Sigurd „The Hawk“ Haakaas (BLOOD COMMAND, GIRL ARMY, JEROAN DRIVE)

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My Little Drummer Boy – Folge 22

Das erste Mal wurde ich auf den Namen Sigurd Haakaas aufmerksam, als im Jahr 2009 mit „Five Inches Of A Car Accident“ der völlig unbekannten norwegischen Band BLOOD COMMAND erschien. Schon damals fiel der junge Norweger durch sein sehr variables und druckvolles Drumming auf und trug somit wesentlich zur Energie der gesamten Band bei. Herausragendes Merkmal seines Drumstils wurde in den folgenden Jahren der scheinbar mühelose Rhythmuswechsel zwischen den verschiedensten Songparts und sein Hang zu dynamischen Break-Attacken über die tiefen Toms. Mittlerweile sind BLOOD COMMAND auch einem größeren Kreis außerhalb Norwegens bekannt und es ist höchste Zeit, Sigurd als den „Little Drummer Boy“ näher vorzustellen.

Sigurd, bist du als kleiner Junge deiner Mutter auf die Nerven gegangen, indem du ihre Kochtöpfe zerstört hast?


Ja, das stimmt. Wahrscheinlich hat die Karriere bei jedem Drummer so oder so ähnlich angefangen. Bei mir war es allerdings meine Großmutter, die viel Verständnis für mich aufbrachte, und ich habe in Ihrer Küche mit Löffeln auf allem rumgetrommelt, was ich finden konnte. Ich war das jüngste ihrer Enkelkinder und ich durfte eigentlich immer tun, was ich wollte.

Wie kam es dazu, dass du später wirklich Schlagzeuger wurdest?

So genau kann ich das gar nicht sagen, aber eigentlich habe ich immer auf meinen Knien herumgetrommelt oder wenn ich an einem Tisch saß, habe ich eben darauf rumgetrommelt. In der Schule war es dann besonders schlimm. Wenn ich da auf dem Tisch getrommelt habe, ist mein Lehrer regelmäßig verrückt geworden, aber ich konnte das irgendwie nicht kontrollieren, sondern habe einfach wieder damit angefangen.

Wie bist du auf den Gedanken gekommen, ein eigenes Schlagzeug haben zu wollen?

Ich habe als Teenager ein paar Stunden Schlagzeugunterricht gehabt und zu Hause auf so einem kleinen Übungspad aus Gummi geübt. Mein Lehrer war ein professioneller Jazzmusiker und da habe ich unglaublich viel gelernt, denn gerade für Timing und Grooves sind diese Jazzer nicht die schlechtesten Lehrer. Der Typ hatte in Amerika Musik studiert und war mit vielen Bands in Amerika und Europa auf Tour. Das war schon unglaublich. Aber den Unterricht habe ich dann bald sein lassen, weil ich dazu einfach keine Lust mehr hatte. Dann habe ein bisschen Pause gemacht und habe erst mit 17 wieder angefangen, mit meinen Freunden in richtigen Bands zu spielen. Da war dann auch der Zeitpunkt gekommen, ein richtiges Schlagzeug zu kaufen. Wir waren damals alle Anfänger, der Gitarrist hatte auch keine Ahnung, und so haben wir uns damals auf simplen Garagen-Punk beschränkt. Als unser Gitarrist dann besser wurde, kam er leider auf den falschen musikalischen Weg und interessierte sich nur noch für Soli und Frickeleien, so dass die wirklich geraden Riffs auf der Strecke blieben. Da war es dann an der Zeit, die Band zu verlassen.

Was für Musik hast du damals gehört?

Das waren SEX PISTOLS, DEAD KENNEDYS, THE CLASH und all diese großartigen Bands. Aber als ich jünger war, habe ich sehr viel Billy Cobham gehört, der vielleicht mein größter Einfluss war. Den habe ich sehr geliebt und liebe ihn heute immer noch. Ich mag nicht alles, was er macht, aber die Art und Weise, wie er spielt, ist schon fantastisch. Ich habe damals auch viel Frank Zappa gehört, dessen Drummer Ralph Humphrey auch wirklich klasse war.

Ab wann hattest du dann dein erstes eigenes Schlagzeug und wie ging es dann weiter?

Als wir die Band gegründet hatten, habe ich angefangen, Geld zu sparen, und habe mir davon mein erstes Schlagzeug gekauft. Das war damals ein Neunziger-Jahre-Pearl und steht auch heute noch in meinem Keller. Ich bin in einem kleinen Dorf bei Stavanger aufgewachsen und nach der Schule wollte ich unbedingt in eine größere Stadt ziehen. Oslo kam für mich nicht in Frage, denn trotz der großen Szene mochte ich die Stadt nicht, und so bin ich dann mit meinem Schlagzeug nach Bergen gezogen. Dort habe ich dann in einem Plattenladen einen Zettel aufgehängt, auf dem nur zu lesen stand: „Drummer needs band!“ Mich haben dann auch tatsächlich ein paar Bands angerufen, aber nach ein paar Proben haben wir uns immer wieder getrennt. Ich habe dann angefangen, bei einem Freund in der Band zu spielen, aber die spielten mehr so Shoegazer-Zeug und damit konnte ich nicht wirklich etwas anfangen. Auf Dauer ist das einfach zu langweilig, denn ich wollte lieber hart und schnell spielen. Zum Glück war das dann die Zeit, in der ich Yngve, den BLOOD COMMAND-Gitarristen, zum ersten Mal traf.

Wie würdest du deinen eigenen Stil beschreiben?

Oh, ich bin von so vielen verschiedenen Drummern beeinflusst, dass es wirklich schwierig ist, meinen eigenen Stil zu beschreiben. Ich sollte wohl Armand Majidi von SICK OF IT ALL, Robert Eriksson von THE HELLACOPTERS und David Sandström von REFUSED als wichtige Einflüsse nennen. Mein eigener Stil ist immer sehr vom jeweiligen Song abhängig.

Bist du bei BLOOD COMMAND in das Songwriting involviert?

Nein, bei uns schreibt Yngve die Songs oder kommt zumindest mit neuen Riffs zu den Proben. Er hat schon immer sehr genaue Vorstellungen von den neuen Songs, und meine Aufgabe ist es dann, die passenden Rhythmen beizusteuern oder hier und da Änderungsvorschläge zu machen.

Du hast seit kurzer Zeit einen Endorsement-Vertrag mit Serenity Custom Drums aus England. Wie kam es dazu?

Freunde von mir waren mit ihrer Band SOCIAL SUICIDE auf Tour in England und haben dort im Vorprogramm von COMEBACK KID gespielt. Die Leute von Serenity waren Fans und hatten dem Drummer von COMEBACK KID ohne Vorwarnung einfach mal eine maßgeschneiderte Snare mitgebracht. So kamen sie dann auch mit Esteban Munoz von SOCIAL SUICIDE ins Gespräch und waren von seinem Stil so begeistert, dass sie ihm auch gleich ihre Unterstützung zusagten. In diesem Gespräch ging es dann auch um diese andere Band aus Bergen mit Namen BLOOD COMMAND, und Esteban hat den Leuten von Serenity einfach meine Telefonnummer gegeben. Tatsächlich riefen die mich dann auch irgendwann an und boten mir an, eine eigene Snare für mich zu entwickeln. Das war echt verrückt, denn die kannten nur unsere Platten und hatten mich noch nie spielen sehen, bevor sie dann nach Bergen reisten, um mir die Snare vorbeizubringen. Ich war so nervös und aufgeregt, als mir diese Snare persönlich ausgeliefert wurde, denn so eine große Ehre wird einem ja nicht jeden Tag zuteil.

Magst du es lieber, live oder im Studio zu spielen?

Ich bevorzuge es, live zu spielen. Ich mag Studio auch, aber am liebsten spiele ich mit den anderen Instrumenten zusammen und liebe die Energie, die bei einer Show aufgebaut wird.

Hast du jemals versucht, ein anderes Instrument zu spielen?

Ja, ich kann einige wenige Basisakkorde auf der Gitarre spielen, aber ich bin da immer noch im Lernprozess. Zum Glück lerne ich durch Yngve vom besten Gitarristen überhaupt. Aber Bass und Gitarre spiele ich wirklich nur so zum Spaß, ohne wirkliche Ambitionen für eine neue Band zu haben.

Hast du neben BLOOD COMMAND noch Zeit für andere Dinge?

Ich spiele nebenbei in noch zwei weiteren Bands, die GIRL ARMY und JEROAN DRIVE heißen und deutlich Hardcore-lastiger sind als BLOOD COMMAND. Da Yngve aber auch in beiden Bands aktiv ist, bleibt zu guter letzt doch alles in der Familie. Da wir mit der Band auch nicht das ganze Jahr auf Tour sind, muss ich außerdem noch arbeiten gehen und bin dann in Bergen als Lagerarbeiter beschäftigt. Das mache ich aber immer nur mal periodisch und würde natürlich gern mit der Arbeit aufhören, wenn es mit der Band weiter bergauf geht.