Christian „Kike“ Pöschl

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Die Punkpolizei

Immer her mit eurer Hatemail: „Jetzt werden im Ox schon Bullen interviewt, geht’s noch!?“ Ja, es geht noch. Und bleiben wir für den Moment doch auch einfach beim neutralen „Polizist“. Auf Christian Pöschl, übrigens Ox-Leser, stieß ich im Wiener Fanzine Rokko’s Adventure, das ihn vor einer Weile ebenfalls interviewte. Ein Polizist, der „unsere“ Musik hört, Konzerte veranstaltet und der offen sowohl zu seinen musikalischen Vorlieben steht wie zu seinem Beruf? Das musste ich genauer wissen, und so kam es zu diesem Interview mit dem Kärntner „Polizist des Jahres 2013“.



Kike, bitte stell dich vor: Alter, Familienstand, Kinder, Dienstbezeichnung?


Mein „echter“ Name ist Christian Pöschl, aber irgendwann – ich glaube, es war so während der Gymnasiumszeit – gab mir ein Freund den Spitznamen Kike. Warum und wieso, daran kann ich mich nicht mehr ganz erinnern. Geboren wurde ich am 15.09.1968, bin also inzwischen 46, fühle mich aber ehrlich gesagt nicht so. Das hat vielleicht auch damit zu tun, dass ich relativ spät Vater geworden bin, das erste Mal mit 38 und das zweite Mal mit 43, da haben andere schon Kinder gezeugt, Bäume gepflanzt und Häuser gebaut. Da wären wir dann auch bei den Kindern, in Zahlen zwei Stück, einmal einen Marlon und einmal einen Darius. Verheiratet bin ich mit meiner Jugendliebe Petra, die ich schon ein ganzes Stück lang kenne und mit der ich gemeinsam durch alle Höhen und Tiefen gegangen bin ... Meine derzeitige Dienstbezeichnung ist Bezirksinspektor.

Als Kind wollte man früher Lokführer, Pilot, Feuerwehrmann werden – oder Polizist. Als Heranwachsender legt sich das dann meistens, warum kam es bei dir anders?

Ich glaube, ich wollte als Kind keinen der genannten Berufe anstreben, ich wollte Erfinder werden. Natürlich ist Polizist relativ weit weg vom Erfinder, allzu viel erfinden wir nicht. Der Wunsch, zur Exekutive zu gehen, war als Kind eher nicht vorhanden. Bei mir was es so, dass ich das Gymnasium besucht habe. An sich war ich gar kein schlechter Schüler, aber irgendwie ist mir die Lust zum Schulgang vergangen und ich wollte Geld verdienen. Es gab dann zwei Optionen für mich, einerseits existierten damals eine Menge Speditionen in meinem Ort, da hätte ich was probieren können, aber es gab auch einen Bekannten, der war gerade in der Polizeiausbildung und hat gemeint: „Probier mal das!“. Gesagt, getan – und es hat funktioniert.

Kannst du dich noch an deine ersten Platten erinnern, die „anders“ waren, also nicht Pop, sondern so Zeug, von dem man wusste, dass die Eltern das besser nicht sehen sollten? Was waren das für Bands/Platten?

Ehrlich gesagt kann ich mich an gar keine typische „Pop-Platte“ erinnern, die ich mir gekauft habe. Natürlich waren auch Sachen dabei, die man heutzutage nicht mehr hören würde, auch an mir sind diverse Trends und Epochen nicht spurlos vorbeigegangen, ob es nun irgendwelchen Glamrock-Sachen waren, Thrash Metal, Grunge ... Ich bin zu Hause mit Musik aufgewachsen, mein Vater war Volksmusikant, da liefen oft diverse Alpenoberkrainer oder so in „heavy rotation“ auf dem hauseigenen Kassettenrekorder. Dass ich mich nun als Trotzreaktion in eine ganz andere Richtung bewegt habe, würde ich – sozusagen retrospektiv betrachtet – nicht sagen. Diese „Volksmusik“, die damals in meinem Elternhaus gehört worden ist, würde ich auch heute noch nicht hören, das ist für mich „Musikantenstadl“-Niveau und hat mit meinen Hörgewohnheiten gar nichts zu tun. Die Musik war meinen Eltern ziemlich egal. Was vielleicht oft für große Augen und Diskussionen gesorgt hat, waren diverse Plattencover, natürlich damals noch Vinyl und in entsprechender Größe, die nicht der „Norm“ entsprachen oder irgendwelche blutrünstigen oder brutalen Abbildungen hatten, die heutzutage niemanden mehr aufregen würden. Für Diskussionsbedarf sorgte oft das Outfit, da waren die Eltern nicht immer damit einverstanden, wenn man mit einem T-Shirt rausgehen wollte, wo „Ficken, Bumsen, Blasen“ draufstand. Und die Jacke mit einem großen S.O.D.-Aufnäher am Rücken war auch nicht immer jedem recht.

Welche Bands faszinieren dich heutzutage, was sind „ewige Klassiker“ für dich?

Da tu ich mich schwer, das ist oft von meiner Stimmung abhängig, aber was ich an sich immer gerne anhöre, sind FAITH NO MORE oder auch Sachen, die Patton sonst noch macht, das finde ich sehr genial. Vor kurzem habe ich wieder ganz viel MR. BUNGLE gehört. Oft muss es aber auch ordentlich krachen, da ziehe ich mir schon ziemlichen Noise rein, wie zum Beispiel MERZBOW oder PAINKILLER, NAKED CITY oder sonstige John Zorn-Sachen, MELVINS sind auch sehr geil, RESIDENTS gehen immer, vor kurzem habe ich mir aber auch das KYTEMAN ORCHESTRA wieder angehört, dann wieder irgendwelchen extremen Elektrokram, experimentelle Sachen, ruhiges Zeug ... das ist sehr stimmungsabhängig. Ich will die Musik nicht einfach hören, sondern ich will den Sound erleben. Mich interessieren solche Sachen, wo wirklich was passiert, wo man überrascht wird, wo man plötzlich lachen muss oder auch aus irgendwelchem Grund betrübt ist, wo man aktiv hinhört und nachdenkt. Aber auch sehr unbekannte Sachen aus Österreich, die man im Radio vermutlich nie hören wird und die auch kein Musiksender spielt, sind für mich interessant. Deshalb ist es mir auch wichtig, verschiedene Kanäle anzuzapfen, die mir da Tips geben, wie eben Musikmagazine. Ich lese neben dem Ox auch zum Beispiel noch das englische Wire, aber auch Bad Alchemy. Das geht dann eher in eine experimentelle Richtung.

Welche Rolle spielt Musik generell in deinem Leben?

Eine sehr große Rolle. So oft es geht, höre ich bewusst und aktiv Musik. Ich lasse also nicht irgendwelche Radiosender ihr Programm spielen, sondern wähle oft nach Laune, was ich jetzt hören will, einerseits um die Stimmung, die gerade herrscht, aufrechtzuerhalten, aber auch um zu versuchen, schlechte Laune zu vertreiben. Was ich leider bis jetzt noch nicht geschafft habe, ist aktiv Musik zu machen, aber das kann ja noch werden. Musik ist für mich ein Bestandteil meines Lebens. Da ich derzeit oft mit dem Zug unterwegs bin, liebe ich es, einfach mit dem mp3-Player Songs anzuhören und die Landschaft während der Reise vorbeiziehen zu lassen.

Du bist seit 1995 mit der Konzertgruppe „Aktion Mutante“ damit bemüht, „Kultur“ abseits des Mainstreams ins provinzielle Arnoldstein zu bringen. Wer steckt dahinter, welche Bands bucht ihr, was ist die Idee?

Geboren wurde der Verein als Kunst- und Kulturverein „Aktion Mutante“. Nebenbei sei erwähnt, dass der Film „Acción Mutante“ von Álex de la Iglesia namengebend war, eine spanische Science-Fiction-Horrorkomödie. Zu Beginn war die Idee eher simpel: In einer Bier-, Wein- oder Alkohollaune haben zwei Jugendliche – genauer gesagt: meine Wenigkeit und ein Freund – beschlossen, dass in diesem verschlafenen Örtchen Arnoldstein nix los ist und wir beiden die letzte Rettung seien, die was dagegen tun könnten. Unser erstes Projekt war dann die Planung einer Silvesterparty in einem örtlichen Kulturhaus, das war dann schon der erste Stolperstein. Die verantwortlichen Personen der Gemeinde haben dann gesagt: „Nö, ohne Verein kein Kulturhaus“, da war unser weiterer Weg klar. Geschwind den Verein gegründet und sechs Personen gesucht, die der Vorstand waren. Der Verein hat dann Partys organisiert, und aufgrund von Ideen, die damals bei uns noch unbekannt waren, Probleme mit den Behörden gehabt, jedoch von Beginn an eine Menge Spaß, aber auch viel Arbeit. Für die Bandauswahl bin größtenteils ich zuständig und da hatten wir schon einige besondere Sachen. Aber eben auch sehr unbekannte Bands, weil es einfach auch eine Preisfrage ist, ob man sich eine Band für, sagen wir mal, 800 Euro leisten kann, wenn gerade mal zwanzig Leute kommen. Sehr oft war zum Beispiel die russische Band NOM bei uns, aber auch die australischen Chaoten MONSTER ZOKU ONSOMB!. Sehr laut waren die Norweger NOXAGT, sehr tanzbar die SONIC BOOM FOUNDATION und sehr lustig waren BULBUL ... Es gibt da keine Richtung, die wir nicht machen würden, es müssen einfach einige Parameter passen: Zuerst mal die Kohle, dann die sonstigen Kosten oder Sachen, die man bedenken muss, ob das nun eine Backline ist, oder irgendwelches Equipment, das man sich vielleicht irgendwo ausborgen muss und dann doch einiges kosten würde. Wer will, kann uns gerne kontaktieren. Was vielleicht unser Vorteil ist, es gibt im südlichen Österreich, Graz mal abgesehen, keinen Verein oder Veranstalter, der solche Sachen veranstaltet, wie wir es machen, dadurch bekomme ich oft wirklich gute Angebote von tollen Bands, die auf Tour sind, vielleicht auf dem Weg nach Italien oder Slowenien und noch einen freien Tag auffüllen müssen. Der Nachteil ist, dass wir keine eigene Location haben, sondern uns immer einmieten müssen. Und einmal im Monat habe ich auch eine Radiosendung namens „El Topo“, übrigens auch nach einem genialen Film benannt, die läuft auf einem lokalen Radiosender, wo ich das Konzept mache, mich aber auch um die Gäste und die Musik kümmere.

Bist du Punk, bist du Metaller? Also fühlst du dich einer dieser Jugendbewegungen, die ja längst weit ins Erwachsenenalter hineinragen, jenseits des Anhörens entsprechender Musik verbunden? Und welche Ideen und Werte, die damit untrennbar verbunden sind, faszinieren dich?

Eigentlich weder noch, war auch nie wirklich in einer dieser Bewegungen so etabliert oder verwurzelt, dass ich mich als zugehörig gefühlt hätte. Ich hatte und habe gute Freunde und Bekannte, die auch, so wie ich, auf Musik stehen, und sich vielleicht als zugehörig zu diesen Gruppen fühlen und wenn ich mich mit denen treffe, dann gibt es immer interessante Diskussionen. Was mir wichtig ist, außerhalb der Werte, die von den genannten, aber auch anderen Jugendbewegungen vertreten werden, ist gegenseitiger Respekt. Ob einer nun einen Iro trägt oder ob er eine Uniform anhat, zuerst sollte man versuchen, die Person kennen zu lernen, die hinter dieser „Fassade“ steckt, ich denke, in einem Gespräch ohne gegenseitige Vorurteile, wird man vielleicht erkennen: „Hey, ist ja ein ganz netter Kerl.“

Höchstwahrscheinlich wird es Ox-Leser geben, die sich, noch bevor sie dieses Interview gelesen haben, fragen werden, was das denn soll, warum man ein Interview mit einem „Bullen“ im Heft haben muss. Also, warum muss die Punk-Szene auch einen wie dich „ertragen“ können?

Schwer zu sagen, aber vielleicht ist es doch möglich, dadurch gewisse Vorurteile abzubauen, wobei, dafür müsste man persönlich ins Gespräch kommen. Es sollte einfach zeigen, dass es auch bei der Polizei, so wie vermutlich auch in der Punk- oder in anderen Kulturszenen, Menschen gibt, die nicht dem Schema F entsprechen, das irgendwann mal kreiert worden ist und aufgrund dessen sich die Vorurteile bilden. Was mir dazu einfällt, ich bin ja sehr viel in der Prävention tätig, im Bereich Jugend, Gewalt, Sucht und so weiter: Da erklären wir den Kids auch oft, wie Gerüchte zustandekommen und machen das anhand des Spiels „Stille Post“. Mein Kollege sagt einem der Schüler einen Satz und dieser muss leise durch die ganze Runde gehen, am Ende darf man dann gespannt sein, was rauskommt. So ist es ja auch oft mit Vorurteilen oder Storys ...

Vor Jahren gab es mal einen kleinen „Skandal“ bei einer Melodic-Punk-Band aus dem Ruhrgebiet, als einer von denen als Polizist enttarnt wurde. Da ging die Kritik so weit, dass der Polizei vorgeworfen wurde, linke Subkulturstrukturen sollten ausgespäht oder gar unterwandert werden. Hattest du jemals einen solchen Gewissenskonflikt beziehungsweise musstest du dir so was anhören?

Mir fällt gerade ein, es gibt in Kärnten eine Punkband, die nennen sich MÜLLIONÄRE, die machen Dialekt-Punkrock, da spielt ein Kollege den Bass, den frage ich mal, ob er eine Szene unterwandern will. Scherz beiseite, also ich bin an sich nie mit so einem Vorwurf konfrontiert worden und es war auch von meiner Seite nie so was beabsichtigt. Gewissenskonflikte in dem Sinne gab es auch nie, einzig zu Beginn meiner Gendarmeriezeit war es so, dass fast Generationen aufeinanderprallten. Auf der einen Seite wir jungen „Inspektoren“, auf der anderen Seite gestandene „Rayonsinspektoren“, die in einer ganz anderen Zeit aufgewachsen sind. Da gab es dann oft Diskussionspotenzial und Kopfschütteln, wenn man T-Shirts oder Aufnäher getragen hat, die zum Beispiel einen Totenkopf gezeigt hatten. Wie ja bekannt ist und die Realität zeigt, wird aber die Subkultur beziehungsweise die Subkulturmode vom Mainstream eingeholt und kopiert, zum Beispiel beim Totenkopf. Was mir aber zu dem Thema noch einfällt, oft ist es so, dass Kollegen über Personen urteilen, ohne diese zu kennen, eben aufgrund des Aussehens. Dann ergibt es sich jedoch, dass man die Person trifft, ich den vielleicht kenne und dann genau jener Kollege, der vorher falsch geurteilt hat, mit der Person ins Gespräch kommt und dann meint: „Ist doch ein ganz Netter“.

Wie empfindest du als „Betroffener“ die Millionen von Songs und Bandnamen, die sich der Schmähung deines Berufsstandes widmen? „Cop killer“, „A.C.A.B.“, MILLIONS OF DEAD COPS, „Haut die Bullen platt wie Stullen, schlagt die Polizei zu Brei“ können einen doch nicht völlig kaltlassen. Oder ist das doch alles „nur“ Popkultur und „Folklore“?

Ich muss sagen, ich fühle mich da nicht so betroffen, ich denke mir, mich persönlich greifen die ja nicht an, es ist ja „die Polizei“ oder „die Uniform“. Einerseits sind diese Aussagen, Songs, Bandnamen auch eine Art von Protest, weil die Szene einfach so sein muss, um ein Teil eben dieser Szene zu sein. Andere Aussagen, vielleicht auch Songtexte werden aber auch von speziellen und einzelnen Erfahrungen erzählen, die sich wirklich zugetragen haben, und wo ein Problem thematisiert wird, zwischen der Person, die es erlebt hat, und dem Polizisten, der Polizei, auf der andere Seite. Da muss man sich aber auch die Sache zuerst genau ansehen, bevor man sich irgendein Urteil bildet. Teilweise ist es ja auch ein wenig Revolution und adoleszentes, pubertierendes oder jugendliches Verhalten, was auf alle Fälle zu dieser Altersgruppe gehört. Das A.C.A.B. ist ja noch nicht so weit verbreitet, jedenfalls in unserem Bereich nicht, wird oft einfach unwissend irgendwo hingesprüht, weil es gerade „in“ ist, ich könnte mir aber vorstellen, dass der unter Umständen erzielte Zweck der Provokation nicht erreicht wird, weil es bestimmt Kollegen gibt, die damit nichts anfangen können. Und zu „Cop Killer“, das war ein Album und ein Song der Band BODY COUNT, wo auch ein gewisser Ice-T gesungen hat. Gleich nach dem Erscheinen habe ich mir die CD besorgt, natürlich noch mit dem Titel und dem Song „Cop killer“. Nach vielen Protesten wurde der Song ja von der CD runtergenommen. Bei vielen Partys, die wir veranstaltet hatten, lief der mehrfach ...

„Schieß doch, Bulle!“, schreibt sich manch ein Punk auf die Lederjacke. Und – wann hast du zuletzt geschossen, wie stehst du zu Schusswaffen und deren Gebrauch?

Zum Glück habe ich im Dienst noch nie auf eine Person schießen müssen, es ist sicherlich eine Sache, die man nicht so leicht wegstecken kann. Wir müssen aber immer auf Weiterbildung, zum Training, um den Umgang mit der Waffe zu üben, aber auch um bestimmte Szenarien zu trainieren. Ob dieses Training dann wirklich hilft, wenn man im Ernstfall innerhalb kürzester Zeit entscheiden muss, ob man nun von der Waffe Gebrauch machen darf und ob es rechtlich richtig ist, kann ich so nicht beurteilen. Ich habe natürlich im Dienst eine Schusswaffe, benötige aber privat so etwas nicht. Ich glaube doch, dass mit der Ausgabe von Waffen beziehungsweise der Regelung, wer eine Waffenbesitzkarte beziehungsweise einen Waffenpass und damit auch das Recht, eine Schusswaffe zu erwerben, bekommt, immer noch zu leichtfertig umgegangen wird. Jedenfalls in Österreich. Wenn man sich die Amokläufe ansieht, die es gegeben hat, wird oft über das Verbot von Gewaltspielen beziehungsweise die Anhebung von Altersgrenzen diskutiert, aber sehr wenig wird darüber gesprochen, dass die Täter oft Mitglieder in Schützenvereinen waren, und vielleicht dadurch leichter Zugang zu Waffen hatten. Ein Computerspiel hat grundsätzlich noch niemanden getötet, durch Waffen sind schon eine ganze Menge Menschen gestorben.

Du bist als „Präventionsbeamter“ seit geraumer Zeit kein „Streifenhörnchen“ mehr, Verkehrsregelung und Unfallaufnahmen gehören also ebenso wenig zu deinen Tätigkeiten, wie mit Helm und Schlagstock Nazi-Demos vor Antifaschisten zu schützen. Was machst du also genau?

Also, ganz weg von der Straße bin ich ja nicht,Verkehrsregelung und Unfallaufnahmen mache ich immer noch. Ich mache zwar großteils Prävention, aber nicht nur. Ungefähr Zweidrittel meiner Dienstzeit bin ich tatsächlich präventiv unterwegs. Das heißt, ich bin vor allem in Schulen unterwegs und arbeite mit den SchülerInnen, und ich meine tatsächlich arbeiten, also in einem Workshop, wo wir versuchen, den Kindern klarzumachen, was Gewalt eigentlich ist, wie Gewalt entsteht, Gründe und Folgen von Gewalt, Kosten von Gewalt, Strafmündigkeit, Zivilcourage, Notwehrrecht, Jugendschutz ... Außerdem gibt es Informationen für Eltern bei Elternabenden, hier vor allem zum Thema Internet und Sicherheit, die sind da oft überfordert, wenn die Kinder anfangen, den digitalen Raum zu erkunden. Ein Teil ist auch Einbruchsprävention, da fahren wir vor Ort zu Wohnhäusern oder Wohnungen und besprechen mit den Bewohnern, was man mechanisch verändern kann, um die Wohnung abzusichern, vielleicht auch nur, um das subjektive Sicherheitsgefühl zu heben. Eine sehr interessante Tätigkeit, man hat sehr viel mit Menschen zu tun, und es tut einfach gut, wenn man Jahre später irgendwo ehemalige SchülerInnen trifft, die einen ansprechen, sich immer noch an bestimmte Informationen erinnern und auch sagen, dass es ihnen was gebracht hätte.

„Internetkriminalität“ zählt zu den Themen, über die du Jugendliche informierst. Was beinhaltet das? Den Kids zu sagen, dass illegales Downloaden böse ist?

Das mit dem Download ist so eine Sache, da es, jedenfalls in Österreich, noch keine richtige und eindeutige Regelung gibt. Ist auch nicht der Teil, über den wir reden, wenn wir den illegalen Download überhaupt ansprechen, dann nur, wenn wir danach gefragt werden. Das Urheberrecht ist ja in Österreich auch ein Privatrecht und betrifft die Polizei nur am Rande. Die Sache mit der Internetkriminalität betrifft eher solche Dinge wie Kinderpornografie, Cybermobbing, Probleme beim Chatten, sonstige Arten der Cyberkriminlität. Wir wollen die Kids einfach dafür sensibilisieren, dass sie nicht gleich mit jedem „gut Freund“ sind, den sie online kennen lernen, und sich gleich mal der unbekannten Person anvertrauen und vielleicht auch treffen. Und eine gewisse Skepsis gegenüber Informationen, die man im virtuellen Raum auffängt, soll auch bewirkt werden.

Seit Herbst 2013 belegst du den Masterstudienlehrgang „Sucht- und Gewaltprävention in pädagogischen Handlungsfeldern“ in Linz. Also „back to school“, Vollzeit? Klingt ja eher nach Sozialarbeiter.

Der Grund für die Entscheidung, dass ich den Masterstudienlehrgang besuche, ist an sich, dass mich der Bereich Prävention sehr interessiert. Bei den Ausbildungen, die ich bei der Exekutive absolviert habe, ist es halt so, dass es da nur eine gewisse Sichtweise der Dinge gibt, beim Lehrgang findet man aber ein breites Spektrum an Präventionsbereichen und Möglichkeiten, die ich so nie kennen gelernt habe. Der Lehrgang findet in Wochenendblöcken statt beziehungsweise drei Mal im Jahr eine ganze Woche. Ich fahre dann mehrmals im Monat am Freitag nach Linz und am Samstag wieder nach Hause, der Rest ist dann noch Hausarbeit. Die Sache ist ja außerdienstlich. Das muss ich in meiner Freizeit und auf meine Kosten durchführen, habe es aber noch nicht bereut. Wir sind da nur eine kleine Gruppe, also 21 Personen, aus ganz Österreich und eine Kollegin aus Südtirol, und als einziger Kärntner und einziger Polizist bin ich da ein wenig der Exot. Das hat sicherlich was von Sozialarbeiter, es sind auch welche in meinem Kurs, aber ich glaube, auch der Beruf des Polizisten ist ein wenig Sozialarbeit.

2013 wurdest du in Kärnten „Polizist des Jahres“. Wie wird man das, und für was? Und ... bist du stolz darauf?

Auf alle Fälle bin ich stolz darauf. Die Vorgangsweise ist so: Einmal im Jahr werden die Vorgesetzten eingeladen, die Kollegen, von denen sie denken, dass sie für die Auszeichnung geeignet wären, zu nominieren ... und ich wurde ausgewählt. Für was genau müsste man ja an sich die Nominatoren fragen, oder die „Jury“ – wenn es denn eine solche gibt –, aber die Erklärung war zum Großteil meine Präventionstätigkeit, die ich schon lange mache und das vermutlich zur Zufriedenheit einer Menge Leute.

Wie akzeptiert bist du als „etwas anderer“ Polizist im Kollegenkreis? „Polizist des Jahres“ wird man als totaler Außenseiter ja sicher nicht.

Ich sage zu meinem Kollegen immer: „An sich bewegen wir uns in dieselbe Richtung, deine Pfade sind aber etwas ausgetretener als meine.“ Ich bin ja nicht der totale Außenseiter, aber ich würde sagen, ich bin auch nicht der typische Polizist oder besser gesagt: Ich bediene nicht das Klischee, das damit verbunden ist. Meine Kollegen kennen mich genau so, wie ich bin, sie wissen, was sie von mir erwarten können, aber genauso, was ich nicht mitmache. Meiner Meinung nach ist es wichtig, dass man ehrlich ist. Auch wenn es Probleme gibt, sollte man die direkt ansprechen und nicht irgendwie hintenherum. Mir fallen hier immer die Tugenden ein, die Aristoteles geprägt hat, die aber heute immer noch volle Gültigkeit haben, wie zum Beispiel Gelassenheit, Aufrichtigkeit, Besonnenheit ... vor allem aber Ehrlichkeit zu sich selbst ist wichtig.

Du kommst aus dem österreichischen Bundesland Kärnten, das einst vom Rechtspopulisten Jörg Haider regiert wurde. Nun muss man als Polizist ja einen Eid schwören auf Staat, Verfassung, Bundesland oder so. Als Punk mit eigenem Kopf schüttelt es mich bei dem Gedanken, einem Typen wie Haider zu irgendeiner Art von Loyalität verpflichtet zu sein.

Soweit ich den deutschen Polizeikörper kenne, ist es ein wenig anders als in Österreich, wir sind ja eine Bundespolizei, soll heißen, ich schwöre den Eid auf die Bundesverfassung. Haider war ja Landeshauptmann, hat großteils mit der Exekutive gar nichts zu tun, schon gar kein Weisungsrecht, ich habe ihn auch nicht wirklich gekannt oder häufiger gesehen. Verpflichtende Loyalität gegenüber dieser Person gab es also gar nicht. Ich muss dazu sagen, dass ich allgemein politisch etwas „angefressen“ bin, da ich glaube, dass es überhaupt keinen Politiker in Österreich gibt, der Handschlagqualität zeigt. Irgendwie kommt es mir so vor, dass wir, leider, von vorne bis hinten belogen werden.

Würdest du Menschen, die sich typischerweise nicht für den Polizeidienst entscheiden würden, einfach weil sie Uniformen, Waffen, Loyalitätspflicht und Korpsgeist nicht mögen, empfehlen, diesen „Marsch durch die Instanzen“ dennoch zu wagen, um das „System“ von innen her zu verändern?

Wenn man mit solchen Sachen wie Uniform oder Waffen gar nicht kann, dann ist es eher blöd, wenn man sich trotzdem zur Polizei meldet, um einem gewissen Ideal nachzueifern. Es ist zwar ein tolles Ziel, wenn man das „System von innen“ verändern will, aber ich denke, so große Veränderungen werden durch eine einzelne Person nie passieren können. Man muss da schon zu sich selbst ehrlich sein: Ist es für mich wirklich eine Einstellung, die ich mein ganzes Leben lang vertreten werde?

Hast du überhaupt diesen Anspruch, also das „System“ von innen her zu verändern?

Nein – habe ich nicht, aber, wie bei der Frage vorhin schon angeführt, wenn ich was versuchen will, oder schon versucht habe, dann ein wenig den Blick auf die Polizei zu ändern, aber auch den Blick von Kollegen auf bestimmte Jugend- oder Personengruppen, was, meiner Meinung nach, schon teilweise gelungen ist.

Der Umgang von Polizisten mit Menschen wie Asylbewerbern, Migranten etc. ist ja oft nicht konfliktfrei, um es vorsichtig auszudrücken. Die Politik, die Gesellschaft schickt sie vor, etwa um Familien frühmorgens aus der Wohnung zu zerren und sie zwecks Abschiebung ins Flugzeug zu setzen. Wie siehst du diese Rolle der Polizei?

Man hat ja einen Auftrag, den muss man ausführen, auch wenn die Situation alles andere als einfach ist, da kann es unter Umständen schon passieren, dass die eigenen Ansichten konträr zu dem laufen, was man im Dienst vollziehen muss. Ein wenig baut man sich da auch einen Panzer, damit man die Sachen nicht zu nah an sich heranlässt, denn sonst wäre man unter Umständen falsch im Beruf. Wenn man, so wie ich, bereits dreißig Jahre im Exekutivdienst ist, dann hat es einige Situationen, Amtshandlungen oder Ereignisse gegeben, die ich mein gesamtes Leben nicht mehr vergessen werde, trotz allem darf ich die Sache nicht zu persönlich nehmen, es einfach nicht zu nah heranlassen. Das ist vielleicht auch ein Grund für einige, diesen Beruf nicht ausüben zu wollen.