SAFEWORDS

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Knietief in den Achtziger Jahren

Mitunter schaffen es Bands mit ihrem Debütalbum die besten Momente anderer Formationen auf gekonnte Weise zu kombinieren, ohne dabei ihren eigenen Charakter zu verlieren. SAFEWORDS aus Minneapolis sind so ein Fall. Mit ihren Songs gelingt es ihnen, den Post-Punk der späten Siebziger und frühen Achtziger heraufzubeschwören, und die Produktion des im Herbst 2013 erschienenen Debüts klingt, als ob das Album 1983 in einem Kellerstudio in Leeds entstanden wäre. Sänger und Gitarrist Colin Swanson-White beantwortete meine Fragen.

Als ich euer Debüt zum ersten Mal hörte, wirkte das auf mich wie eine Renaissance von CRISIS, RED LORRY YELLOW LORRY, WARSAW und JOY DIVISION. Entspricht das in etwa eurer musikalischen Sozialisation?


Das sind exakt alles Bands, die ich tatsächlich zu meinen absoluten Favoriten zähle. Unser Bassist Jed Smentek ist ein Riesenfan von RED LORRY YELLOW LORRY. Als wir mit der Band anfingen, habe ich ihm Songs von CRISIS vorgespielt und er hat mich an Bands wie XMAL DEUTSCHLAND herangeführt. Wir waren irgendwie in der Phase, unseren musikalischen Weg zu finden, aber uns war schnell klar, dass wir einen Sound entwickeln wollten, der sehr nahe an diesem großartigen Song „Romeo’s distress“ von CHRISTIAN DEATH von deren Album „Only Theatre Of Pain“ ist. Natürlich spielen auch die frühen SISTERS OF MERCY eine große Rolle für uns, insbesondere wenn du dir die Art anhörst, wie Jed seinen Bass spielt.

Ihr wohnt in Minneapolis. Passt eure Musik in die dortige Szene und gibt es überhaupt Bands, die einen ähnlichen Sound wie SAFEWORDS spielen und mit denen ihr die Bühne teilt?

Also ich wohne seit kurzem in Raleigh, North Carolina. Als ich mit Jed mit SAFEWORDS angefangen habe, gab es meines Wissens überhaupt keine Band, die wie wir Death Rock spielte. Jed war zuvor in einer Art Minimal-Synth-Band, die allerdings heute eher wie ORCHESTRAL MANOEUVRES IN THE DARK klingt. Und es gab noch TFATT, die auch einen ziemlich dunklen und bedrohlichen Sound spielten. Aber das war es dann schon. Heute gibt wirklich sehr viele Bands, die in eine vergleichbare Richtung gehen wie wir, etwa SUBMISSION, BLOAT, OAKS, TEMPLE und PROSTATE. In Raleigh habe ich allerdings bisher noch keine Band getroffen, die diesen Sound spielt.

Euer Album ist bisher nur als Vinyl auf Deranged Records veröffentlicht worden und ihr habt auch eine Kassette davon herausgebracht. Sind wir also nicht nur musikalisch knietief in den Achtziger Jahren?

Haha, es gibt wohl wesentlich schlechtere Referenzpunkte in dieser Hinsicht. Die Vinylversion enthält ja auch einen Download-Code. Das Tape hatten wir nur als Übergangslösung, bis das Vinyl erschienen ist. Wir hatten damals nicht ernsthaft in Erwägung zogen, die Songs zu veröffentlichen, und wollten es eigentlich nur für uns selbst zur Dokumentation unserer Bandgeschichte verwenden.

Kassetten sind wieder eine angesagte Form der Veröffentlichung, vor allem in UK etablieren sich viele reine Tapelabels. Siehst du das eher als kurzfristigen nostalgischen Gag für Sammler oder hat das eine Zukunft?

Ich glaube nicht, dass es nur eine kurzlebige Welle ist, denn viele stehen diesem Medium sehr interessiert und aufgeschlossen gegenüber, aber haben seit ewigen Zeiten kein Abspielgerät mehr für Tapes. Als ich mit Punk anfing, musste ich mir schon deshalb ein Tapedeck zulegen, weil die meiste Musik, die mich interessierte und spannend war, eben nur auf Tapes erschien. Auch hier gibt es wie bei Vinyl einen spezialisierten kleinen Onlinehandel. Der Punkt für die Sammler ist dann der physische beziehungsweise haptische Aspekt. Man hat einfach Spaß daran, etwas in den Händen zu halten, was man sehr schätzt. Die Bedeutung des jeweils sehr unterschiedlichen Artworks und die Aspekte der Covergestaltung sind beispielsweise für mich enorm wichtig. Das ist doch ein ganz essenzieller Teil des kreativen Schaffensprozesses.

Was uns zu deinem Job neben der Band führt, du bist Grafikdesigner. Wie sieht es da mit deinen Einflüssen und Inspirationen aus? Das Artwork eures Albums erinnert etwas an die Arbeiten von Bauhaus-Typograf Jan Tschichold.

Ich habe mich dem Thema Grafik als Kind über Comics angenähert, die ich einfach abgezeichnet habe. Als mein Interesse an Musik zunahm, musste ich mich einfach des Geldes wegen entscheiden, ob ich eher Comics oder Platten kaufen wollte. Als mir bewusst wurde, dass ich nicht viel Verwertbares auf dem College lernen konnte, habe ich mich für Grafikdesign entschieden, aber als Freelancer kannst du nicht gut davon leben. Ich mag vor allem die Arbeiten von Frank Frazetta, ein bekannter Fantasy-Illustrator aus New York. Auch die Arbeiten des japanischen Comic- und Drehbuchautors Kazuo Koike finde ich großartig. Ich habe kürzlich das Buch „The New Typography“ gelesen und auch wenn ich nicht mit allen Ansichten von Jan Tschichold übereinstimme, war er doch in seiner Zeit von großer Bedeutung und hat viel verändert. Sein Einfluss ist unbestritten. Ich möchte mehr erfahren über die deutschen Designer und Grafiker dieser Zeit, denn gegenwärtig bin ich in meiner Wahrnehmung in diesem Bereich noch auf Tschichold, Paul Renner und Rudolf Koch reduziert. Ich wusste sofort, dass ich für den Schriftzug von SAFEWORDS den Typus Trajan verwenden werde, weil ich von dessen Eleganz angetan war. Das „Swissted“-Projekt des New Yorker Grafikdesigners Mike Joyce finde ich in Sachen Design auch sehr spannend. Er ist sowohl von Punk als auch dem Swiss Modernism beeinflusst. Ich würde gerne mehr Möglichkeiten der Umsetzung von grafischen Arbeiten haben, beispielsweise aufwendiger Technologien. Dennoch macht es mir immer noch Spaß, Grafik für Bands und Labels zu entwickeln, auch wenn das alles andere als lukrativ ist. Ich arbeite gerade an der Gestaltung des Artworks für die Single meiner neuen Band DAVIDIANS zusammen mit meinem Bandkollegen, dem Künstler Brian Walsby. Vermutlich werde ich in naher Zukunft auch einiges für unser Label Deranged Records entwickeln und für meine Freunde von der Garage-Psych-Punk-Band BLACK ZINFANDEL. Und natürlich werde ich für meine andere Band VOIGHT-KAMPFF das Artwork gestalten.

Was uns elegant zur Musik von VOIGHT-KAMPFF bringt, die man so gar nicht mit SAFEWORDS vergleichen kann. Da gibt es sehr viel mehr Punk und – sagen wir mal – experimentellen Hardcore.

Also, Hardcore würde ich das jetzt nicht nennen wollen, aber natürlich spielen die Gitarren eine viel dominantere Rolle im Vergleich zu SAFEWORDS. Allerdings werden die neuen Songs von VOIGHT-KAMPFF wieder völlig anders klingen. Da wird sehr viel mehr Goth-Sound dabei sein, und zwar auch stärker als bei SAFEWORDS. Die Art, wie wir Songs für die beiden Bands schreiben, unterscheidet sich komplett, was daran liegt, dass auch die jeweiligen Bandmitglieder so unterschiedliche Charaktere sind.