YELLOW CAP

Foto

Tanzbarkeit als oberstes Gebot

Zu feiern gibt es immer etwas, sei es 15 Jahre Bandbestehen oder das gerade veröffentlichte fünfte Album der sächsischen Ska- und Reggae-Band aus Görlitz, das man passenderweise mit „Pleasure“ betitelt hat, oder aber 25 Jahre Pork Pie, unter dessen Flagge das neue Werk erschienen ist. Ausreichend Gründe also, um sich mal wieder bei Sänger Kay zu melden und auch Pork Pie-Betreiber Matzge einzubeziehen. Nebenher kann man ja den Ox-Compilation #111-Beitrag „Gabriela“ laufen lassen, um schon mal etwas in „Pleasure“-Laune zu kommen.

15 Jahre YELLOW CAP, fünf Alben. Wie seht ihr eure musikalische Entwicklung und was steht 2014 an?

Kay:
Natürlich haben wir uns als Band und als einzelne Musiker weiterentwickelt. Es haben auch alle stilistisch unterschiedliche Nebenprojekte laufen. Gleich geblieben ist, dass Tanzbarkeit unser oberstes Gebot ist. Wir machen Musik, zu der wir selbst gerne tanzen. Ich glaube, das sieht man live auch.

Kommen wir zum aktuellen Album „Pleasure“. Ich fand ja eure Ausflüge in andere Genres immer recht interessant, die vermisse ich etwas dieses Mal. Was war euch bei den neuen Aufnahmen besonders wichtig?

Kay:
Also ich finde, da sind schon wieder ein paar Ausflüge dabei, teilweise sogar etwas derber als bei den anderen Alben. „No money man“ hielten wir anfangs noch für fast zu anders. Letztlich geht die Nummer aber gut ab, deswegen ist sie drauf.

Eure deutschen Texte kommen sehr positiv an. Warum sind sie dennoch eher die Ausnahme?

Kay:
Wir verfolgen kein bestimmtes Konzept. Außer wie oben beschrieben. Da gab es mal ein paar Textideen auf Deutsch und dann haben wir das gemacht. Das ist sehr reizvoll und wird es in Zukunft noch öfter geben. Es gab sogar zwei weitere Songs in Deutsch, die es dann aber nicht aufs Album geschafft haben. Alles hat seine Vor-und Nachteile. Die englischen Texte einerseits sind international verständlicher, andererseits kann man in seiner Muttersprache mehr mit Humor und Zweideutigkeit arbeiten.

Gehen wir mal auf die Kampagne „Pfand gehört daneben“ ein. Euer Beitrag „Schön daneben“ wertet als Bonustrack „Pleasure“ nochmals auf. Wie kam es dazu?

Kay:
Unser Drummer wohnt in Berlin, wo die Kampagne entstanden ist. Er fand die Idee gut, hat dafür einen Song geschrieben und Kontakt mit der Initiative „Pfand gehört daneben“ aufgenommen. Dann entstand ein Video und so ging das los.

Im ersten Moment scheint diese Kampagne eine gute Sache zu sein. Aber wird hier das Pferd nicht von hinten aufgezäumt? Während Pfandflaschen früher mal ein kleines Zubrot für Obdachlose waren, werden diese heute immer wichtiger für Rentner, deren Altersvorsorge längst nicht mehr zum Überleben ausreicht. Liegt das eigentliche Problem nicht ganz woanders?

Kay:
Das Problem liegt definitiv woanders. Wir sehen den Bereich, in dem wir etwas erreichen können, indem wir aufmerksam machen und aufzeigen, wie man Bedürftigen ohne Aufwand das Leben ein kleines bisschen erleichtern kann. Am liebsten wäre uns natürlich, wenn niemand Pfandflaschen sammeln müsste. Aber das ist wohl ein weiter Weg, den wir nur sehr bedingt beeinflussen können.

Kürzlich ging eine Meldung durch die Medien, dass es den Menschen im Osten der Republik seit der Wiedervereinigung Deutschlands besser denn je geht. Wie seht ihr das?

Kay:
Wir trennen generell nicht zwischen Ost und West, Nord und Süd. Gemessen an dem, was wir zum Teil in anderen Ländern gesehen haben, geht es uns im Wesentlichen gut. Das wird gerne vergessen. Natürlich geht es uns im Osten besser denn je, die scheiß Mauer ist weg. Trotzdem sind wir nicht mit allem einverstanden. Aber das sind Themen, die ganz Deutschland betreffen.

Ihr seht euch nicht unbedingt als politische Band, auch wenn Ska, Reggae und 2Tone ein politisches Statement haben, allem voran Antifaschismus und Antirassismus. Euer Label Pork Pie war hier vor allem in der Vergangenheit wichtig, als Skinheads Against Racial Prejudice/SHARP noch ein Thema in Deutschland war. Die Kollegen FEINE SAHNE FISCHFILET haben in letzter Zeit sehr offensiv Vorlagen geliefert. Inwiefern seht ihr euch als Ska-Band in der Verantwortung? Nicht zuletzt, weil Ostdeutschland immer noch stärkere neofaschistische Strukturen als der Westen aufweist – trotz der maroden parteipolitischen Situation der NPD.

Kay:
Einerseits ist die Musikrichtung an sich schon ein klares Statement für Toleranz, Verständigung und Freundschaft. Unsere politische Einstellung ist klar, auch ohne eindeutige, offensive Texte. Ich finde, dass man nicht immer gegen etwas sein muss, sondern viel mehr für etwas: für Völkerverständigung, für Toleranz, für ein friedliches Leben ohne Vorurteile und Scheuklappen. Mit dem erhobenen Zeigefinger, den man auch zu anderen Themen häufig im Netz findet, erreicht man leider nicht, dass die Leute wachgerüttelt werden, um gegen etwas aufzustehen. Wenn man für Toleranz kämpft, auch indem man Menschen an andere Kulturen heranführt und ihnen zeigt, dass die Vorurteile totaler Bullshit sind, dann nimmt man ihnen die Argumente. Das finde ich wichtig.

Matzge: Aus meiner Sicht kann ich dazu sagen, dass SHARP zumindest im Ska schon einiges bewirkt hat. Vielleicht auch, dass in den Medien die ganz groben Schnitzer in Bezug auf Skinheads – Nazi, kahlgeschoren, Springerstiefel etc. – nicht mehr so inflationär auftauchen wie in den Neunzigern. Auch bei Konzerten und Festivals und sowieso bei den Bands spielen rechte Leute kaum mehr eine Rolle. Leider ist das bei Oi!-Konzerten/Bands bei weitem nicht so klar. Da haben wir ja immer noch die berühmte Grauzonen-Diskussion, die wirklich nicht einfach ist, wenn man sachlich bleiben will. Da ist mir das schwarz-weiße 2Tone-Karo schon lieber.

Wir wollen mal einen Blick in die Zukunft wagen. Ska im Jahr 2030?

Kay:
Die Leute werden sich besonnen haben und Ska wird überall laufen. Die Straßen in Berlin heißen: Laurel-Aitken-Allee und Skatalites-Boulevard. Das Label Pork Pie wird zum Weltkulturerbe erklärt.

Matzge: Da werden die großen Bands aus unserer Zeit wohl älter sein als die SKATALITES. Musikalisch wird es sich hoffentlich weiterentwickeln und die Art, wo und wie man Musik hört, wird sich auch garantiert weiter verändern. Hoffen wir, dass es junge Musiker schaffen werden, zu solchen Legenden zu werden, was aber inzwischen verdammt schwer geworden ist. Pork Pie wird dieses Jahr 25 und 2030 hätten wir dann schon vierzig Jahre auf dem Buckel. Da kann ich ja dann schon mal nach einem Nachfolger suchen.