ZATOKREV

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Verzweiflung ist ein Meister aus der Schweiz

Die Schweizer ZATOKREV tummeln sich seit Jahren irgendwo im weiten Feld von Sludge und Post-Irgendwas. Nach längerer Funkstille meldet sich die Band jetzt – bis auf Frederyk Rotter (Gitarre und Gesang) neu besetzt – zurück mit dem eingängig betitelten Album „The Bat, The Wheel And The Long Road To Nowhere“, das sowohl als CD wie auch als limitierte Doppel-LP über Pelagic Records veröffentlicht wurde. Sechs Jahre ist das letzte Interview her, also mal wieder Zeit, nach dem Stand der Dinge zu fragen.

Wichtigste Frage zuerst: Wo lässt ein Schweizer sein Schwarzgeld?

Was soll ich dazu sagen? Wenn ich Geld habe, investiere ich es sofort in ZATOKREV.

Wann und wie bist du als Tscheche überhaupt in die Schweiz gekommen?

Ich bin in der Schweiz geboren. Meine Eltern kamen 1968 nach dem Zerschmettern des Prager Frühlings als Flüchtlinge in die Schweiz.

Du hast ja eurer neues Album mit komplett anderen Musikern eingespielt. Wieso?

Marco und Silvio entwickelten andere Prioritäten, während ich mehr mit ZATOKREV machen wollte. Deshalb haben sie die Band verlassen. Wir sind aber immer noch dicke Kumpels und beide helfen ab und zu auch bei ZATOKREV aus.

Was hat es mit dem Albumtitel „The Bat, The Wheel And A Long Road To Nowhere“ auf sich, der sich ja aus Titeln einzelner Songs zusammensetzt? Hätte es nicht auch „9 Rodeos With Snakes And Bats“ sein können?

Ich hatte schon vor sechs Jahren die Idee, das Album so zu nennen, noch bevor Songtitel existierten. Es sind Metaphern. Kurz und oberflächlich erklärt, steht die Fledermaus für eine Art innere Stimme, das Rad stellt einen Teufelskreis dar und der lange Weg ins Nirgendwo ist der Weg, den dir der Teufelskreis bahnt. Außerdem war die Entstehung des Albums ein unglaublich langer, intensiver und sogar kafkaesker Prozess. Der Name des Album passt also wie die Faust aufs Auge.

Wenn ich eure Musik als eine Mischung aus NEUROSIS und THE ATLAS MOTH beschreiben würde, könntest du damit leben?

Ich kenne THE ATLAS MOTH nicht. Aber es ist definitiv kein Geheimnis, dass NEUROSIS uns inspiriert haben. Wir werden von vielen verschiedenen Stilrichtungen beeinflusst. Da sind Elemente aus Black Metal, Psychedelic Rock, Stoner, Post-Hardcore, Doom, Death, Industrial, Drone, Ambient ... aber wir haben bezüglich unseres Sounds schon vieles gehört. Normalerweise legt die Presse ja die Kategorie einer Band fest, es ist Teil ihres Jobs, den Stil einer Bands zu beschreiben. Als wir mit ZATOKREV angefangen haben, hat uns die Welt mit CULT OF LUNA verglichen, obwohl wir zu der Zeit vorher noch nie was von denen gehört hatten. Wir hörten von Death Metal, Industrial, Hardcore über CROWBAR, EYEHATEGOD, NEUROSIS bis hin zu Oldschool HipHop oder Country alles. Uns war nur klar, dass unser Sound schleppend und verzerrt sein musste.

Zu eurem aktuellen Album schrieb ich auf der Suche nach einer griffigen Beschreibung: „Der Tod mag ein Meister aus Deutschland sein, die Verzweiflung ist aber seine Gesellin aus der Schweiz, die in ZATOKREV ihr Sprachrohr gefunden hat.“ Was denkst du als Musiker über so eine Aussage?

„Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“ stammt aus der „Todesfuge“ von Paul Celan, oder? Ein Gedicht, das die Judenvernichtung im Zweiten Weltkrieg thematisiert. Als Musiker denke ich, dass das nicht viel mit unserer Musik zu tun hat, weil wir weder politische noch historische Themen aufgreifen. Ich schreibe anhand von persönlichen Erlebnissen in meinem nahen Umfeld eine eigene Historie.

Wie wichtig ist dir generell die Meinung anderer über deine Musik?

Es wäre gelogen, zu sagen, dass mich die Meinung anderer über unsere Musik nicht interessieren würde. Ich bin ein sensibler Mensch und Aussagen über mein Schaffen lassen mich nicht kalt. Ich versuche aber, mich davon nicht beeinflussen zu lassen. Wenn du eine extreme Art Musik spielst, bist du es auch gewohnt, dass es viele Leute gibt, die damit nichts anfangen können. Am wichtigsten ist mir aber die Meinung meiner Mitmusiker zu meinen Songideen.

Eure Texte sind ja nur auf eurer Internetseite einzusehen, dafür habt ihr das Booklet für gemäldeartiges Artwork genutzt. Wie wichtig ist euch der visuelle Aspekt bei eurer Musik? Das sehr lange Video zu „Goddamn lights“ ist ja eine gefakete Live-Aufnahme ohne Geschichte dazu.

Wir wollten ursprünglich die Texte abdrucken, aber das Budget reichte nicht aus, das Booklet so herzustellen, wie wir es vorhatten. Marcel Szerdahelyi hat vier Monate damit verbracht, das Artwork zu zeichnen und zu gestalten. Ich habe ihm meine Vision, Idee und Thema vorgegeben und er konnte das ausgesprochen gut umsetzen. Es wäre ein Jammer gewesen, auf eine seiner Zeichnungen zu verzichten. Der Clip zu „Goddamn lights“ war die Idee eines Freundes. Er machte diverse Aufnahmen und wir haben uns einfach für die besten Bilder entschieden. Der Clip ist sehr an die Neunziger angelehnt, woher auch viele unserer Einflüsse stammen und erlangt seine Symbolik durch Farben und verschiedenste Elemente, die eben trotzdem eine Geschichte erzählen.

Was ist mit deinem Label Czar Of Crickets und deinem Projekt FLÄDERMUUS –sind sie noch aktiv, gibt es konkrete Pläne?

Mein Label nutze ich zur Zeit, um befreundete, talentierte und hauptsächlich regionale Bands zu unterstützen. Mit FLÄDERMUUS haben wir nie wieder was gemacht. Es scheint aber, dass ich in naher Zukunft mit meinen früheren Bandkollegen ein neues Nebenprojekt starte. Ich habe auch vor, mich bald wieder um mein akustisches Soloprojekt zu kümmern. Wir arbeiten außerdem an zwei neuen Alben für ZATOKREV. Das hat zur Zeit noch Vorrang.

Gleich zwei Alben?

Wir sind zur Zeit unglaublich kreativ und haben tonnenweise Ideen. Aber wir wollen nicht noch ein 75-Minuten-Album machen. Bei „The Bat ...“ hat es gepasst, ein endloses tonnenschweres Album abzuliefern, da der Entstehungsprozess sich so anfühlte. Von den Themen her deutet jetzt alles darauf hin, dass es zwei Alben sein sollen. Konzept und die Titel der Alben stehen bereits fest. Wir haben unseren Stil weiterentwickelt, und so wie es scheint, werden die beiden nächsten Alben viele Veränderungen in Dynamik und Songwriting vorweisen.

Im damaligen Interview erzähltest du, dass du bei einer Grillenzucht arbeitest. Wozu in alles in der Welt werden Grillen gezüchtet?

Als meine Eltern in die Schweiz kamen, wollte sich mein Vater selbstständig machen. Er besitzt großes Wissen über Tiere und war früher sogar Direktor im Prager Zoo. Er hatte mit der Zucht und dem Verkauf von Grillen an Zoos, Tierhandlungen und private Tierhalter eine Marktlücke in Europa entdeckt. Grillen dienen als lebendes Tierfutter für Reptilien. Grillen sind nahrhaft und die Tiere, die Grillen verspeisen, können ihrem natürlichen Jagdtrieb nachgehen. Die Firma gibt es inzwischen aber nicht mehr.