das macht einen wahnsinnig.

Machen einen bei diesem Mammutprojekt auch die Produktionskosten wahnsinnig?

Nein. Wir arbeiten bei Bear Family ja nicht gewinnorientiert. Daher können wir die Kosten gar nicht so fassen. Es ist nur so: Geld verdienen können wir mit diesen Boxen sicherlich nicht. Wir verkaufen solche Sachen – wenn wir Glück haben – allerhöchstens mit plus minus null. Hauptsache durchgewinkt und weg! Das Ding mit den Aufnahmen vor 1927 zum Beispiel wird um die 500 Euro kosten. Und einige Aufnahmen darauf werden natürlich nicht so toll sein. Es helfen uns außerdem viele Leute, wie etwa unser genialer Toningenieur Christian aus Berlin. Der arbeitet bei solchen Projekten sehr idealistisch und anspruchsvoll, ohne dass es ihm um Geld gehen würde. Das ist eine Arbeit, die würde, ohne dass ich mir dafür auf die Schulter klopfe, keiner außer Bear Family tun. Das beste Beispiel ist da sein neues Projekt: Er sucht für „Bear Family“ Aufnahmen von schwarzen Musikern und Sprechern vor 1927. Das werden das am Ende 45 CDs und 500 Seiten voller Bilder. Christian meckert auch am laufenden Band über die schlechte Qualität und sagt: Das kriege ich nicht hin. Das mache ich nicht weiter! Und am Ende der Woche ruft er mich dann an und erzählt, dass er’s doch getan hat. Wie gesagt: ohne dafür Geld zu bekommen.

Wer sollte so eine Box auch kaufen?

Das ist eben die Sache: Das werden hauptsächlich Institutionen kaufen. Kein normaler Musikhörer. Das ist eine Arbeit, die würde – ohne dass ich mir auf die Schulter klopfe – keiner außer „Bear Family“ tun.

Wie schwer ist es bei solchen Projekten mit einer solchen Fülle an Songs und Archivmaterial irgendwann zu sagen: „Schluss! Aus! Fertig! Wir könnten zwar noch weitermachen, aber irgendwann müssen wir mal einen Schlussstrich ziehen“?

Das ist sehr, sehr schwer. Ich habe da ein gutes Beispiel: Auf der Country-Box gibt es einen Künstler, der einen völlig anderen Namen hatte als den, den wir angegeben hatten. Das fiel uns aber erst auf, als die CDs und das riesige Booklet fertig waren. Die Konsequenz: Wir mussten das ganze Buch, das alphabetisch aufgebaut ist, noch mal neu sortieren – und danach auch den Seitenindex. Da freut man sich dann ganz besonders drüber ... Natürlich hätten wir in diesem Fall auch sagen können: Was soll’s, dann ist halt dieser eine Fehler drin. Aber das hätte uns zu sehr geärgert.

Warst du auch mal kurz davor, alles hinzuschmeißen?

Nein, eigentlich nicht. Die Projekte, die ich anfange, mache ich, weil sie mir Spaß machen. Dass es da schwere und leichte gibt, ist doch klar. Manchmal gibt es zu einem Thema oder einem Künstler gar kein Material, da muss man suchen und auch mal Glück haben. Zum Beispiel bei unserer Calypso-Box. Da muss ich ein wenig ausholen: Bei einer Musik-Convention in Santa Barbara schlug mir ein Experte für Weltmusik vor, doch mal was zu Calypso zu machen. Ich fragte ihn: „Worin bitteschön liegt da der Sinn für mich? Von Calypso habe ich nun überhaupt keine Ahnung!“ Er meinte aber: „Ich habe davon die meisten Platten und kann dir helfen. Du solltest zum Beispiel nur die machen, die zwischen 1938 und 1940 in Trinidad aufgenommen worden sind.“ Er sagte, das wären so um die 250 Aufnahmen. Ich ließ mir also eine Liste von ihm zusenden – und fand die Titel der Songs sehr interessant. Einer setzte sich zum Beispiel mit Hitlers Überfall auf Polen auseinander. Das war ja nun sehr politisch, das fand ich spannend. Ich recherchierte und fand heraus, dass in Trinidad damals viele Engländer und englischstämmige Menschen lebten, für die das natürlich ein Thema war. Und an diesem Punkt entschied ich mich dazu, die Calypso-Box zu machen. Aber am Ende fehlten mir zwei Aufnahmen. Die waren noch nie veröffentlicht worden, ich konnte sie nicht finden, was mich unglaublich ärgerte. Und dann spürten wir sie plötzlich in einer schottischen Privatsammlung auf, als Acetat-Platte. Das war Wahnsinn! Genauso wie die Sache mit diesem Cash-Song ...

Welchen meinst du also?

„Ring of fire“ auf Spanisch. Diesen Song hatte Johnny in Hollywood aufgenommen. Den wollten wir unbedingt rausbringen, aber es gab keine Originalaufnahmen, keine Masterbänder mehr. Wir hatten das Stück nur auf einer mexikanischen EP, die einem Freund von mir gehörte. Auch Cash selbst konnte sich nicht mehr an die Aufnahme erinnern, also sagten wir: Okay, bringen wir das eben notgedrungen als Platten-Überspielung raus. Aber dann war ich einmal bei Columbia Records in New York. Da gibt es für alle Masterbänder in Sachen Country eine Kartei. Die für Nashville, New York und Chicago ist super. Die für Hollywood ist richtig schlecht – da gab es für 10.000 Aufnahmen gerade mal 150 Karten. Und irgendwann kam ich an eine, auf der nur Cash stand – keine Nummer, nichts sonst. Aus Neugierde ließ ich mir die Aufnahme kommen – und hatte am nächsten Tag plötzlich „Ring of fire“ auf Spanisch und dazu noch „The matador“ in der Hand! Das war sensationell.

Das sind mitunter wirklich großartige Anekdoten. Was treibt dich bis heute an, solche kuriosen und mitunter völlig abseitigen Projekte zu starten?

Na ja, ich mache nur Sachen, die mich persönlich interessieren oder die historisch von Bedeutung sind. Natürlich ist das schwer, gerade heutzutage, wo die Leute ja gar nicht mehr daran interessiert sind, etwas in der Hand zu halten, und alles auf ihrem iPod haben. Aber ich habe ja mittlerweile eigentlich alles gemacht, was ich machen wollte. Alles andere geht mir am Allerwertesten vorbei. Auch diese ganzen Ehrungen wie der „Echo“: Das ist natürlich schön, aber es bringt mir ja nichts. Damals bin ich mit dem „Echo“ in der Plastiktüte zum Radiointerview gegangen und wurde schief angeschaut.

Wobei derlei Auszeichnungen ja durchaus schön sind, oder?

Ja, aber sie kommen oftmals auch aus rein kommerziellen Gründen zustande. Da fällt mir zum Beispiel die Bristol-Box ein: Das ist eine Box zur ersten Country-Session überhaupt, die 1927 in Bristol, Tennessee stattgefunden hat. Das war damals der Startschuss gewesen für diese Art von Musik. Der Punkt, an dem der Country quasi anfing. Denn: Da waren die CARTER FAMILY und Jimmie Rogers beteiligt und wurden im Anschluss daran mit Plattenverträgen ausgestattet. Diese Box haben wir 2011 in einer absoluten Klasse-Version veröffentlicht und mit allem Drum und Dran ausgestattet. Das hat es so noch nie gegeben. Und wir haben sie zum „Grammy“ in der Kategorie „Best historical album“ eingereicht. Sie hätte da einfach gewinnen müssen.

Ich rate mal: Sie hat es also nicht getan.

So ist es. Gewonnen hat Paul McCartney mit einer wiederveröffentlichten Platte von 1973, „Band On The Run“. Da war ich wirklich enttäuscht, denn das entbehrte musikhistorisch wirklich jeder Grundlage.

Und wenn doch noch mal irgendwann ein „Grammy“ hinzukommen sollte?

Dann nehme ich den gerne mit und stelle ihn neben den „Echo“. Das war’s dann aber auch.

Interessierst du dich auch für aktuelle Musik?

Es geht so. Eigentlich habe ich gar keine Zeit, gezielt nach neuer Musik zu suchen. Und zumeist interessiert es mich nicht. Dennoch kriege ich hier und da was mit, das mir gefällt. Ich habe vor einiger Zeit zufällig im Internet einen Song von einer norwegischen Band gehört, der mir gefiel. Die Band hieß KATZENJAMMER. Ich habe mir das Album gekauft, weil ich dachte: Wow, geiler Song. Und auf einmal waren alle Songs darauf geil! Oder nimm Jake Bugg, diesen jungen Engländer, den finde ich auch toll. Der macht so auf 60er/70er-Singer-Songwriter, das gefällt mir. Der schafft es, dieses Gefühl von damals aufleben zu lassen – aber mit eigenen Songs und ohne die alte Grütze von damals wieder hochzukochen. Denn dann würde ich mir immer lieber das Original anhören.

HANK DAVIS wurde in den 40er Jahren in New York geboren und entdeckte als Jugendlicher seine Liebe zur Musik des Sun-Labels. Inspiriert von Sun-Künstlern wie Elvis, Johnny Cash und Ikonen wie Pete Seeger und Hank Williams gründete er seine erste Band, THE ELECTRAS. Im Jahre 1963 – zu einer Zeit, als er an der Boston University Psychologie studierte – kamen die BLUES BROTHERS hinzu (wohlgemerkt: fast zwanzig Jahre vor Dan Aykroyd und John Belushi). Dennoch gelang Davis musikalisch trotz zahlreicher Singles und Demos, die er bei verschiedenen kleinen Labels veröffentlichte, und trotz der Tatsache, dass er bis heute Songs schreibt, nie der Durchbruch. Er machte daher seinen Master in Psychologie, wurde Schriftsteller und schrieb Bücher über seine andere große Liebe neben der Musik: Baseball. Anfang der Achtziger Jahre lernte er Richard Weize kennen, für dessen deutsches Label Bear Family der Musikfan und Sun-Experte Davis seitdem zig Veröffentlichungen betreute. Im vergangenen Jahr kam hier mit „One Way Track“ erstmals eine umfassende musikalische Retrospektive von Davis heraus, die 38 Songs aus fünf Jahrzehnten umfasst.

Hank, du warst beteiligt an der Zusammenstellung der drei Sun-CD-Boxen. Bist du zufrieden mit dem Ergebnis?

Ja. Ich bin vor allem so unheimlich glücklich über den Sound. Denn viele dieser Aufnahmen sind ja richtig alt. Davon gibt es noch nicht einmal Masterbänder, sondern nur uralte Acetat-Platten. Die sind ja zum Teil vor über einem halben Jahrhundert aufgenommen worden.

Bei hunderten Songs und seitenweise Linernotes stellt sich die Frage: Wie lange habt ihr an den Boxen gearbeitet?

Das waren letztlich zig Monate, die sich aber wie Jahrzehnte angefühlt haben. Die Songs stammen aus den Fünfzigern. Und viele wurden noch nie veröffentlicht, daher war es extrem schwer, sie alle zusammenzubekommen.

Wo habt ihr sie gesucht und gefunden?

Wir haben sie überall gesucht und eingesammelt. Die meisten Songs lagen natürlich im Sun-Archiv in Nashville. Aber das war ja nicht alles. Wir haben auch Kontakt mit Sammlern aufgenommen, die alte Platten hatten und diese mitunter in Lagerhäusern aufbewahrten. Viele Sun-Fans haben uns mit ihren Privatsammlungen geholfen. Es gab zum Beispiel Songs, die auf einer alten Single aus den Niederlanden waren. Andere wiederum fanden wir auf einer kanadischen CD – eben überall auf der Welt. Und jetzt war es endlich an der Zeit, sie an einem Ort zusammenzutragen und die Geschichte richtig zu erzählen. Colin Escott, Martin Hawkins und ich haben entsprechend sehr eng zusammengearbeitet und abertausende von Mails hin- und hergeschickt. Jeder von uns wollte, dass diese ganze Sache absolut richtig gemacht wird. Da waren wir penibel. Und auch wenn ich es hasse, mich selbst zu loben: Es ist nie etwas Besseres zu diesem Thema veröffentlicht worden. Sähe ich die Boxen draußen im Laden, würde ich sie ohne zu zögern kaufen. Da wäre es mir egal, ob ich die folgende Woche abends etwas zum Essen auf dem Tisch hätte oder nicht. Es ist ein perfekter Blick auf das, was Sun in den Fünfzigern gewesen ist, wofür Sun stand und steht. Es ist wie ein historischer Augenblick, der eingefangen wurde.

Du musst es als Musiker und Musikjournalist wissen: Gab es wirklich nie eine vergleichbare Veröffentlichung über die Sun-Historie?

Nein. Nichts von dem, was mal rauskam, ist mehr aktuell und auf dem Stand der Forschung von heute. Das lässt sich nicht vergleichen.

Hast du je die Songs gezählt, die du während der Arbeit an den Boxen gehört hast?

Oje! Das sind ja allein bei der „Country-Box“ schon über 200. Lass es mich so sagen: Colin, Martin und ich haben hunderte von Stunden damit verbracht, Musik zu hören. Das ging so weit, dass unsere Familien uns schon kaum mehr gesehen haben. Wir waren quasi „missing in action“ und haben mehr miteinander gesprochen als mit unseren Frauen und Kindern. Wenn du mir heute irgendeinen Sun-Song vorspielen würdest und vorher nur eine Note im Solo geändert hättest – ich würde es merken. Ich hatte die Musik nachts im Kopf, beim Aufwachen und den ganzen Tag über. Ich habe zur Ehefrau des mittlerweile verstorbenen Sängers Mack Self gesagt: „Mrs. Self, ich habe das Gefühl, dass ich jahrelang mit ihrem Ehemann geschlafen habe!“ Sie hat darüber gelacht. Aber letztlich stimmte das irgendwie.

Wann begann für dich die Liebe zu Sun Records?

Als ich ein Teenager war, hat die Musik von Sun die totale Kontrolle über meinen Körper übernommen. Ich habe Sun-Musik geatmet. Das war so wie in diesen Alien-Filmen, in denen die Außerirdischen die menschlichen Körper übernehmen. Also kaufte ich mir irgendwann eine Gitarre und spielte Elvis und Cash nach und hing mit immer mehr Jungs ab, die Musik machten – und irgendwann haben wir eine Band gegründet. Wir wollten klingen wie die Sun-Stars. Wohlgemerkt: Das war in New York – und damals hat zu dieser Zeit in New York kaum jemand eine Ahnung von Sun gehabt. Wir haben Demos aufgenommen, haben sie an die Labels in der Stadt geschickt, aber keiner hat uns für voll genommen. Die haben uns alle für verrückt erklärt. Und genau aus diesem Grund fühlen sich diese Boxen jetzt ein bisschen so an, als erntete ich endlich die Früchte der Mühen, die ich schon damals auf mich genommen habe.

Könnte heutzutage – ein halbes Jahrhundert später – irgendein Label einen ähnlichen Status wie Sun erreichen?

Das ist eine sehr interessante Frage. Ich denke, darauf gibt es zwei Antworten. Erstens: es gibt eine Menge junger Leute, die diese Musik spielen, aber sie haben kein Label. Sie machen es unabhängig. Und sie brauchen letztlich auch gar kein Label, um ihre Musik unter die Leute zu bringen – so wie wir es damals noch zwingend benötigten. Sie stellen ihre Songs ins Internet und umgehen damit jeden Label-Gedanken. Und zweitens – und das dürfte dich überraschen: Ich denke, Richard Weize und Bear Family sind heutzutage das, was früher Sam Phillips und Sun waren. Richard weiß, dass er mit dieser Musik eigentlich Verluste einfährt. Aber er bringt trotzdem die obskursten Platten raus – und zwar, weil er ein Historiker ist, weil er die Musik liebt und lebt. Das Geld kümmert ihn nicht. Und genauso war Sam Phillips auch.

Was dachtest du, als du Richard Weize zum ersten Mal getroffen hast?

Richard und ich arbeiten jetzt seit fast dreißig Jahren zusammen und am Anfang habe ich nicht gewusst, was ich von ihm halten soll. Dann aber habe ich ihn schnell bewundert und wir wurden gute Freude. Ich fragte ihn zum Beispiel mal: „Richard, ich fahre runter nach Nashville zu Sun, um Songs von Frankie Miller für eine Platte zu suchen – bist du dabei?“ Und er sagte nur: „Ja, alles klar, mach’ mal.“ Kein Mensch verdient Geld mit Frankie-Miller-Platten. Oder mit Gospel-Compilations. Das ist zwar völlig abwegig, aber eine einzigartige Grundeinstellung.