RAMPIRES

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Seelenstriptease der Münsteraner Bat Boys

Das Münsteraner Punkabilly-Quintett sorgte jüngst mit seiner Präsentation der eigenen Band-Doku-DVD „Blood, Sweat And Fears“ für Aufsehen. Recht unverblümt wurden bandinterne Dinge angesprochen. Hat sich die Gruppe damit in ihren eigenen Grundfesten erschüttert oder hat es sie nur noch weiter zusammengeschweißt? Nur eine von etlichen Fragen an Sänger Claas König, der sowohl im Handwerk als auch im Kreativbereich seinen Mann steht. Er spielt in zwei Bands, arbeitet körperlich in diversen Jobs, macht des Weiteren in Artwork und hat mit Ring Of Fire sogar ein eigenes Label.

Claas, eure DVD kommt einem „seelischen Striptease“ gleich. Wie ist die Stimmung bei den RAMPIRES nach dem Release?


Der Inhalt des Films ist ja für uns als Bandmitglieder nichts Neues, auch wenn zehn Jahre Bandgeschichte mit all den Höhen und Tiefen zusammengefasst in nur 127 Minuten natürlich sehr geballt daherkommen. Ich denke, man kann sehr gut erkennen, wie viel Herzblut wir in unsere Band stecken und dass wir auch wirklich eine Menge Spaß daran haben, gemeinsam auf der Bühne zu stehen und ordentlich zu feiern, wohin es uns auch immer verschlagen hat. Das Kapitel „Die Partys“ auf der DVD vermittelt davon bestimmt einen ganz guten Eindruck. Mir war es aber ebenso wichtig, ganz offen und ehrlich auch auf die negativen Aspekte des gemeinsamen Bandlebens einzugehen und so kamen dann wohl bei den Interviews ein paar recht hart klingende Statements zustande. Aber wenn man über eine so lange Zeit gemeinsam ein bis zwei Abende die Woche im Proberaum verbringt oder an den Wochenenden im Bandbus oder in Backstageräumen nebeneinander hockt, dann ist es ja eigentlich ganz normal, dass man sich auch mal derbe auf die Nerven gehen kann. Auch wenn der Film ganz konkret die Band RAMPIRES zeigt, so glaube ich doch, dass er eine gewisse Allgemeingültigkeit für ähnlich aufgestellte Bands hat. Deswegen hoffe ich, dass die Dokumentation nicht nur für unser Umfeld spannend ist, sondern für jeden, der sich dafür interessiert, was alles hinter den Kulissen einer kleinen, aber stetig arbeitenden Band so abläuft.

Es wäre vermutlich naiv zu glauben, dass nicht doch so Etliches weggeschnitten wurde, oder?

Ehrlich gesagt, habe ich auf Wunsch hin nur eine einzige Szene am Ende wieder rausgenommen. Das war eine Aufnahme vom Nordenhamer Fonsstock Festival vor ein paar Jahren. Einer der Mitorganisatoren hatte einen Schottenrock an und zeigte der Kamera stolz seine Glocken samt Kirchturm. Sehr unterhaltsam, aber er hatte nun Angst, dass seine Frau ihm was antut, sollten diese Bilder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Ansonsten gab es natürlich viele witzige Ereignisse, bei denen die Kamera leider nicht schnell genug zur Hand war. Oder andersherum so ernsthafte Situationen, bei denen man es einfach nicht bringen kann zu sagen: „Moment, ich muss noch mal eben die Kamera rausholen.“ Aber um auf deine Frage zurückzukommen, ich habe in all den Jahren über achtzig Stunden Originalaufnahmen angesammelt, bewusst rausgeschnitten habe ich wirklich nur besagten Glöckner von Nordenham.

Besonders bei Marco, eurem Kontrabassisten, und dir fiel auf, dass ihr offenbar häufiger uneinig seid. Andererseits spielt ihr noch zusammen bei EL BOSSO MEETS THE SKADIOLAS. Sind gelegentliche Reibereien nicht sogar von Nöten, damit etwas wirklich Gutes dabei herumkommt?

Ohne Streitereien würde natürlich vieles entspannter ablaufen, es würde nicht so viel Zeit und Energie einfach verpuffen und das wäre bestimmt angenehmer für alle Beteiligten. Aber Marco und ich waren bei den RAMPIRES schon immer die beiden, die sich um alles gekümmert haben. Auch wenn in unserer Band theoretisch alle Entscheidungen demokratisch abgestimmt werden, so ist es manchmal auch schon schwer genug, von den restlichen Bandmitgliedern überhaupt ein Feedback zu bekommen. Marco und ich sind bestimmt beide ziemliche Dickköpfe, und leider könnte unser Geschmack in Bezug auf grafische Dinge kaum unterschiedlicher sein. Wahrscheinlich halten sich die anderen zurück, weil sie Angst haben, zwischen unsere Fronten zu geraten, haha. EL BOSSO MEETS THE SKADIOLAS sind ja aufgrund der eher sporadischen Aktivitäten mehr ein Projekt als eine richtig aktive Band und deshalb spielen wir da auch eigentlich nur unsere Instrumente, trinken das ganze Backstage-Bier und halten ansonsten meist unsere große Klappe. Den Rest machen hierbei andere.

Wie im Fußball in der Kabine ist auch das, was backstage abläuft, tabu für die Öffentlichkeit. Hast du schon Musiker getroffen, die du vorher richtig toll fandest, aber besser nicht persönlich kennen gelernt hättest? Wurde dein Weltbild da schon mal zerstört?

Nein, ich habe da noch nie eine böse Überraschung erlebt. Im Gegenteil, wenn man nach und nach merkt, dass auch wesentlich größere Bands im gleichen Backstageraum abhängen, das gleiche Essen bekommen und sich aus dem selben Kühlschrank das Bier rausholen wie man selbst, dann kommt man sich automatisch ein Stück näher und verliert schnell diese ehrfürchtige Distanz.

Du machst ja auch noch diese Artwork-Geschichten. Ist das pure kreative Entspannung oder könnte das für dich einst mal der absolute Mittelpunkt sein, hinter dem alles andere hinten ansteht?

Wenn ich an einem Artwork für die RAMPIRES arbeite, ist das leider genau das Gegenteil von „kreativer Entspannung“, da ich viel zu viele Kompromisse eingehen muss, damit auch alle aus der Band mit dem Resultat leben können. Da wird wirklich um jeden Strich gekämpft. Wenn ich allerdings etwas für andere Bands mache und die mir manchmal schon bei der ersten Ideenskizze sagen „Jau geil, mach feddich“, dann ist das ein bisschen die Entlohnung davon. Ich bin ausgebildeter Fotograf und habe zusätzlich noch Mediendesign studiert. Es wäre natürlich mein großer Traum, das beruflich zu 100% mit meiner Liebe zur Musik verbinden zu können, aber welche Band hat schon das Geld, ein Artwork oder Fotoshooting in Bezug auf die geleistete Arbeit angemessen zu bezahlen. Aus zeitlichen Gründen habe ich mittlerweile aufgehört, so etwas für ein paar Freiexemplare und eine Kiste Bier zu machen. Ich muss ja auch irgendwie die Butter aufs Brot bekommen. Dennoch trudeln im Moment immer häufiger Anfragen ein und wenn sich daraus mal ein richtiges kleines Standbein entwickeln könnte, würde ich mich natürlich sehr freuen.

Ist dein Label Ring Of Fire also ein pures Hobby?

Vom Zeitaufwand her betrachtet ist es wahrscheinlich wesentlich mehr als ein Hobby. Da ich bislang alles alleine mache, landet da schon einiges an Arbeit auf dem ohnehin schon vollen Schreibtisch. Es fängt ja allein bei der Kommunikation mit den Bands an, da kommen schnell mal hunderte von E-Mails und Stunden am Telefon zusammen. Dann mache ich auch oftmals das Artwork oder muss zumindest die Daten den entsprechenden Spezifikationen der Presswerke anpassen. Dann noch Promotexte schreiben, Werbeanzeigen gestalten, Review-Exemplare verschicken, Abrechnungen machen und noch vieles mehr. Manchmal wächst einem das alles auch über den Kopf, aber ich will mich nicht beklagen, denn ich muss das ja schließlich nicht machen. Wenn man dann aber am Ende ein fertiges Produkt in der Hand hält, ist man natürlich stolz darauf und es fühlt sich verdammt gut an, ein Teil des Entstehungsprozesses gewesen zu sein.

Inwieweit, glaubt ihr, setzen sich die Fans mit euren Texten auseinander? Der Psychopunk besteht ja generell weniger aus sozialkritischem Gedankengut ...

Ich glaube, dass die Texte für unsere Zuhörer nicht unbedingt im Vordergrund stehen. Die Musik muss rocken, man muss dazu seinen Arsch bewegen können und im besten Fall wird noch der Refrain mitgegrölt. Aber das finde ich auch vollkommen okay, geht mir bei den meisten anderen Bands genauso. Immer wieder die typischen Horrorfilm-Storys zu hören, finde ich auch ziemlich langweilig. Deshalb versuche ich, die Texte, die ich schreibe, mit einem gewissen Anspruch zu versehen. Oftmals wirken sie nach außen hin natürlich recht düster, aber innen drin steckt doch meist ein kämpferisches Herz, das liebt, hasst, aber auch verzeiht. Viele Texte handeln vom Menschen an sich, zum Beispiel dem Konflikt zwischen dem, was man ist, und dem, was man gerne wäre, oder der endlosen Gier nach Geld, Ruhm und Macht oder auch schlimmen Nebenerscheinungen wie religiösem Fanatismus. Eine gewisse Portion Gesellschaftskritik steckt also sicherlich drin.

In welcher Stimmung schreibst du die Texte?

Die ersten Bausteine fallen mir meist im Proberaum ein, wenn ich auf der Suche nach einer guten Gesangsmelodie anfange, Nonsens zu singen. Meist bleibt irgendetwas davon hängen und dann muss der Rest drum herum gebaut werden. Am besten klappt das spät nachts bei einer Flasche Rotwein, wenn ich weiß, dass das Telefon nicht klingeln wird, weil die meisten Menschen schon schlafen.

Sind die Texte bewusst so beinhart formuliert? Das macht es nicht gerade leicht, aus dem Spartenbereich auszubrechen, oder?

Ich glaube nicht, dass die Texte einer Band maßgeblich dafür verantwortlich sind, wie viele Zuhörer man erreicht. Das ist wahrscheinlich stärker der Fall, wenn man in seiner Muttersprache singt und sich der Rezipient direkt die Frage stellen kann, ob er sich mit dem Inhalt identifiziert oder auch nicht. Unsere musikalischen Einflüsse sind aufgrund der verschiedenen Vorlieben einzelner Bandmitglieder schon sehr vielfältig, und das wird uns gegenüber auch oft positiv erwähnt. Allerdings gibt es auch einige engstirnige Leute, deren Schubladen einfach zu klein für uns sind und die dann nichts mit unserem Sound anfangen können. Aber auch das ist in Ordnung, es wäre ja langweilig, wenn wir alle den gleichen Geschmack hätten. Wir machen halt die Musik, auf die wir Lust haben, und wir würden uns nie die Frage stellen, was wir machen müssten, um mehr Aufmerksamkeit zu bekommen.