RAMONE TO THE BONE

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Der Pop-Punk-Blog: Gehasst und geliebt

Am deutschen Blog „Ramone To The Bone“ (RTTB), einem weltweit beachteten Spezialisten für Ramonescore und Oldschool Pop-Punk, scheiden sich die Geister. Pop-Punk-Fans haben hier die Möglichkeit, auf viele noch unbekannte Bands aufmerksam zu werden, neue Lieblingsbands für sich zu entdecken und längst vergriffene Raritäten von etablierten Pop-Punk-Bands zu hören. Bands haben die Möglichkeit, sich vorzustellen und neue Fans zu gewinnen, die dann zu den Konzerten der Bands kommen oder ihre Alben kaufen. Seit der Einführung des Blogs im April 2010 hat es aber andererseits auch immer wieder Bands und Labels gegeben, die in RTTB den Antichristen witterten, der den Bands das Geschäft vermiest und mit illegalen Downloads ganz allein für den Niedergang der Tonträgerbranche verantwortlich ist. Wo liegt also die Wahrheit: zeitgemäße Werbeplattform für Pop-Punk-Bands oder illegaler Selbstbedienungsladen für zahlungsunwillige Schnorrer und somit Damoklesschwert für Bands und Labels? Marc Ramone, einer der beiden Köpfe, die hinter RTTB stecken, stand gerne bereit, von der Geschichte des Blogs, vom inzwischen geänderten Konzept sowie Lobpreisungen und Anfeindungen zu berichten.

Wie und wann bist du mit dem RAMONES-Virus infiziert worden?


Mein echter Nachname klingt ganz ähnlich wie Ramone. Auf einem Konzert, ich war 13, hat mich dann einer angesprochen, ob ich tatsächlich Ramone heiße. Meine Eltern hatten in ihrer riesigen Plattensammlung auch drei RAMONES-Alben, die musste ich dann natürlich sofort hören und war gleich infiziert. Meine Eltern wussten übrigens gar nicht, wo sie die RAMONES-Scheiben herhatten.

Und wie ist es dann zu dem Namen „Ramone To The Bone“ gekommen?

Ich war früher in zahlreichen Blogs als Knochenfabrikant beziehungsweise Knochen unterwegs und dann fanden wir es ganz witzig, unseren Blog „Ramone To The Bone“ zu nennen.

Wie ging es mit dem Blog los?

Der Blog wurde offiziell am 1. April 2010 an den Start gebracht. Wenn es in die Hose gegangen wäre, hätten wir hinterher sagen können, dass es sich um einen Aprilscherz gehandelt hat. Hinter RTTB stecken zwei Personen, Sin und ich. RTTB entstand aus einer Bierlaune heraus. Pop Punk ist hierzulandeja eigentlich nicht so populär. Deshalb sind wir davon ausgegangen, dass es sich um ein kleines Projekt mit kurzer Lebensdauer handelt, das eh keinen interessieren wird. Wir haben das alles total unterschätzt, als wir die ersten Songs hochgeladen haben, damals noch illegal. Wir haben gedacht, was soll’s, wir sind so klein, keiner kennt uns und deshalb werden wir niemanden schädigen.

Und wie ging es dann weiter?

Nach ungefähr drei Monaten ist die ganze Sache dann explodiert. Es begann damit, dass wir begonnen haben, neue Platten aus den USA hochzuladen. Plötzlich hatten wir jeden Tag mindestens tausend Besucher auf dem Blog. Bands, von denen wir das nie erwartet hätten, nahmen Kontakt mit uns auf, dass sie auch auf dem Blog mit dabei sein wollten. Dann gab es den ersten größeren Ärger, als wir von einzelnen Bands auch Demotapes auf dem Blog eingestellt hatten. Dann kamen wir noch in eine Grauzone, weil uns Bands baten, im Blog aufgenommen zu werden, aber darauf bestanden, ihren Labels nicht mitzuteilen, dass sie ihr Okay gegeben hatten. Und dann kam der große Eklat mit Ben Weasel und dem „Pop Punk Message Board“. Auf diesem Board sind alle wichtigen größeren Labels mit dabei, quasi die ganze Pop-Punk-Elite-Mafia. Idioten, die die eigenen Bands abfeiern und alle anderen total in den Dreck ziehen. Die haben dann eine regelrechte Hetzjagd auf uns begonnen, allen voran Adam von It’s Alive Records. Zu dieser Zeit gab es dann auch noch ein Seitenprojekt von Ben Weasel, die Band SWEET BLACK AND BLUE. Von dieser Band gab es damals keine Veröffentlichung und es hatte nur ein Konzert gegeben. Vom Pop Punk Message Board wurde dann der Handschuh in den Ring geworfen, dass wir zu dieser Band nichts bringen könnten. Die Herausforderung nahmen wir an, und schon nach einer Woche konnten wir einen Mitschnitt des gesamten Konzerts hochladen. Zudem hatten wir von Ben Weasel noch zwei Demotapes auf dem Blog eingestellt. Nach zwei Wochen kam dann ein Schreiben vom Anwalt von Ben Weasel mit der Aufforderung, unverzüglich die Demotapes und den Live-Mitschnitt aus dem Netz zu nehmen.

Und das habt ihr getan?

Dem sind wir gleich nachgekommen. Das haben wir aber generell immer sofort gemacht, wenn uns Bands oder Labels, auch ohne Anwalt, kontaktiert haben mit dem Wunsch, Sachen zu löschen. Richtig eskaliert ist es dann, als etliche Labels, gesteuert vom Pop Punk Message Board, massiv Druck auf uns ausgeübt und richtige Hasstiraden abgelassen haben. Und das Löschen ist nicht so einfach. Wir müssen die Sachen nicht nur von unserem Blog nehmen, sondern auch dafür sorgen, dass sie vom Server verschwinden. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir übrigens bereits 2.400 Alben und EPs hochgeladen. Nach kurzer Zeit sind dann alle Sachen, die wir gelöscht hatten, wieder auf der Seite ramonescore.ru aufgetaucht, so dass uns dann ein doppeltes Spiel vorgeworfen wurde. Wir haben recherchiert, die Sachen sind wohl tatsächlich in Russland eingestellt worden, wir hatten aber zu keinem Zeitpunkt Kontakte dorthin. Wir wissen bis heute nicht, wer dort dahintersteckt. Ende August 2011 haben wir dann den Blog offiziell geschlossen.

[/b]Und wie kam es dazu, dass ihr weitergemacht habt?[/b]

Bereits nach relativ kurzer Zeit kamen um die 500 Mails zusammen, die das Ende des Blogs bedauerten und uns aufforderten weiterzumachen. Darunter auch viele Bands, die davon berichteten, dass sie nach Konzerten regelmäßig von Besuchern angesprochen werden, dass sie die Band ohne unseren Blog gar nicht kennen würden. Unsere Idee, Werbung für noch relativ unbekannte Bands zu machen, hatte sich also tatsächlich verwirklicht. Da reifte in uns die Idee, das Feld von hinten aufzurollen, dieses Mal aber legal. Wir hatten alles vom Server gelöscht und machten praktisch einen Neustart. Wir schrieben alle Bands und Labels an und fragten nach, was wir hochladen dürfen und was nicht. Auch die Labels, die uns zuvor noch angegiftet hatten, schrieben wir an. Wir haben seitdem also nichts mehr im Blog stehen, was in irgendeiner Form die Urheberrechte verletzt. Für alles, was wir hochladen, liegt die Zustimmung von Band und Label vor. Und seit dem Neustart läuft es sensationell gut. Wir haben an jedem Tag mindestens zwei- bis dreitausend Besucher.

Wie sieht es nun mit den schärfsten Kritikern aus der ersten Phase aus?

Einige, die damals die Hetzjagd auf uns ausgelöst haben, kamen angekrochen und wollten in den Blog aufgenommen werden. Dem Wunsch sind wir dann aber nicht nachgekommen. Schön für uns war auch, dass Adam von It’s Alive ein offizielles Statement abgab, dass er nicht für das Schließen unseres Blogs verantwortlich war. Wir vermuten, dass es in seinem direkten Umfeld wohl auch einige Befürworter unseres Blogs gibt, die ihn anprangerten. Adam hat mir vorgeworfen, dass ich sein Geld klaue. Ich habe ihm schnell klarmachen können, dass das Schwachsinn ist. Ich habe ihm geschrieben, dass ich es nicht fassen kann, wie ein Riesenarschloch wie er regelmäßig so tolle Sachen veröffentlichen kann.

Und was macht Ben Weasel? Hörst du seine Sachen überhaupt noch, nachdem dich sein Anwalt kontaktiert hat?

Ich war eigentlich zu keinem Zeitpunkt ein Fan seiner Veröffentlichungen, ich halte den Herrn und sein Werk für überbewertet. Der Typ ist mir sowieso nicht ganz koscher. Spätestens mit dieser Aktion, als er bei einem Konzert zwei Frauen geschlagen hat, hätte Schluss sein müssen, da Grenzen überschritten wurden. Ich kann nicht verstehen, wie so etwas verharmlost werden kann im Stil von: „Das ist halt Ben, der darf sich so etwas leisten.“ Ich habe daraufhin auch eine Band gegründet, THE WOMPYDOMPIES, ein Ein-Mann-Projekt, das auch die EP „All About The BENjamin$“ nur mit Songs gegen Ben Weasel herausgebracht hat. Erst deutlich später ist herausgekommen, dass wir hinter der Band stecken.

Neben Ben Weasel gibt es mit Joe Queer von den QUEERS noch eine weitere große Nummer im US-Pop-Punk. Habt ihr auch mit ihm schon Ärger gehabt?

Zum Glück nicht, das Verhältnis würde ich als neutral bezeichnen. Er hat sich nie beschwert, aber meldet sich eigentlich generell so gut wie gar nicht. Als wir bei ihm angefragt haben, ob er auf einem unserer Sommer-Sampler mit dabei sein will, hat er uns aber geantwortet, dass wir uns einen QUEERS-Song aussuchen dürfen. Auf unserem Blog hatten wir auch einen Rohmix vom „Munki Brain“-Album. Da hat er sich dann mal gemeldet, weil er wissen wollte, wo wir den herhaben. Und dann hatten wir noch ein Demotape mit Akustikgitarre von ihm hochgeladen. Als auf unsere Nachfrage, ob wir das Demotape auf dem Blog lassen dürfen, keine Antwort von ihm kam, haben wir die Songs aus Sicherheitsgründen gelöscht. Der Rohmix von „Munki Brain“ ist aber nach wie vor verfügbar, darunter auch ein empfehlenswerter Song mit Frauengesang, der wohl in einer Jam Session entstanden ist und es nicht auf das Album geschafft hat.

Unter dem Dach von RTTB gibt es auch ein eigenes Label mit einigen Veröffentlichungen. Gibt es die eigentlich nur als Downloads?

Wir bringen es inzwischen auf 20 Veröffentlichungen, zumeist Sampler als Tribute-Alben oder Themen-Compilations wie „Summer Feelings“ oder „Pop-Punk X-Mas“. Tribute-Alben gibt es zum Beispiel für die RAMONES, natürlich, für die TEEN IDOLS oder die SHECKIES. Es ist richtig, dass es die bisherigen Veröffentlichungen nur als Downloads gibt. Ab nächstem Jahr soll es aber auch ein paar 7“s geben, streng limitiert als Liebhaberauflagen.

Wer von euch ist für die vielen gekonnten grafischen Arbeiten auf eurem Blog und bei euren Veröffentlichungen verantwortlich?

Für die grafischen Arbeiten haben wir einige Leute an der Hand. Unsere erste Wahl ist Ole O’Brian von den EVIL O’BRIANS. Er hat uns mal von sich aus ein Skelett auf einem Skateboard für RTTB geschickt. Das fanden wir so brillant, dass wir inzwischen schon viele Sachen bei ihm in Auftrag gegeben haben.

Und wie deckt ihr die Kosten, die für den Blog und das Label anfallen?

Gar nicht. Wir verzeichnen mit den gesamten Aktivitäten keine Einnahmen. Das alles ist ein Hobby für mich. Und alle Hobbys kosten nun mal Geld. Ich stecke Geld in RTTB, möchte aber nichts verdienen. Ich möchte auch gar nicht wissen, was es kostet. Ich will kein Geld einnehmen und auch keine Spendenaufrufe tätigen. Viele Bands stellen kostenlos ihre Songs zur Verfügung, da käme ich mir schäbig vor, wenn ich damit noch Geld verdienen würde. Für die geplanten 7“-Veröffentlichungen streben wir aber an, diese annähernd kostendeckend zu verkaufen. Unsere Downloads stellen wir auch bei Bandcamp ein. Die kostenlosen Downloads sind bei Bandcamp allerdings auf 200 pro Monat begrenzt, danach werden die Downloads automatisch auf den Standardpreis von sieben Dollar pro Album gesetzt. Da unsere kostenfreien Downloads ganz oft nach einem Tag weg sind, passiert es immer wieder, dass ich dann von Bandcamp Geld überwiesen bekomme, zuletzt waren es zum Beispiel über 200 Euro allein für den TEEN IDOLS-Tribute-Sampler. Allerdings sind die Zahlungen nachvollziehbar, denn sie werden über Paypal getätigt. Und dann überweise ich jedem, der für den Download Geld bezahlt hat, sein Geld zurück.

Das klingt nach viel Arbeit. Wie viel Zeit investierst du in dein Hobby?

Wenn Veröffentlichungen neuer Compilations in die heiße Phase gehen, dann sind das durchaus sechs bis sieben Stunden pro Tag. Vor einigen Monaten war ich eine Zeit lang arbeitslos, da habe ich das mit diesem hohen Zeitaufwand über einen längeren Zeitraum konsequent durchgezogen. Prinzipiell sitze ich jeden Abend mindestens zwei Stunden an meinem Hobby. Mir werden jeden Tag durchschnittlich drei bis vier Veröffentlichungen zugeschickt, das höre ich mir alles an, vom ersten bis zum letzten Ton, auch wenn es mir nicht so zusagt.

Wie stark und aus welchen Ländern wird auf euren Blog zurückgegriffen?

Wir haben bereits Zugriffe aus über 160 Ländern gehabt, so viele weiße Flecken gibt es also auf der Landkarte nicht mehr. Meine Favorit und eigentlich noch ein Exot ist Jamaika mit bisher vier Leuten, die zu uns gefunden haben. Die stärkste Nachfrage kommt aus den USA, aus Spanien und dann schon an dritter Stelle aus Deutschland, obwohl Pop-Punk bei uns schon seit Jahren eher ein Schattendasein fristet.

Und wie häufig werden die Veröffentlichungen eures Labels runtergeladen?

Da kommt schon ganz schön was zusammen. Die Compilation „Summer Feelings Vol. 1“, eigentlich ein Schnellschuss, wurde schon über 13.000-mal runtergeladen, „Summer Feelings Vol. 2“ auch schon über 10.000-mal. Mit über 15.000 Downloads sind auch die „Tales From The Pop-Punk-World“ total erfolgreich. Das zeigt auch, welches Potenzial unser Blog als Werbemedium besitzt. Das hat sich bei vielen Bands inzwischen rumgesprochen. Jeden Abend ist mein Postfach voll, darunter auch Post von sehr bekannten Bands. Aber auch voll mit Bands, die nicht zu unserem Blog passen, beispielsweise Grindcore- oder Nu-Metal-Bands, die sich dann darauf berufen, dass sie totale RAMONES-Fans sind. Die haben aber trotzdem keine Chance, bei uns hochgeladen zu werden. Wir nehmen generell nur das, was vom Genre her zu uns passt.

Wie stehst du zu den Diskussionen um das Urheberrecht?

Musik ist für alle da. Es liegt aber an Bands und Labels, wie das Thema umgesetzt wird. Ich persönlich sehe die Zukunft in Angeboten wie Bandcamp. Man kann alle Songs erst einmal anhören und dann entscheiden, was man kauft. Ich erinnere mich noch an früher, da hat man reichlich Platten blind gekauft, und ein gewisser Teil war dann Schrott. Die Zukunft liegt für mich in der Regelung „Name your price“. Das heißt, dass man selbst den Preis bestimmen kann, also das bezahlt, was einem die Musik Wert ist. Ich greife gerne auf diese Möglichkeit bei Bandcamp zurück, und wenn mir etwas gefällt, zahle ich jedes Mal einen angemessenen Preis. Die Bands sollen schließlich zu dem kommen, was ihnen zusteht. Ich schätze, dass ich im Schnitt pro Monat um die 120 Euro bei Bandcamp ausgebe.

Welche Bands sind große Unterstützer von RTTB?

Da gibt es zum Glück eine ganze Menge, zu nennen sind beispielsweise die PARASITES, die LEMONAIDS, die KOBANES, die McRACKINS, die SENTINENTS oder NEON BONE, alles Bands, mit denen ich inzwischen Freundschaften pflege. Hervorheben möchte ich dabei Dave Parasite, er gehört zu den ersten der großen bekannten Bands, die sich öffentlich zu uns bekannt haben. Lustig ist auch, dass mir jemand mal ein Album zugespielt hat, das sich dann als das „Non-Stop Power Pop Volume 1“-Album der PARASITES herausstellte, das dann aber erst ungefähr eineinhalb Jahren später veröffentlicht wurde. Eine Woche nach dem Hochladen erhielt ich die Anfrage von Dave, wo ich die Songs herhabe. Ich habe Dave übrigens auch geholfen, seine komplette Diskografie bei Bandcamp hochzuladen, da er in der Zwischenzeit einige Sachen eingebüßt hatte.