CABARET VOLTAIRE

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Richard H. Kirk, der Vater des Industrial

Industrial ist seit Anfang/Mitte der Neunziger ein Genrebegriff, der sich deutlich von seinen Ursprüngen im England der Siebziger gelöst hat. Damals fingen Rockbands an, mit dominanter Rhythmik und nach Maschinenlärm klingenden Samples ihren Sound in meist recht pompöser Weise und Hang zum Bombast aufzuhübschen, schnell wurde das als „Industrial Metal“ oder auch nur als Industrial bezeichnet. Etwas in Vergessenheit geriet über diese Begriffsaneignung der künstlerisch wesentlich komplexere Ansatz, den die ihrerseits auch schon von anderen Bands geprägten britischen Hauptprotagonisten THROBBING GRISTLE und CABARET VOLTAIRE verfolgten und der mit dem Bombast-Klamauk von RAMMSTEIN so viel gemeinsam hat wie EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN mit dem süßlichen Schlagerkitsch der Neuen Deutschen Welle.

Stephen Mallinder, Richard H. Kirk und Chris Watson gründeten CABARET VOLTAIRE 1973 im mittelenglischen, seit dem Beginn der Industrialisierung von der Stahlindustrie geprägten Sheffield und widmeten sich in den ersten Jahren experimenteller, von Dadaismus beeinflusster Performance Art, und erst mit dem Aufkommen von Punk wurde ihre Musik, sofern das in diesem Kontext überhaupt eine angemessene Beschreibung ist, etwas zugänglicher. Mit „Mix-Up (1979), „The Voice Of America“ (1980), „No. 3“ und „Red Mecca“ (1981) veröffentlichten sie vier klassische Alben, und mit der 1979 auf Mute erschienen „Nag Nag Nag“-7“ sogar eine Hit-Single, die bis heute in keinem Punk/Wave-DJ-Set fehlen darf. Ende 1982 wandten sich CABARET VOLTAIRE bewusst von den harschen Sounds ihrer Frühphase ab, begannen kommerzielleren, zugänglicheren Pop zu spielen, was auf „The Crackdown“ (1983) erstmals dokumentiert wurde. Bis zum (inoffiziellen) Ende der Band 1994 erschienen diverse weitere Alben, und angesichts einer Rerelease-Offensive von Mute Records gab es nun die Gelegenheit, den inzwischen 57-jährigen Richard H. Kirk zu damaligen und heutigen Aktivitäten zu befragen.

Richard, kannst du dich erinnern, wie und wann du Geräusche und das Erzeugen von Geräuschen für dich entdeckt hast?


Das war 1973, also vor genau vierzig Jahren. Ich hatte damals gerade Chris Watson getroffen, und dann stieß Stephen Mallinder zu uns und wir fingen an, Klangexperimente zu machen, in einem sehr einfachen Studio – mit sehr wenig Equipment, aber umso mehr Enthusiasmus. Wir hatten ein Vierspurbandgerät, ein Akai 4000 DS, das Chris mitbrachte, und da konnte man zwischen den Spuren hin und her springen, also simple Overdubs produzieren. Ich kaufte mir eine Klarinette und erzeugte damit eine Menge Soundeffekte mittels Delays und so weiter, und Chris hatte sich auf eine Zeitschriftenannonce hin einen Bausatz für einen Synthesizer bestellt. Das war unsere erste Ausrüstung, wir hatten nicht viel. Ich war damals gerade 17, ich ging noch zur Schule.

Was hat dein eher seltsames musikalisches Interesse begründet? Andere in dem Alter wollen Gitarre oder Schlagzeug spielen und Rock’n’Roll machen.

Also zur Gitarre habe ich erst Jahre später gegriffen, 1975 oder so. Wir konnten eigentlich gar kein Instrument spielen damals, wir haben einfach was aufgenommen, an den Bandaufnahmen herumgespielt und Stimmen und Instrumente durch den Synthesizer gejagt. Mitte der Siebziger besuchte ich dann die Kunsthochschule, und ein Kommilitone verkaufte mir für £3.50 eine Gitarre. Mallinder kaufte sich parallel einen Bass, Chris erstand eine billige Elektro-Orgel, und wir hatten da gerade ein paar frühe Punk-Sachen gehört und wir wollten was von deren Energie aufgreifen. Es war wohl 1976, als wir das erste Album von SUICIDE in die Finger bekamen, es war und ist großartig. Wir hatten 1976 die SEX PISTOLS gesehen, als sie nach Sheffield kamen – bei dem Konzert waren weniger als hundert Leute. THE CLASH spielten auch in Sheffield, und wenn ich mich recht erinnere, war das genau an dem Tag, als sie sich in THE CLASH umbenannt hatten und anfingen, mit Keith Levine zu arbeiten, der später zu PUBLIC IMAGE LTD. wechselte. Das waren einzigartige Erlebnisse, auch die Konzerte von SIOUXSIE AND THE BANSHEES und WIRE. Wir wollten die Energie dieser Bands aufgreifen, dabei aber futuristischer klingen, indem wir Elektronik einsetzen.

In meiner Jugend hatte ich Freunde, die Elektronikbastler waren, mit Bausätzen aus dem Versandhandel nutzlose Geräte in Plastikdosen bauten und die sich nicht für Mädchen interessierten.Wart ihr solche Nerds?

Also hinter den Mädels waren wir schon her, haha. Wir trafen uns ein paar Mal die Woche in Chris’ Wohnung, anfangs waren da noch ein paar andere dabei als wir drei, aber die verloren bald das Interesse und wir drei blieben übrig. 1975 spielten wir dann unser erstes Live-Konzert, das war chaotischer Punk, alles geriet außer Kontrolle, es gab Prügeleien. Und für uns war es ein Zeichen, dass wir irgendwie auf der richtigen Spur waren, dass wir mit unserem Tun Reaktionen provozieren konnten. Wir interessierten uns aber auch für Kunst, für Filme, für Literatur, für Dada. Und daher hatten wir ja auch unseren Namen, denn das Cabaret Voltaire war ein Club in Zürich, in dem sich 1916/17 die ersten Dadaisten trafen. Wir dachten uns, es sei ein dadaistischer Akt, den Namen einfach zu klauen, hahaha.

Wie ging es mit eurem Flirt mit der Punk-Szene weiter? Schon bald war ja festgeschrieben, wie Punk zu klingen hat.

Als Punk bekannter wurde, mochten uns viele Punks nicht. Wir hatten es geschafft, in London im Lyceum im Vorprogramm der BUZZCOCKS auftreten zu können. Der Saal war prall gefüllt mit 2.000 verrückten Punkrockern und die bespuckten uns während unseres Auftritts, warfen Gegenstände auf die Bühne – die mochten uns nicht. Uns ging es da genauso wie SUICIDE im Vorprogramm von THE CLASH. Punk wurde recht schnell zu einer konservativen Bewegung. In Sheffield hatte man lange Zeit keine Chance, als Nicht-Punkband einen Auftritt zu bekommen, Punk entwickelte sich rückwärts, und es dauerte eine ganze Weile, bis die Leute anfingen, uns zu akzeptieren, bis sie sich an uns gewöhnten.

Wie sah euer Publikum damals aus?

Ganz gemischt: da fanden sich langhaarige Hippies, aber auch Punks und einfach nur Leute, die unseren Musikgeschmack teilten, sich für experimentelle deutsche Musik interessierten – Stichwort Krautrock – und US-Bands wie RESIDENTS und CHROME hörten. Es gab also schon Menschen, die sich für die gleiche Musik interessierten wie wir, aber nur wenige setzen dieses Interesse auch aktiv in eigene Musik um. Nach und nach wurden wir bekannter und beliebter, und wir wurden nicht mehr bespuckt und beworfen.

Wie wart ihr auf diese „seelenverwandten“ Bands gestoßen?

Über die Musikmagazine, über Leute wie Brian Eno von ROXY MUSIC, der immer wieder sagte, jeder könne Musik machen, man müsse dazu kein Musiker sein. Es tat gut, jemanden das sagen zu hören, denn damals, als wir unsere ersten Gehversuche machten, war Progressive Rock allgegenwärtig, wurde gespielt von klassisch ausgebildeten Musikern, die Keyboard, Gitarre und so weiter perfekt beherrschten. In gewisser Weise waren wir eine Antwort auf all diese Bands, und das war ein glückliches Zusammentreffen mit Punk. Punk wendete sich ja auch gegen all die „Dinosaurier-Bands“.

Wie lange dauerte es, bis das, was ihr da gemacht habt, mit einem Label versehen wurde?

Wir haben uns nie selbst irgendwo eingeordnet, behaupteten in unseren frühen Tagen immer nur, wir würden „experimentelle Popmusik“ spielen, obwohl da, glaube ich, kaum Popmusik im Spiel war, haha. Dann hieß es plötzlich, wir seien „Post-Punk“, und aus unserer Freundschaft mit THROBBING GRISTLE, mit denen wir zusammen Konzerte gespielt hatten, entwickelte sich eine lose Bewegung, die verschiedene neue Ideen ausprobierte.

... und die hieß dann irgendwann „Industrial“.

Das ist ein Begriff, den wir nie verwendet haben. THROBBING GRISTLE beschrieben ihre Musik mal als „industrial music for industrial people“. Sheffield war in den Siebzigern ja noch eine Industriestadt, und irgendwie wurden unsere Musik dann auch als „industrial music“ bezeichnet. Aber wir haben uns das nicht ausgesucht.

Dennoch werdet ihr heute gemeinhin als Pioniere dieses Genres angesehen. Stört dich das?

Es ist okay, es stört mich nicht weiter. Die Leute sagen das eben so, ich mache mir da keinen Kopf drüber. Abgesehen davon gingen wir musikalisch ja weit darüber hinaus, waren später viel mehr an Dance Music interessiert, an Musik, die in einem Club gut klingt.

Und du hast endlich das Versprechen eingelöst, Popmusik zu machen.

Vielleicht, wenn auch etwas andere Popmusik, denn wir haben uns textlich ja weiterhin mit eher ungewöhnlichen Themen beschäftigt und nicht einfach Liebeslieder gesungen. Wir hatten uns schon früh für das Werk von William S. Burroughs zu interessieren begonnen. Der schrieb über die Kontrolle, die die Gesellschaft über Menschen ausübt, über Korruption, über die Manipulationsversuche der Regierungen, über die Lügen, die sie den Menschen erzählen. Außerdem entwickelte er die literarische Technik des Cut-up, bei der man einen Text zerschneidet und neu arrangiert. Wir wendeten diese Cut-up-Technik auf unsere Musik an – indem wir Bänder auseinander schnitten und neu zusammenklebten – und auch auf unsere Texte. Burroughs begründete seine Technik damit, dass er sagte, die Schriftstellerei hinke der Malerei fünfzig Jahre hinterher. Wir dachten uns, wir probieren diese Technik einfach mal bei unserer Musik aus. Außerdem arbeiteten wir mit Filmausschnitten aus B-Movies, projizierten die hinter uns auf die Bühne, arbeiteten Tonpassagen aus Nachrichten in unsere Musik ein. Aber auch VELVET UNDERGROUND beeinflussten uns, die mit psychedelischen Projektionen und Lichteffekten arbeiteten. Wir fanden, das passt auch perfekt zu unserer Musik. Unser Ziel war, bei unseren Konzerten eine Atmosphäre zu schaffen, die es den Leuten erlaubte, sich in unserer Musik zu verlieren.

Wie bist du damals auf Burroughs gestoßen? Er ist die Art von Autor, auf die man als „angry young man“ stößt.

David Bowie hatte den Namen in einem Interview verwendet, und so bestellte ich mir sein Buch „Naked Lunch“ per Mailorder in den USA – in englischen Buchhandlungen wurde so was nicht verkauft. Drei Wochen später traf es ein, und es war für mich eine Offenbarung. Mir war schnell klar, dass es die Art von Buch ist, die man vor seinen Eltern besser versteckt, hahaha. Da stand so viel Seltsames und Verwirrendes drin, gleichzeitig empfand ich es als sehr inspirierend – und daran hat sich bis heute nichts geändert.

Hattest du mal die Chance, Burroughs persönlich zu treffen?

Ja, drei Mal. Ich traf ihn 1979 in Brüssel, als wir dort zusammen mit JOY DIVISION spielten. Ich stellte mich ihm als Freund von Genesis P Orridge vor, denn ich wusste, dass Gen von THROBBING GRISTLE mit ihm bekannt ist. Er war damals schon recht alt, Mitte sechzig, und wir machten dann später eine Performance in London zusammen mit THE FINAL ACADEMY, bei der Burroughs aus seinen Romanen las. Es gab da ein Abendessen mit ihm für verschiedene Künstler, unter anderem waren da auch PSYCHIC TV dabei. Mitte der Achtziger traf ich Burroughs dann noch einmal in New York, es gab eine Fotosession. Ich weiß allerdings, dass er laute Musik nicht mochte, auf unseren Konzerten hätte er sich wohl nicht wohlgefühlt. Er war einfach schon ziemlich alt.

Ab 1982 habt ihr euren Musikstil radikal geändert – mit Ankündigung. Gab es einen konkreten Grund dafür?

Verschiedene: Chris, mit dem zusammen ich die Band gegründet hatte, beschloss, die Band zu verlassen, und Stephen und ich hatten keine Lust, einfach nur zu wiederholen, was wir bis dahin gemacht hatten. Zudem wurden wir ja schon von zig anderen Bands kopiert, es war nichts Besonderes mehr, wir verspürten den Druck, etwas Neues zu machen. Wir bekamen dann das Angebot, in einem richtig teuren Studio aufzunehmen, zusammen mit Stevo Pearce vom Some Bizarre-Label, der das Geld dafür auftreiben wollte. Seine Bedingung war allerdings, dass wir keine so starken Effekte auf dieStimme legen sollten und den Gesang insgesamt etwas lauter machen sollten. Für uns war das akzeptabel, wir wollten uns weiterentwickeln. Wir hatten in Sachen richtig harter, experimenteller Musik alles gemacht, was es auszuprobieren gab, und das einfach zu wiederholen stand außer Frage. Der einzige Weg raus aus dieser Falle schien uns Musik für den Dancefloor zu sein. Wir waren von unserer bisherigen Musik gelangweilt, und wir dachten uns, dass es den Menschen da draußen sicher auch so gehen würde. Und wir waren dann wohl einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort.

Man kann wohl insgesamt die Bands in zwei Kategorien einteilen: jene, die einfach immer das gleiche machen, und die anderen, die sich periodisch neu erfinden. UK SUBS auf der einen Seite beispielsweise, und WIRE auf der anderen.

Ich bin WIRE-Fan und ich kenne die schon ewig – und die sind heute immer noch gut und innovativ, absolut auf der Höhe der Zeit, gleichzeitig aber haben sie sich den Spirit ihrer frühen Aufnahmen bewahrt. Ich finde es großartig, wenn Künstler dazu in der Lage sind.

Nach 21 Jahren wurde das Kapitel CABARET VOLTAIRE dann 1994 endgültig beendet, und seitdem bist du im Bereich Techno/Dance Music unter ständig neuen, anderen Namen solo aktiv, etwa Al Jabr, Biochemical Dread, Cold Warrior, Dark Magus, Dr. Xavier, Frightgod, King Of Kings, Nine Miles Dub, Papadoctrine, The Revolutionary Army, Ubermenschlich, Ubu Rahmen oder Vasco de Mento. Hast du noch den Überblick?

Haha, manchmal vergesse ich tatsächlich, unter was für einem Namen ich schon mal was gemacht habe. Mir macht das Spaß, ich nutze Pseudonyme, wie es Schriftsteller auch tun, wenn sie mal etwas ausprobieren wollen, was nicht dem Stil entspricht, für den man sie kennt.

Was begeistert dich heutzutage am Musikmachen, am Produzieren von Noise und Sounds?

Das, was mich schon immer am Musikmachen gereizt hat: etwas zu produzieren, das mir Spaß macht, das interessant ist und das hoffentlich auch ein paar anderen Leuten gefällt. Ich arbeite heutzutage nicht nur am Computer, ich schreibe Songs auch auf der Gitarre, was ich lange nicht mehr gemacht hatte. Ich nutze noch alte Computer und Programme, mit denen ich schon 1989 gearbeitet habe. Der eine ist ein Atari 1040 ST mit entsprechenden Midi-Geräten und analogen Synthesizern. Ich arbeite gerne mit C-Lab, einem alten Sequencer-Programm für den Atari, mit Samples und Loops. Alternativ habe ich noch einen zehn Jahre alten Apple G4, auf dem Pro Tools läuft, mit jeder Menge Plug-ins. Das sind zwei verschiedene Arten zu arbeiten, ich wechsle ständig hin und her. Ich arbeite seit einigen Jahren alleine, wie ein Maler, Kollaborationen sind nicht so mein Ding, vom Remixen der Songs anderer Künstler mal abgesehen: jemand schickt mir seine Audiodateien, ich nehme sie auseinander und setze sie neu zusammen. Ich glaube, ich war seit 1995 nicht mehr mit jemand anderem zusammen im Studio.

Klingt beinahe, als wärest du ein Einsiedler geworden.

Ich weiß. Ich arbeite ja zudem von zu Hause aus, da läuft man schon Gefahr, sich zurückzuziehen, und von meiner Frau mal abgesehen sehe ich oft lange keine anderen Menschen. Ich bin nicht mehr jung, ich gehe nicht mehr einfach so zum Spaß in Clubs, nur ab und zu mal auf ein Konzert – oder wenn ich selbst für ein DJ-Set gebucht bin oder live auftrete. Ich lebe immer noch beziehungsweise wieder in Sheffield, bin früher viel gereist, habe auch mal in Chicago gelebt. In Sheffield kann man gut leben, es ist viel billiger als London. Es ist okay hier, nur die Winter nerven mich jedes Jahr mehr, sie scheinen immer kälter zu werden ... Früher hat mir das nichts ausgemacht, heute würde ich den Winter über gerne wo leben, wo es wärmer ist. Die Kälte kriecht einem einfach mehr in die Knochen, wenn man älter ist.

Auf Mute Records werden dieser Tage diverse CABARET VOLTAIRE-Werke in verschiedener Form neu aufgelegt, die Vergangenheit lässt dich nicht los. Was steht dahinter – und nervt es dich, immer wieder von ihr eingeholt zu werden?

Manchmal ist es langweilig, aber es nervt mich nicht wirklich. Kürzlich sind die Rechte an den Aufnahmen aus den Jahren 1983 bis 1985 von Virgin an uns zurückgefallen. Ich habe mich entschlossen, Mute Records mit der Neuauflage zu beauftragen, damit die Platten alle wieder auf LP und CD erhältlich sind. Wenn sich jemand heute noch für diese Musik interessiert, sollte er die Chance haben, die Sachen nicht nur als Download zu bekommen. Von CD oder Vinyl klingt das einfach besser. Ich wollte das jetzt erledigen, damit ich mich wieder neuen Projekten widmen kann.

Wie sieht es mit einem Auftritt unter dem Namen CABARET VOLTAIRE aus – und was hältst du von Reunions?

Ich halte nicht viel davon, abgesehen davon, dass CABARET VOLTAIRE letztlich nur noch aus mir bestehen und genau genommen immer noch existieren. Es wird tatsächlich neue Aufnahmen unter dem Namen CABARET VOLTAIRE geben und höchstwahrscheinlich auch Auftritte. Eine Reunion ist das also nicht, und ich werde auch keine Songs von den alten Alben spielen, sondern nur neue Songs. Die alten Sachen aufzuführen interessiert mich nicht. Es gibt reichlich Dokumente der damaligen Auftritte, wer sich dafür interessiert, soll sich das anhören oder anschauen. Ich werde also nicht die beiden anderen zurückholen, um die alten Sachen zu spielen, es wäre ja sowieso nicht so wie damals. Wir waren damals jung, es war die Musik von jungen Menschen, und wir sind heute nicht mehr jung. Egal, wie viel Geld mir jemand bieten würde, die Antwort würde nein lauten.

Nostalgie ist ein Gift ...

Seit einiger Zeit schon müssen wir die Achtziger ein zweites Mal erleben, und ich finde das schlimm. Es wird Zeit, dass das vorüber geht. All diese Bands sehen zu müssen, die sich damals aufgelöst haben, weil sie nicht mehr untereinander klargekommen sind, die ein paar Konzerte spielen und sich dann wieder nicht mehr leiden können, das ist doch unschön. So was will ich nicht erleben müssen. Ich bin immer noch mit Chris und gelegentlich mit Stephen in Kontakt, aber die Idee, nach all den Jahren wieder zusammen Musik zu machen, hat nichts mit der ursprünglichen Idee von CABARET VOLTAIRE zu tun. Es ging uns immer um Weiterentwicklung, um die Zukunft – und nicht die Vergangenheit.

Was können wir in der Zukunft von dir erwarten?

Ich arbeite derzeit an einem neuen Album unter meinem Namen, das Anfang nächsten Jahres erscheinen wird – eine Mischung aus gitarrenbasierter Musik, aber auch Elektronisches. Das wird auf meinem eigenen Label Intone Productions erscheinen, das ich jüngst wiederbelebt habe, nachdem ich die letzten Jahre Musik nur über iTunes als Downloads veröffentlicht hatte. Ich werde jetzt wieder CDs und Vinyl veröffentlichen.