PLAGUE VENDOR

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... füllen den Gehörnten ab

Es ist nicht unbedingt die Pest, die PLAGUE VENDOR liefern, dafür aber ein anziehendes Gemisch aus so ziemlich allem, was geschmackssichere Rock-Fans lieben: Punk, Garage, Rock’n’Roll, Surf, Noise, ein basischer, aber druckvoller Sound und überdrehter Sprechgesang. Ihr Debüt „Free To Eat“ ist direkt, hektisch, energiegeladen, kaputt und nur 18 Minuten lang. Geschrieben wurde es in einer Woche und aufgenommen in drei Stunden – selbstredend live. Dass die Kalifornier nicht nur schnell sind, sondern sich auch von den unterschiedlichsten Persönlichkeiten inspirieren lassen, offenbart das Interview mit Sänger Brandon Blaine und Schlagzeuger Luke Perine.

Wie sind PLAGUE VENDOR entstanden, habt ihr schon vorher in Bands gespielt und was macht ihr abseits der Musik?


Brandon: Wir waren alle in verschiedenen Bands, als wir uns kennen lernten. Als mit denen Schluss war, wollten wir etwas zusammen anfangen ...

Luke: ... und zwar etwas, das einer in sich geschlossenen Ästhetik folgt – das hätte nicht notwendigerweise eine Band sein müssen. Ich liebe es, die kreative Kontrolle über ein Projekt zu haben, das ich leidenschaftlich verfolge. Du kannst jedes kleine Detail und die Art, wie du dich präsentierst, genau abstimmen. Wir wollten unseren eigenen Look kreieren und unseren eigenen Sinn für Humor umsetzen und haben zum Beispiel die Bandfotos mit einer 35-mm-Kamera aufgenommen und designen alle unsere Flyer und Plakate selbst. Die Musik ist natürlich das Wichtigste, denn ohne sie sind all diese Details nur oberflächlich. Ansonsten machen wir das Übliche: wir gehen einen trinken oder auch nicht, unternehmen etwas mit unseren Freunden und Partnern, bewundern Kunst aller Art und vermeiden, zu angestrengt nach Inspiration zu suchen.

Es heißt, eine mexikanische Volkssage hätte Einfluss auf euren Bandnamen gehabt.

Brandon: Unser Name geht etwas abgewandelt auf die mexikanische Volkssage „The pulque vendor tricks the devil“ zurück. Pulque ist fermentierter Agavensaft und ein Nationalgetränk in Mexiko. In der Geschichte geht es um einen Straßenhändler, der ein Geschäft mit dem Teufel macht. Damit er seinen Teil der Vereinbarung nicht einlösen muss, füllt er den Gehörnten einfach mit Pulque ab.

Was soll die Musik von PLAGUE VENDOR ausdrücken?

Brandon: Sie soll ihren eigenen Weg nehmen. Sie soll sich ausdehnen, in sich zusammenfallen, komplett abrennen, um sich dann wieder zu entzünden.

Luke: Sie repräsentiert das Folgen deiner eigenen, angeborenen Verrücktheit und ist die Ausdrucksweise davon. Sie ist das Suchen und Finden von etwas in dir selbst, das dich überrascht, und der Absicht diesem zu folgen. Außerdem wissen wir genau, was wir nicht wollen und was uns nicht darstellt. So gesehen sind PLAGUE VENDOR auch das Resultat eines Eliminierungsprozesses.

Ihr habt unter anderem für Iggy Pop und Jello Biafra eröffnet und ich nehme an, die zählen zu euren Vorbildern. Welche anderen Künstler waren wichtig für PLAGUE VENDOR?

Brandon: LIARS, BLOOD BROTHERS, Jean-Michel Basquiat, LES SAVY FAV, Bob Dylan ... Es sind so viele, ich könnte sie ewig aufzählen.

Weitere Einflüsse fernab der Musik, die ihr bereits genannt habt, sind Andy Kaufman – ein verstorbener US-amerikanischer Komiker und Performancekünstler –, George Carlin – ein verstorbener US-amerikanischer Komiker, Satiriker und Religionskritiker – und Jack Kevorkian – ein verstorbener US-amerikanischer Pathologe, Künstler und Sterbehilfe-Aktivist, bekannt unter als „Dr. Death“ und wegen Mordes zu einer langen Haftstrafe verurteilt. Was fasziniert euch an diesen Persönlichkeiten?

Luke: Das sind ganz verschiedene Aspekte an ihnen. George Carlin schaffte es immer, sich auf dem schmalen Grat zwischen umwerfender Komik und vollkommener Aufrichtigkeit zu bewegen. Er konnte dich zum Lachen bringen, aber am Ende hast du realisiert, dass er dir gerade etwas sehr Schlüssiges über ein ernstes Thema vermittelt hat. An Andy Kaufman fasziniert mich, dass man nie sicher sein konnte, ob er gerade seine wahre Identität zeigt oder dich wieder nur hinters Licht führt. Der Gedanke an Jack Kevorkian bringt einige sehr düstere Themen ans Licht und seine Geschichte ist äußerst kontrovers. Das verbindet ihn mit jeder Band, in die ich mich jemals verliebt habe: Ich weiß zunächst nicht, was ich mit ihr anfangen soll, ob ich mit ihr übereinstimme oder nicht, aber durch die Auseinandersetzung mit ihr lerne ich etwas.

Brandon: Unterm Strich sind es drei Personen, drei Namen, die jeder in den USA kennt und bei denen sich auf irgendeine Weise Erfundenes und Realität, Gerüchte und Wahrhaftiges überschneiden.

Sind das Qualitäten, von denen ihr denkt, sie fehlen gelegentlich bei aktueller Musik?

Brandon: Manchmal denke ich, dass ich selbst mehr tun könnte, um mich herauszufordern und auf der Bühne und im Studio die Grenzen zu verschieben. Ob es sich dabei um Dinge handelt, die gegenwärtiger Musik abgehen, kann ich nicht beurteilen. Jeder Künstler wählt die Farben selbst, mit denen er malt.

Luke: Allerdings sind wir keine Band, die wie andere gerne ihr Publikum verarscht. Wir haben nur Spaß und versuchen gut zu sein in dem, was wir tun.

Welche neueren Bands mögt ihr?

Luke: Ich habe WU LYF sehr gemocht und finde es schade, dass sie sich aufgelöst haben. Sie hatten so viel Kontrolle über ihren eigenen Sound und Stil. Sie wirkten sehr fokussiert und ich hatte immer den Eindruck, dass da noch etwas Großes kommt. Ich konnte sie leider nur einmal live sehen, im Echo in Los Angeles. Tatsächlich bin ich bei der Show rausgeflogen, weil ich ein bisschen zu sehr durchgedreht bin. Eine andere tolle Band sind ROYAL HEADACHE aus Sydney. Sie erinnern mich an die MISFITS mit Glenn Danzig und etwas R&B.

Eure Songtitel machen neugierig. Wovon handeln Songs wie „Breakdance on broken glass“ oder „Garden lanterns“?

Brandon: Jeder Song ist wie ein Kurzfilm. Die Band gibt dir den Soundtrack, ich dir das Drehbuch. Jedes Mal, wenn ich mir unsere oder die Songs anderer Bands wiederholt anhöre, ein Buch erneut lese oder einen Film nochmals schaue, entdecke ich etwas Neues daran. All diese Kunstformen sind in ihrer Wirkung im steten Wandel begriffen und darin immer abhängig von der Stimmung, in der sich der Einzelne in dem Moment befindet.

Eure Musik ist sehr ausdrucksstark. Ist es für euch eine Notwendigkeit, euch selbst auf diese Weise auszudrücken?

Brandon: Ich denke, es sollte eine Notwendigkeit sein, dass jeder eine Ausdrucksform für sich findet. Wir Menschen können dies im Alltag selten ausleben. Wir können nicht immer schreien, singen oder weinen, wenn uns danach ist, aber besorg dir eine Sprühdose, ein Instrument oder was immer zu dir passt und leg einfach los.