BABY LOU

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Anti-Atom-Bewegung

Im Herbst 2013 haben BABY LOU aus dem Saarland ihren zweiten Longplayer „Stagediving Into Total Darkness“ veröffentlicht und feierten zeitgleich ihr zehnjähriges Bandbestehen. Ein Jahrzehnt in einer Band aktiv zu sein und erst zwei Alben veröffentlicht zu haben, spricht nicht gerade für übertriebenen Aktionismus. Warum manchmal alles ein wenig mehr Zeit benötigt, wie das Tourleben in Brasilien ist und warum Musik nicht ganz ohne Politik auskommt, erfuhr ich im Gespräch mit Sänger und Gitarrist Marco Korz.



Zehn Jahre BABY LOU?! Euer Debüt ist aber erst 2011 erschienen, was habt ihr die ganze Zeit getrieben?


Nun ja, schaut man sich zum Beispiel die History von TITLE FIGHT an, die ebenfalls 2013 ihr Zehnjähriges feierten, wird man Parallelen erkennen können. Vor deren 2011er Debüt „Shed“ war bei ihnen im Vergleich auch weniger los. Gerade wenn man sich stilistisch nirgendwo so recht einordnen lässt und deshalb auch nicht den vollen Support einer Szene XY im Rücken hat, ist es im Grunde von vornherein klar, dass man sich alles hart erspielen muss. Bis die ersten Labels auf einen aufmerksam werden und die Punkrock-Öffentlichkeit merkt, dass man es tatsächlich ernst meint, kann es etwas dauern.

Dafür seid ihr mittlerweile umtriebig wie fast keine zweite Band. Wie kamen eure Tourneen in UK, Frankreich und vor allem Brasilien 2013 zustande?

Wir buchen den Großteil der Shows immer noch selbst. Vereinzelt läuft es auch über renommierte Booking-Agenturen, was aber eher die Ausnahme darstellt. In Europa können wir das Booking noch selbst machen, da wir die Bekanntschaft mit vielen netten Menschen gemacht haben, für die wir auch mal eine Show gebucht haben oder die für uns. Generell basiert alles auf dem alten Geben-und-Nehmen-Prinzip. Was wir auf Tour dankend annehmen, können andere Bands im Gegenzug auch von uns erwarten. Aber auch regionale kleine Konzerte zu unterstützen, und sei es nur durch Anwesenheit oder durch den einen oder anderen Merchkauf, gehört mit dazu. Die Brasilientour wurde zum Beispiel von Alex von KACTTUS und STATUES ON FIRE gebucht, den wir auf deren Europatour 2012 kennenlernen durften. Wir haben Alex sehr viel Vertrauen entgegengebracht. Als wir schließlich zusagten, dachten wir zuerst alle: Scheiße, das ist total verrückt! Alex dachte umgekehrt das gleiche. Am Ende hat alles wunderbar gepasst.

Wie waren die Brasilien-Shows besucht und wie hat das Publikum euch aufgenommen?

Im Schnitt waren die Clubshows mit sechzig bis hundert Leuten gut besucht. Wir hatten außerdem das Glück, bei einem Open Air in São Carlos reinzurutschen. Da waren fast 300 zahlende Gäste vor Ort. Die Resonanz war durchweg positiv. Es kam sogar vor, dass Leute gleich mehrere Shows der Tour besucht haben. Ist es nicht komisch, dass man erst eine Strecke von 10.000 km zurücklegen muss, damit relativ viele Leute zu den Shows kommen? Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Leute in Brasilien sehr gastfreundlich und sehr offen sind, und wir würden uns wünschen, dass Alex und STATUES ON FIRE genau so herzlich auf ihrer anstehenden Europatour mit BAMBIX empfangen werden wie wir in Brasilien.

Während eures Brasilienaufenthalts wart ihr auch im Studio. Wo genau war das, war es eine spontane Idee und in welcher Art und Weise dürfen wir uns da auf neue Musik von euch freuen?

Über das ganze Jahr verteilt sammeln wir ständig neue Songideen. Als wir uns im Vorfeld der Tour darüber unterhielten, kam die Idee auf, unsere neuen Tracks in Brasilien aufzunehmen. Den Studioaufenthalt haben wir dann sofort konkret geplant, als die ersten Termine bestätigt waren. Aufgenommen haben wir bei Diego Castro im Studio Hard Base in São Paulo. Die Songs kommen im Herbst 2014 als 10“ raus.

Zum Abschluss noch eine Frage zu eurem aktuellen Bandfoto. Dieses habt ihr vor dem AKW in Cattenom, Frankreich aufgenommen und euch für dessen Abschaltung ausgesprochen. Ihr seid zwar nicht gerade die Vorzeige-Politband, aber solche Zeichen zu setzen ist wichtig. Seid ihr sonst noch politisch als Band aktiv?

Wer mit uns zum Beispiel auf unseren Shows ins Gespräch kommt, wird schnell merken, dass wir sehr kritisch denkende Menschen sind und uns auch klar gegen jegliche Art von Rassismus, Nationalismus, Sexismus oder Homophobie aussprechen. Was das Thema Politik angeht, sollte mittlerweile jedem bewusst sein, dass die gesamte westliche Politiklandschaft mitsamt all ihren Vertretern mehr denn je an wirtschaftliche Interessen von Konzernen und Lobbys gebunden ist. Belanglose politische Haltungen von Politikdarstellern in unseren Songs zu kommentieren, ist daher nicht unser angestrebtes Ziel. Unser inhaltlicher Ansatz liegt daher direkt und ohne Umwege in der Konsum- und Kapitalismuskritik als solche. Das zieht sich bei uns durch verschiedene Bereiche wie zum Beispiel Veganismus/Vegetarismus und eben auch durch das große Thema Atomausstieg, entweder in Form von kleinen Aktionen oder eben an vielen Stellen innerhalb unserer Texte. Übrigens hatte das Fotoshooting auf dem Privatgelände des AKW-Betreibers EDF in Cattenom einen Polizeieinsatz zur Folge. Wir mussten alle Bilder, die wir gemacht hatten, vor den Augen der Gendarmerie löschen. Wie wir trotzdem an die Fotos gekommen sind, bleibt unser kleines Geheimnis.