Toscana - Die Ox-Fraktion im Urlaub

Eigentlich bin ich ja überhaupt kein Urlaubs-Typ! Muss ich wirklich nicht haben, jedes Jahr wegfahren, oder so. Da scheint es der großen Mehrheit ganz anders zu gehen, die ist beim Thema Urlaub ja immer gleich ganz aus dem Häuschen. Vielen Leuten scheint es sogar das wichtigste überhaupt zu sein. Sei es nun der Malocher mit seinen pauschalen 14 Tagen Mallorca, Florida oder DomRep, oder aber der hippe Ox-Leser mit seiner ganz individuellen Rucksack-Reise, überall hört man nur: "Endlich Urlaub - nur schnell weg - unterwegs sein - herrlich - würde ich am liebsten nur machen!"

Mir ist das ziemlich fremd, sowas wie Fernweh verspüre ich nur äusserst selten und dann auch nur ganz kurz. Erholen muss ich mich eigentlich auch nicht, da ich das ja ohnehin schon so gut wie immer tue. Ich bin nämlich Student, und daher habe ich sowieso das ganze Jahr Ferien. Gut, auch ich muss mich natürlich hin und wieder dem Joch erniedrigender Lohnarbeit beugen - die tägliche Schüssel Reis will schließlich auch irgendwie finanziert werden - aber zwei Tage pro Woche im Baumarkt rumschlurfen holt man im 5-tägigen Wochenende dann leicht wieder heraus, ohne dass sich da ein größerer Erholungsbedarf ergäbe.

Natürlich habe auch ich schon meine Reisen unternommen, schließlich formt das den Charakter und weitet den Horizont. Ich habe fürwahr etwas von der Welt gesehen, das kann ich wohl behaupten! Ich war schon an der Nordsee, in Österreich, am Gardasee und bin sogar schon mit dem Flugzeug nach Amerika geflogen. Ja ja! Aber am liebsten bin ich dann doch zu Hause. Da kenne ich mich aus, da weiss ich wo alles steht und es ist auch so gemütlich. Wieso also eigentlich wegfahren?

Natürlich hasse ich hier zu Hause - wie sich das so als richtiger Misanthrop gehört - auch eine Menge, und es gehen einem die Leute auf den Sack. Aber die sind doch woanders auch nicht besser.

Aufgrund dieser meiner Einstellung ergab es sich nun, dass ich seit geschlagenen 3 Jahren nicht mehr die Heimat verlassen habe - die 5 Tage Paris letztes Jahr jetzt mal nicht mitgerechnet. Irgendwann denkt man daher dann doch mal darüber nach, wie es wäre, mal wieder in die Fremde zu ziehen. Als sich dann in diesem Jahr die Möglichkeit ergab, mit Freunden eine Woche in der Toskana zu verbringen, wurde kurzerhand der Entschluß gefasst, nun also doch mal wieder Reiseluft zu schnuppern und das Touristenleben zu kosten.

Die Toskana sollte es sein, die übrigens in Italien liegt. (Dessen war sich ein Arbeitskollege offensichtlich nicht ganz bewusst, als er mir auf die Mitteilung meines Reiseziels erwiderte: "Aahh, Griechenland. Schön!") Das ist freilich ein nicht gerade spektakulärer Urlaubsort, der zudem mit einer Menge Vorurteilen behaftet ist, was seine touristische Klientel betrifft. Der (sozial-)liberale Bildungsbürger ist es, den man wohl hauptsächlich zur Hauptreisezeit in der Toskana erwartet. Was soll ich zu diesem Vorurteil sagen? Es stimmt! Unzählige habe ich von ihnen durch die Gassen der mittelalterlichen Dörfer und Städte pilgern sehen, und man erkannte sie sofort. Schnurrbart, kurze Hosen und Sandalen, das sind die Insignien des bundesdeutschen, kulturbeflissenden Bildungsreisenden. Ich will hier freilich nicht gegen das Interesse an Bildung und Kultur oder kurze Hosen stänkern - der informierende Reiseführer war auch mein ständiger Begleiter, und die Kniehose ware schlicht Notwehr gegen die Hitze! - aber die Sandalen habe ich echt gefressen.

S a n d a l e n! Jeder latschte in diesen unmöglichen Dingern herum! Und damit meine ich jetzt nicht irgendwelche Mitfuffziger in Alte-Männer-Sandalen, die wenigstens mit Socken getragen werden, sondern diese super aufgeklärten, fußverwöhnenden modernen Teile, die von Beachboy bis Interrailer jetzt jeder Hipster an den Quanten hat, an den nackten, wohlgemerkt! Mir muss keiner erklären, wie praktisch und angenehm es ist, bei 30° Celsius in sowas anstatt in hermetisch dichtem Schuhwerk rumzulatschen, das weiss ich auch. Aber zählt Ästhetik denn gar nicht mehr??! Der Fuß mit seiner von Natur aus unansehnlichen Form gehört verhüllt! Es reicht mir schon, wenn in meinem Baumarkt 50% der Kundschaft in Badelatschen und Pantoffeln herumschlappt (ich frage mich immer, ob die in ihrer Wohnung dann konsequenterweise Schuhe tragen)! Muss sowas denn auch noch in Mode kommen?! Aber Schluß damit jetzt, ich will schließlich von schönen Landschaften berichten und nicht von hässlichen Körperteilen!

Eine solche schöne Landschaft fand ich nicht erst in Italien, sondern schon im bayerisch/tirolerischen Grenzgebiet bei Kiefersfelden, wo wir zwecks Verwandtenbesuches einige Tage Station machten. Hier gefiel es mir wirklich ganz wunderbar. Falls es jemand nicht wissen sollte: der Nachbarort von Kiefersfelden auf österreichischen Gebiet ist Kufstein, und das ist bekanntlich die "Perle Tirols". In dieser Umgebung unternahmen wir zwei schöne Wanderungen. Die erste führte uns um den hochgelegenen Hechtsee und zwei seiner Kollegen herum und schließlich auf den Thierberg zur Marien-Kapelle. Von dort oben hatte man einen wunderbaren Blick auf das Städtchen Kufstein mit seiner imposanten Festung. Bis vor ungefähr zwei Jahren wohnte dort oben noch ein Einsiedlermönch oder Pfarrer, oder so. Seitdem der verstorben ist, ist die Kapelle und die angrenzende Wohnung verwaist. Händeringend sucht man nun nach einem neuen Einsiedel, es hat sich aber noch keiner gemeldet. Also irgendwie könnte ich mir das ja schon vorstellen, da hat man ja wirklich seine Ruhe. Andererseits bin ich wohl nicht glaubensfest genug dazu, und nachts würde ich da vielleicht auch Angst kriegen, so ganz alleine auf dem Berg.

Am nächsten Tag wanderten wir dann auf die Oberaudorfer Alpen. Obwohl das Wetter nicht so schön war, hat es mir da sehr gut gefallen. Gar nicht auszudenken, wie gut es mir gefallen hätte, wenn das Wetter super gewesen wäre! Wir kehrten dort oben auch in einer echten zünftigen Almhütte ein und labten uns an Spezi und Käsebrot, die uns die Anneliese zubereitete. Die Anneliese ist die Almhüttenfrau und eine wirklich sehr rustikale Person, die zupacken kann und Fliegen zwischen ihren Fingern zerquetschte. Während dieser Tage in "Kuifersfuidn", in denen wir beim "Kurzenwirt" untergebracht waren - ein sehr empfehlenswerter Gasthof! - habe ich wieder gemerkt, dass ich die Berge liebe. Daher fassten wir den Plan, auf der Rückreise von der Toskana noch in Südtirol halt zu machen.

Wir sagten schließlich "Servus!" zu Bayern und Tirol und machten uns auf den Weg zum schönsten Teil Italiens, wie man zumindest vielfach meint. Dummerweise hatte ich am Vorabend Schwammerln gegessen, und die waren mir wohl irgendwie nicht so gut bekommen. Morgens hatte ich schon so komisch geschissen, und während des ganzen Tages verspürte ich ein flaues Gefühl im Magen und hatte keinen Hunger. Dazu kam, dass es immer heisser wurde, je weiter wir kamen, und so war ich ziemlich im Arsch, als wir endlich Buonconvento in der Toscana erreichten. Das letzte Streckenstück zu unserer Wohnung stellte uns und vor allem mein kleines Auto aber noch vor eine große Herausforderung. Die Italiener jagten uns da nämlich über eine unglaublich Schotterstrecke mit sagenhaften Steigungen, die wir nur im ersten Gang und unter gequälten Schreien meines tapferen Schnauferls bezwangen.

Endlich angekommen inspizierten wir zuerst mal die Wohnung, die nun für eine Woche unsere Heimstatt sein sollte. Ja, war schön. Vor allem gefiel mir, dass es dort auch eine Küche gab, aber das wusste ich ja auch schon vorher. Was mir allerdings gar nicht gefiel, war die faustgro§e (ungefähr!) Hornisse, die sich unrechtmäßigerweise in den von uns angemieteten Räumlichkeiten aufhielt. Zugegebenermaßen wollte sie das wohl selbst gar nicht, aber die dumme Sau fand den Ausgang einfach nicht und flog stattdessen bloß ständig vor die blöde Lampe. Ich hatte schon wimmernd aufgegeben und wollte nur nach Hause, wo es so große, gefährliche Tiere nicht gibt, als meine Freundin es schließlich doch noch schaffte das Vieh in unserer Butterbrotdose zu fangen und nach draußen zu komplimentieren. Danach trank ich noch ein halbes Bier und fiel in einen unruhigen Schlaf.

Vor unserer Reise hatte ich mich - meinem Berufsethos als "Ox"-Korrespondent entsprechend - natürlich auch darum bemüht, ein paar Punkrock-Connections auszuchecken, wie man in der Journalistensprache sagt. Ich kontaktete daher die in der letzten Ausgabe gefeatureten MANGES. Leider musste ich mich von denen allerdings belehren lassen, dass hinsichtlich Konzerten während des Sommers nicht viel laufe, dass der Punkrock - neben vielem anderen - in den heißen Monaten quasi pausiere. Die MANGES selbst waren zudem auch nicht im Lande, tourten sie doch in Amerika. Das war nun aber weiss Gott nicht weiter schlimm, schließlich gab es in der Toskana genug anderes interessantes, mit dem man sich befassen konnte.

Besonders bemerkenswert ist ohne Zweifel der ganze Mittelalterkram, der dort überall so in der Landschaft herumsteht. Burgen haben wir zwar keine besichtigt (Ich bin ja ein ganz großer Burgenmann!), aber dafür sah fast jedes Dorf und Städtchen noch original mittelalterlich aus.

Zwanzig Kilometer nördlich von uns lag Siena, eine ziemlich bekannte Stadt, die wir selbstverständlich auch mal besucht haben. Dort gibt es, wie behauptet wird, den schönsten Platz Italiens, die Piazza del Campo. Nun, das kann ich natürlich nicht beurteilen, aber er war doch schon ganz schön. Dort unmittelbar in der Nähe waren wir dann auch mit dem ganzen Klan, der mit uns da unten in Italien weilte, im Ristorante. Das war schon ein recht bunter Haufen - Franzosen, Amis, Deutsche - mit einer ganzen Horde Kinder dabei. Letztere benahmen sich allerdings (vor allem die Franzosen) wie die offenen Hosen. Da wurde mit Limo gespritzt, mit Knübbelchen geschossen und nebenbei noch das Essen gleichmäßig auf Tisch, Stühlen und Boden verteilt. Das Dumme daran war, dass ich direkt neben den Blagen saß und Mühe hatte ohne allzuviel Tomatenflecken aus der Sache rauszukommen. Naja, ich tat das beste, was ich tun konnte, ich hielt mich an meinen Wein und ließ mir nichts anmerken.

Eine Woche ist natürlich nicht besonders lang, und so war sie dann auch schnell vorüber. Wir haben selbstverständlich noch einiges mehr erlebt, aber ich kann hier freilich auch nicht alles erzählen. Und solche Sachen wie die, als ich beinahe im Pool abgesoffen wäre, sind ja auch peinlich.

Der Zwischenstopp in Südtirol auf dem Rückweg fiel dann leider flach, weil es da geschifft hat. So kam ich leider nicht mehr in den Genuss einer erquickenden Bergtour. Aber da mir dieser Urlaub so richtig gut gefallen hat, fahre ich womöglich nächstes Jahr wieder, und dann eventuell ins Gebirge. Und wer weiß, vielleicht wird aus mir irgendwann noch mal so ein richtiger Urlauber!