LIGA DER GEWÖHNLICHEN GENTLEMEN

Foto

Die neuen Superpunks

Freunde deutschsprachigen Liedgutes hatten es zu Ende des vergangenen Jahrhunderts nicht leicht. Dümmlicher Hiphop, schwülstiger Schlagerpop und schwadronierende Jungintellektuelle beherrschten die Wellen. Dies wurde schlagartig anders, als sich SUPERPUNK, das „ewige Nebenprojekt“, bestückt mit Allumni der FÜNF FREUNDE, BRUNO FERRARI QUINTETT oder HUAH! sich zu Worte meldete. Stets großmäulig, nie um einen schäbigen Kalauer verlegen, schafften sie den Spagat zwischen Northern Soul, C86-Indiepop und Mod-Powerpop. In gammeligem Casual-Mod-Wear spielten die „Top Old Boys“ sich jahrelang die Finger wund, brachten sieben Prachtalben unters Volk und lösten sich stickum, auf dem Höhepunkt des Erfolges auf. Doch ehe die Empörung über diesen Coup große Wellen schlagen konnte, stand bereits das Nachfolgeprojekt parat. Als DIE LIGA DER GEWÖHNLICHEN GENTLEMEN machen Carsten Friedrichs (Gesang, Gitarre) und Tim Jürgens (Bass) da weiter, wo die Vorgänger aufhörten. Mit Musikwunderkindern wie Tapete-Records-Boss Gunther Buskies, Phillip Morton Andernach und Ex-Blumfeld-Drummer André Rattay ist das Quintett komplett, „Alle Ampeln auf Gelb!“, die zweite Platte und ihre bislang zweitbeste, ist just veröffentlicht, und die Band somit fällig für das Ox-Verhör. Carsten antwortete.

Auch wenn es schon eine Weile her ist: Wie kam es zum unerwarteten Ende von SUPERPUNK und zur „Auferstehung“ der Band als DLDGG?


Ach, wenn man so lange zusammen Musik macht, kommt der Punkt, an dem man einfach keine Lust mehr hat. Wenn man merkt, dass der Schwung schwindet, ist es besser, die Notbremse zu ziehen. Zumindest in der Musik.

Mit Philip Morton Andernach und Gunther Buskies sind zwei talentierte Multi-Instrumentalisten an Bord. Das ergibt neue Optionen für das Songwriting. Wie entstehen die Songs von DLDGG?

Bis auf mich sind das alles Multi-Intrumentalisten. Zwanie und Tim können auch viele Instrumente. Ich kann noch nicht mal richtig Gitarre spielen und so gleicht sich das aus. Wenn ich einen Text fertig hatte, bin ich mit der Bahn zu Gunther gefahren und dann haben wir die Musik zusammen geschrieben. Arrangiert haben wir dann alle zusammen.

Bei SUPERPUNK zauberte Thies Mynther mit Synthieturm, Bläsersätzen, Streicherpassagen und diversem Tastenwerk. Heute nehmt ihr mit „echten“ Streichern und Bläsern auf. Warum ging das früher nicht schon?

Keine Ahnung. Darüber habe ich mir früher keine Gedanken gemacht. Ich fand, dass das auch aus der Dose gut klang. Es ging zudem schneller. Aber wir haben ja jetzt mit Philip und Gunther auch zwei Leute, die Saxophon spielen können. Die hatten wir damals nicht. Zudem können die auch noch richtige Bläserarrangements schreiben.

Bernd Begemann ist ein alter Weggefährte aus den Anfangstagen von SUPERPUNK. Bei der 2013er Tour half er als Ersatzgitarrist für den verletzten Philip aus. Bitte berichte schonungslos Anekdoten aus dem Touralltag mit dem Entertainer Bernd!

Es fing schon so an, dass ich Bernd anrief und fragte, wann wir denn mal proben würden. Daraufhin er: „Mit Verlaub, eure Songs muss man ja nun wirklich nicht üben.“ Klar, er kann ja auch aus dem Stegreif Burt Bacharach-Songs spielen. Na ja, auf jeden Fall habe ich dann eine Probe erbettelt. Er sollte ja die Leadgitarre spielen, weil Philip nicht konnte. Das ist dann doch nicht so ganz ohne. Bei der Probe hat er sich dann geweigert, die Leadgitarre zu spielen, da er keine Pentatoniken spielen wollte. Das sei Bluesrock, sagte er. „Aber Bernd, das ist doch kein Bluesrock. Außerdem spielst du doch in deinen eigenen Stücken auch diese Pentatonik! Die BEATLES doch auch, alle!“ – „Ich spiele keinen Bluesrock!“. Ende vom Lied: Wir hatten dann zwei Rhythmusgitarren und klangen wie die THE MEMBRANES. War auch nicht schlecht. Auf Tour saß Bernd dann gerne Backstage im Dunklen. Ein toller Kontrast zu seinem weißen Anzug. Bernd kämmt sich auch dauernd seine schönen Haare. Ich könnte ihm stundenlang dabei zusehen, wie er sich kämmt und dabei „Teenage kicks“ vor sich hinsingt. Und dank Bernd weiß ich jetzt, dass es an der Aral-Tankstelle in der Stresemannstraße die besten Crossini gibt.

Der Song „Rock-Pop national“ geißelt deutschtümelnde Populärmusik. Welche deutschen Künstler treiben euch die Schamröte ins Gesicht und den Schaum vor den Mund?

Tja, wo soll man anfangen? Eigentlich war der Song nur gegen den normalen Dreck gedacht. Ist doch wirklich unfassbar. Es gibt so viel gute Musik und was hören die Leute? UNHEILIG, REVOLVERMANN oder wie die alle heißen. Da fällt man doch vom Glauben ab. Und wenn man denkt „Schlimmer geht’s nicht mehr!“, kommen von irgendwo FREI.WILD her. Es gibt, glaube ich, kein westliches Land, in dem so viel beschissene Musik gehört wird wie in Deutschland.

Ihr preist Indielabels wie Creation, Flying Nun und AtaTak und rühmt die Vorzüge des Internet-Streamings. Wie seht ihr das Musikgeschäft generell, woran entzündet sich eure Kritik?

So viel Kritik habe ich gar nicht geübt. Es gibt ja, wie die oben aufgeführten Labels bezeugen, sauviel gute Sachen. Streamen ist auch voll praktisch. Früher las man in Spitzenmagazinen wie etwa dem Ox etwas über eine Platte und dachte sich: „Mensch, die wäre was für meines Vaters Sohn! Die muss ich hören.“ Also ab im strömenden Regen zum Plattenladen, um reinzuhören und eventuell die Platte zu kaufen. „Habt ihr das neue Album von den SHOP ASSISTANTS?“ – „Da haben wir eins reinbekommen, aber das ist schon weg.“ Ab in den Regen und nach Hause, nächste Woche gleiches Spiel. Da wird man schwermütig. Wenn die Leute mehr, bessere und im Idealfall unsere Platten kaufen würden, gäbe es am Musikgeschäft nichts auszusetzen.

Wie auch schon SUPERPUNK machen DLDGG den Spagat zwischen Northern-Soul, Mod-Powerpop und C86-Anorak-Pop. Führt uns bitte ein in eure Faszination für diese Genres und Subkulturen.

Northern Soul ist meiner bescheidenen Meinung nach die beste Musik der Welt. Man kann dazu tanzen, man kann sie sich zu Hause anhören, 1A-Melodien, spitzenmäßige Arrangements und manchmal sind sogar die Texte gut. Am C86-Sound mochte ich immer, dass das jeder kann. Es ist eigentlich der wahre Punkrock. Viele Punkbands bestanden ja aus talentierten Musikern. Talent war für C86-Musik wirklich nicht nötig. Jeder und jede konnte mitmachen. Das fand ich toll, das hat mich dazu ermutigt, selber Musik zu machen. Außerdem mochte ich den Look. Der war billig und nicht so anstrengend wie Mod. Und mackermäßig war das auch nicht. Sehr erfrischend in den Achtzigern.

Neu sind eure Versuche mit Ska. Wird es künftig mehr Offbeat-Songs geben?

Wir hatten, als wir angefangen haben aufzutreten, ein Ska-Instrumental im Programm. Das hat den Leuten und uns Spaß gemacht. Also dachten wir, dass wir auf dem neuen Album einen Ska-Song haben sollten. Muss man natürlich aufpassen, dass das nicht nach Bierzelt oder Skapunk klingt. Das haben wir aber hinbekommen, denke ich. Ja, ich hätte Lust, noch ein, zwei weitere solcher Songs zu machen.

Fussball spielt für einige Bandmitglieder eine nicht unbedeutende Rolle. Dabei seid ihr dem Zauber der Amateurligen erlegen. Ist „Amateur“ etwa eine versteckte Hommage an Aschenplätze, der „versteckte“ Fußball-Track der Platte sozusagen?

Nee, der Song ist eigentlich eine Hommage von mir an mich selbst. Hm, klingt jetzt ein bisschen affig.

Nach „Lied für Werner Enke“ der FÜNF FREUNDE-Zeitgenossen PAINTING BY NUMBERS nun mit „Kennst du Werner Enke?“ ein weiterer gesungener Tribut an den „dirty old man“ des Swinging Schwabing. Womit hat der Schauspieler diese Ehrung verdient?

Die Filme sind einfach sehr gut, und sehr eigen. Davor und danach hat eigentlich niemand mehr so etwas gemacht. Ich litt eine Zeitlang an so einer Art Enke-Tourette, das sich dahingehend äußerte, dass ich immer Zitate aus seinen Filmen vor mich hinbrabbelte wie: „Gesucht Öl, besonderes Kennzeichen: Sitzriese. Beherrscht den Flic Flac und trägt stets Freizeitanzüge ...“ Werner Enke kam dann auch zu unserem Konzert in München, obwohl er sich gar nicht so für Musik interessiert. „Elvis, BEATLES, das hat mich damals gar nicht interessiert, aber ihr seid spitze!“, meinte er. Das war ein Höhepunkt meiner „Karriere“. Schön, dass du dich an PAINTING BY NUMBERS erinnerst. Die waren sehr gut. Deren erster Organist hat übrigens auch bei FÜNF FREUNDE georgelt, deren zweiter Organist auch.

Der Song „Das Unglück bin ich“ vom neuen Album bedient sich musikalisch bei „Ja, ich bereue alles“ vom SUPERPUNK-Album „Why Not?“, inhaltlich knüpft er bei „Mein zweiter Name ist Ärger“ an. Ebenso „Begrabt mich bei Planten und Blomen“, das „Frühling im Park“ vom ersten Album wieder aufgreift. Geplant oder Zufall? Und ist es wirklich so schlimm mit dem Pech?

Nein, ist nicht so schlimm mit dem Pech. Schlimmer geht immer, aber Luft nach oben ist ja auch stets. Ist der Song wirklich so ähnlich wie der andere? Ist mir noch gar nicht aufgefallen. Also Zufall. Das mit den Parks ist auch Zufall. Ich bin gerne in Parks und mangels Fantasie schreibe ich oft Texte über Dinge, die ich kenne. Vielleicht sollte ich mal einen Song machen, in dem ich mit einem Motorrad des Fabrikats Harley Davidson die Route 66 hinunterfahre.

Die neueren Songs haben bisweilen weniger „Biss“ verglichen mit der Barrikaden-Rhetorik früherer Tage. Damals wollte man Fabrikanten schlagen, mit Entführungen neue Zähne erpressen. Heute gibt es Biedermeier-Idylle, Picknick im Park, kleine, unauffällige Sozialstudien statt Klassenkampf.

Es ist ja kein Betriebsgeheimnis, dass es schwierig ist, mit Musik eine Mark zu machen. Und als ich Schecks vom Verfassungsschutz erhielt, beschloss ich, auf die Barrikaden-Rhetorik zu verzichten und altersmilde zu werden.