MUFFS

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Rauswurf ins Glück

Zehn Jahre waren sie weg vom Fenster – und auf einmal sind THE MUFFS wieder da. Und sie sind ein Thema. Das liegt natürlich an ihrer neuen Platte: „Whoop Dee Doo“ hat nicht nur einen kuriosen, irgendwie zur Musik dieser Kalifornier passenden Namen, es hat einmal mehr auch diese umwerfenden Songs, in denen sich Pop, Punk und Rock’n’Roll abklatschen und gemeinsame Sache machen. Dass der Band derzeit erhöhte Aufmerksamkeit widerfährt, hat indes auch mit Frontfrau Kim Shattuck zu tun: Die war für eine kurze Zeit doch tatsächlich Mitglied der vielleicht größten Indierock-Band aller Zeiten – sie zupfte den Bass für die PIXIES, als Nachfolgerin von Kim Deal. Und mit einem Ende, das ebenso medienwirksam war: Nach einem Ausflug ins Publikum während eines Konzertes bekam sie von der Band zunächst ordentlich die Meinung gegeigt, und am nächsten Tag einen Anruf mit der Nachricht: „Das war’s: Du bist draußen!“ Die feine Art ist das nicht. Aber es ist eine Art, die erstens zum Ruf und zum stets propagierten Sturkopf-Image der PIXIES passt. Und es ist eine Art, die Fragen aufwirft und daher natürlich ideale Voraussetzung für ein Interview mit der Gefeuerten bietet. Im Gespräch mit dem Ox präsentierte sich Kim Shattuck jedenfalls recht auskunftsfreudig und gut gelaunt – und erklärt, was das neue MUFFS-Album mit Sturkopf Black Francis zu tun hat.

Kim, wenn man sich in der Rockszene umschaut, dann sieht man: Frauen, die in Bands spielen, sind entweder Bassistinnen oder Sängerinnen. Warum eigentlich?


Eine gute Frage. Aber das weiß ich auch nicht. Ich meine, ich liebe das Schlagzeug. Ich habe früher zu meiner Zeit bei den PANDORAS sogar mal versucht, Schlagzeug zu lernen, aber das hat nicht funktioniert. Das war keine gute Idee und ich habe es schnell sein lassen, haha. Seitdem spiele ich dann doch lieber Gitarre und Bass. Auch das sind zwei unglaublich wunderschöne und kraftvolle Instrumente.

Aus dem neuen THE MUFFS-Album „Whoop Dee Doo“ spricht eine extrem große Lebensfreude. Es hört sich irgendwie nach Schulparty mit Punks und alten Rock’n’Rollern an. Es ist ein sehr physisches, ein sehr tanzbares Album.

Genauso sollte es auch sein. Ich bin beim Songwriting zurück zu meinen Wurzeln gegangen. Zurück zu der Musik, die ich als Kind und als Jugendliche in den Sechziger und Siebziger Jahren gehört habe. Da war unter anderem zum Beispiel viel BLONDIE dabei.

„Whoop Dee Doo“ klingt darüber hinaus auch eine ganze Ecke rauher als die Alben davor. So, als ob ihr euch dem Klischee entsprechend in der Garage getroffen, die Instrumente eingestöpselt und einfach drauflos gespielt hättet. Keine großen Vorbereitungen – einfach machen.

Haha! Wir haben die Songs wirklich mit einem alten Aufnahmegerät aufgenommen, da ist also was dran, aber wir waren schon in einem richtigen Studio. Und wir haben die Gitarrenparts nachträglich eingespielt. Du musst wissen, dass vor allem ich beim Songwriting absolute Ruhe brauche. Da ist mir meine Privatsphäre wichtig. Ich muss dann zu Hause sitzen und konzentriert an Arrangements und Texten arbeiten können. Alles andere stört da nur. Die Garage ist da keine wirkliche Option.

Was hat es eigentlich mit dem komischen Titel der Platte auf sich?

Das ist meiner Zeit bei den PIXIES geschuldet ... Der Titel ist ein Spruch von PIXIES-Sänger Black Francis. Ich las selber erst in der Presse davon: In einem Interview wurde er darauf angesprochen, dass er, Schlagzeuger David Lovering und Gitarrist Joey Santiago mich ja gefeuert hätten und was er dazu zu sagen hätte. Seine Antwort war: „Whoop Dee Doo.“ Frei übersetzt bedeutet das ungefähr: „Kim Shattuck ist raus. Ja und? Wen interessiert’s?“

Das war ja nicht sehr freundlich.

Nein, absolut nicht. Aber als ich das hörte, musste ich lachen. Es passt eben dazu, wie ich die Bandmitglieder der PIXIES erlebt habe. Und wir sprachen natürlich auch bei den MUFFS darüber. Mir war schnell klar: So und nicht anders muss unsere neue Platte, die erste nach dem PIXIES-Intermezzo, heißen. Ich liebe den Titel jedenfalls!

Na ja, ich könnte mir vorstellen, dass du im Moment des Rauswurfs nicht so erfreut gewesen warst.

Nein, das war ich nicht. Aber mittlerweile ist es in Ordnung. Ich kann mich jetzt völlig auf die MUFFS konzentrieren – und das ist wichtig!

Wurdest du mittlerweile mal aufgeklärt, warum du nun konkret gefeuert wurdest?

Nein, keine Ahnung. Ich weiß auch nicht, ob es mit diesem Sprung runter von der Bühne bei einem Konzert in Los Angeles zu tun hatte. Das stimmt so auch nicht. Ich springe generell nicht in die Menge und lasse mich auf den Händen tragen – und das habe ich auch bei den PIXIES nicht gemacht. Wenn man so etwas macht, dann packen dich die Leute am Hintern und das ist nicht so toll. Bei der PIXIES-Show bin ich einfach runter vor die Bühne gegangen und habe den Leuten dort High-Fives gegeben oder sie mal gedrückt. Aber ich habe kein Stagediving praktiziert und mich auf den Händen tragen lassen. Es ist einfach so, dass die drei Jungs bei den PIXIES sehr eigen sind ... Aber wie auch immer: Ich kann damit leben und breche deswegen nicht in Tränen aus.

Wie du gerade schon gesagt hast: Ohne die PIXIES hast du nun mehr Zeit, dich wieder um THE MUFFS zu kümmern. Hätte es „Whoop Dee Doo“ ohne das PIXIES-Intermezzo vielleicht gar nicht gegeben?

Doch, doch. Wir hatten das Album bereits so gut wie fertig aufgenommen, bevor ich bei den PIXIES einstieg. Wir mussten es nur noch rausbringen. Und unser nächstes Album wird dann „Alles über die PIXIES“ heißen, haha.

Ihr habt knapp zehn Jahre gebraucht, um ein neues Album zu veröffentlichen. Warum die lange Pause?

Wir hatten alle viel zu tun. Ich habe mich zum Beispiel der Fotografie gewidmet. Also entschieden wir uns, eine Pause zu machen. Dass sie so lang wurde, war nicht geplant, hat sich aber so ergeben. Irgendwann war es dann aber wieder einmal an der Zeit, Musik zu machen. Ich denke auch, dass es das erst mal war mit langen Pausen, haha.

Eure Band existiert seit nunmehr 23 Jahren ... Wie habt ihr das geschafft – gerade als Band, die nie so richtig im Rampenlicht stand und eher unter dem Radar der breiten Öffentlichkeit flog?

Oh ja, das ist so verdammt lange! Unglaublich, dass wir schon so alt sind, haha. Ich denke, das Wichtigste ist, dass wir uns seit jeher nicht nur als Band, sondern auch als Familie sehen. Das heißt, auch wenn man sich mal zofft – und das kommt vor –, hat man ein gemeinsames Ziel. Wir können über alles reden. Und wir fühlen uns sehr wohl, wenn wir zusammen sind.

Familie, schön und gut, aber wie ist Kim Shattuck, wenn sie im Studio steht – die Chefin?

Absolut! Die Chefin, haha! Schließlich bin ich die Songwriterin und arrangiere die Songs auch zum Großteil. Da bin ich schon verdammt streng.

Dabei hört sich auch das neue Album eher nach viel Spaß und Bier im Studio an ...

Glaub mir, wenn es um unsere Songs geht, vor allem um meine eigene Performance, dann bin ich verdammt kleinlich. Da gehe ich notfalls, wenn es ganz schlimm wird, auch mal nach Hause und arbeite für mich, damit es für die anderen nicht allzu schlimm wird. Immerhin, der Rest läuft total unbeschwert ab, haha.

Wie entspannt gehst du unter solchen Voraussetzungen in ein Konzert?

Konzerte sind eine ganz andere Sache. Da war ich früher oftmals sehr verkrampft. Heutzutage gehen wir raus und wollen Spaß haben. Darauf kommt es an. Es muss nicht – so wie im Studio – alles technisch perfekt sein. Wer selber keinen Spaß da oben hat, der nervt das Publikum und zieht es runter. Das will keiner.

In den Neunziger Jahren, als THE MUFFS loslegten und sich einen Namen machen konnten, kam die sogenannte Riot Grrrl-Bewegung in den USA auf und stellte plötzlich ein Gegengewicht dar zu all den Frontmännern und männlichen Ikonen in der Hardcore- und Punk-Szene. Hast du dich je als ein Teil davon gesehen?

Nein. Das hat aber nichts mit dieser Szene an sich zu tun, die ich sehr interessant und wichtig finde. Es hat eher damit zu tun, dass ich mich noch nie als Teil irgendeiner Szene gesehen habe. Ich wollte kein Teil einer bestimmten Gruppe sein. Meine Musikerkarriere hat sich ganz natürlich entwickelt und ist nicht das Ergebnis irgendeiner Szenezugehörigkeit.

Szenen hin, Schubladendenken her – viele Menschen erwähnen THE MUFFS dennoch gerne mal in einem Atemzug mit der Band HOLE und vergleichen Kim Shattuck dabei mit Courtney Love. Passt das?

Nein! Wenn mich jemand mit Courtney Love vergleicht, dann sagt er oder sie damit nichts anderes als: Kim Shattuck ist verrückt, haha. Das ist nicht wirklich ein schöner und schon gar kein schmeichelhafter Vergleich, denn Courtney Love ist tatsächlich durchgeknallt. Nicht, dass wir uns falsch verstehen. Ich kenne sie ja nun schon ein Weile und mag sie. Aber sie ist eben eine völlig andere Person. Sie ist sehr exzessiv und heftig drauf – so bin ich nicht.

In einem Interview mit dir in einem amerikanischen Magazin las ich kürzlich, du würdest allzu aufdringlichen Konzertgästen gerne mal einen Tritt verpassen. Das ist ja doch ganz schön drastisch.

Ich habe das lange nicht mehr erlebt, dass jemand im Publikum aufdringlich wurde. Aber passiert ist das früher schon mehrfach. Da gab es Zuschauer, die meine Füße oder Beine angrabbeln wollten. Und denen habe ich auch mal einen Tritt ins Gesicht verpasst, obwohl ich Gewalt eigentlich ablehne, haha.

Jede Band hält ihr aktuellstes Album für das beste eigene Album aller Zeiten. Warum ist „Whoop Dee Doo“ für dich das beste MUFFS-Album, das es je gab?

Ob es das beste ich, vermag ich nicht zu sagen. Aber ja: Ich halte es für eines der besten. Lass es mich so sagen: Es ist mein neues Lieblingsalbum von uns. Mein altes Lieblingsalbum ist „Happy Birthday To Me“.

Kim, du bist eine so angenehme und nette Gesprächspartnerin und offensichtlich ein sehr humorvoller Mensch – wie um Himmels Willen also hätte das mit dir und diesen seltsam distanzierten und sturköpfigen PIXIES überhaupt gutgehen sollen?

Haha, da liegst du absolut richtig. Ich meine, ich liebe nach wie vor ihre alte Musik, sie ist großartig. Und es war eine tolle Gelegenheit, einmal Teil dieser Band zu sein – oder zumindest ein außenstehender Teil. Aber von solchen Stimmungen abhängig zu sein, das brauche ich wirklich nicht.