EL BOSSO & DIE PING PONGS

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Mehr als immer nur Ska

Nach über dreißig Jahren Bandgeschichte erscheint dieser Tage mit „Hier und jetzt oder nie“ das vierte Album der Münsteraner Ska-Pioniere EL BOSSO & DIE PING PONGS. Ich bin zwar nicht der größte Ska-Fachmann, aber seit Jahren mit dem Gitarristen und kreativen Kopf der Band, Marcus „Skacus“ Diekmann befreundet und habe mich in den letzten Jahren recht intensiv mit der Band auseinandergesetzt. So traf ich mich an einem schönen Mittag im August in einer Münsterschen Kneipe auf einen Plausch über Sandkastenfreundschaften, moderne Aufnahmetechniken und einiges

Lass uns zu Beginn mal eure Historie aufarbeiten. El BOSSO & DIE PING PONGS gibt es inzwischen fast dreißig Jahre und doch habt ihr nur vier Alben veröffentlicht. Das mag daran liegen, dass ihr euch bereits 1992 wieder aufgelöst habt. Was war der Grund für die damalige Trennung?

Wir haben 1985 quasi als Teenieband angefangen. El Bosso und ich waren Sandkastenfreunde und wohnten in einer Straße in Münster, Haus an Haus. Wir haben damals beide ziemlich zeitgleich unsere Liebe zum Ska entdeckt, ich hatte damals schon Konzertgitarrenunterricht, kam dann eher zufällig zur E-Gitarre und da war eigentlich schnell klar, wir gründen eine Ska-Band. Im Freundeskreis fanden sich auch Mitstreiter, die irgendwie ganz passabel ein Instrument bedienen konnten. Aus dieser Leichtigkeit sind dann schnell Songs wie „Immer nur Ska“ entstanden. Diese ungestüme, leicht naive Art von damals kann man als Band aber leider nicht über Jahre aufrechterhalten, weil man älter wird und die Ansprüche sich bei jedem Einzelnen verändern. Bei uns war es so, dass wir relativ bald in zwei Lager gespalten waren: Die einen wollten puristisch weiterhin Ska machen, ich selbst als Songwriter fand das Feld Ska-Musik im Grunde schon 1990 nach der ersten Platte „abgefrühstückt“ und wollte mich musikalisch breiter aufstellen. Diese Unstimmigkeiten über die musikalische Ausrichtung haben zusammen mit der Tatsache, dass wir alle mit der Schule fertig wurden und jeder für sich erst mal schauen musste, wie es weitergeht, letztlich dazu geführt, dass die Band auseinander driftete. Ein oder zwei Bandmitglieder haben relativ zeitnah Münster für Studium oder Ausbildung verlassen, wir konnten also nicht mehr regelmäßig proben und so ist die Sache mit der Band erst mal im Sande verlaufen.

Wie habt ihr dann elf Jahre später 2003 wieder zusammengefunden?

Wir haben uns in der ganzen Zeit nie so richtig aus den Augen verloren und merkten, dass wir mit den ersten zwei Alben auch nach all den Jahren immer noch angesagt waren in der deutschen Ska-Szene, einige Songs wie „Immer nur Ska“ und „Katharin“ so etwas wie Klassikerrang erreicht hatten und wir – zumindest in Münster – einen gewissen Kultstatus besaßen. Kurz gesagt: Offenbar bestand nach wie vor Interesse an den PING PONGS. Es hat uns schlicht gereizt, mal auszuprobieren, was mit der Band noch möglich ist. Wir haben dann zwei Reunion-Shows in Münster gespielt, die beide restlos ausverkauft waren. Bei diesen Konzerten waren letztlich die gleichen Leute anwesend, mit denen wir auch 15 Jahre zuvor bereits gemeinsam gefeiert haben. Das hat uns dazu bewogen, noch mal mit der Band zu starten.

Dennoch hat es acht weitere Jahre gedauert, bis ihr 2011 wieder ins Studio gegangen seid, um ein neues Album aufzunehmen, „Tag vor dem Abend“.

Wir haben nach 2003 immer mal wieder Konzerte und Festivals gespielt. Irgendwann hatte ich dann die Vision, zwanzig Jahre nach dem ersten Album mit den PING PONGS eine neue Platte zu machen. Wie würde sich die Band anhören, wie würden die Texte klingen? Das hat mich gereizt. So habe ich angefangen, über einen Zeitraum von drei, vier Monaten, neue Songs und Texte zu schreiben. Da die anderen Jungs von der Idee neuer Aufnahmen auch recht angetan waren, nahm das Ganze dann seinen Lauf.

Ihr habt alle eure Platten beim Berliner Label Pork Pie veröffentlicht. Wie ist die Verbindung zu Labelmacher Matzge damals entstanden? Er hat ja meines Wissens keine originäre Verbindung zu Münster?

Wir hatten in Münster als junge Band zunächst Kontakt zu einer professionellen Booking-Agentur, Moskito Promotion. Die haben damals für uns Konzerte gebucht und Moskito-Chef Oswald Münnig hat, da er seinerzeit noch kein eigenes Label hatte, dann den Kontakt zu Matzge von Pork Pie hergestellt.

„Immer nur Ska“ vom ersten Album ist ja bis heute euer größter Hit, nach dem das Publikum bei den Konzerten regelrecht giert. Hängt euch die Nummer inzwischen nicht zum Hals raus? Oder anders gefragt: Wünschst du dir nicht manchmal, dass der Song mal von einem neuen „Hit“ abgelöst wird?

Haha. Letzteres ist natürlich schon immer die stille Hoffnung, ist aber einfach sauschwierig, weil „Immer nur Ska“ in einer Zeit entstanden ist, in der wir alle noch sehr jung und regelrecht naiv waren. So etwas lässt sich nur schwer auf die heutige Zeit übertragen. Da wir aber nicht so oft Konzerte spielen und vor allen Dingen keine längeren Tourneen machen, macht uns der Song live durchweg immer noch Spaß.

Ihr habt ja in euren dreißig Jahren Bandgeschichte hautnah die Veränderungen im Hinblick auf Aufnahmetechniken miterlebt, ProTools etc. Wie stehst du zur den heutigen digitalen Möglichkeiten?

Ich finde die neue Technik sensationell, weil du mit kleinen finanziellen Mitteln die Möglichkeit hast, eine relativ hochwertige Produktion zu machen. Ich kann zu Hause am Rechner Songs so hochwertig aufnehmen und vorproduzieren, dass ich gar nicht abstrahieren muss, wie das am Ende mit der ganzen Band klingen wird. Anfang der Neunziger ging es den Labels ja noch vergleichsweise gut, so dass wir damals im Vielklang-Studio in Berlin-Kreuzberg als Band wochenweise die erste Platte aufgenommen haben. Das läuft heute aufgrund der neuen technischen Möglichkeiten natürlich anders.

Lass uns über das neue Album sprechen. Wie kam es zu der neuen, meiner Meinung nach doch eher punkrockigen Ausrichtung? Ich denke bei Songs wie „Wie schön es doch war“ oder etwa „Hier und jetzt oder nie“ direkt an die großen THE MIGHTY MIGHTY BOSSTONES. War das Folge deiner Vision, die du schon Anfang der Neunziger Jahre hattest, etwas vom klassischen Jamaika-Ska wegzukommen und vielschichtiger zu werden?

Anfang der Neunziger hatte ich eher den Plan, den Sound um Pop-Elemente und weniger in Richtung Punkrock zu erweitern. Ich war damals großer MADNESS-Fan, die anders als THE SPECIALS oder THE SELECTER zu der Zeit einen sehr eigenen und mainstreamig-poppigen Sound hatten, der mir sehr gefiel. So hatte ich mir das damals auch für EL BOSSO & DIE PING PONGS vorgestellt. Der aktuelle Einfluss auf „Hier und jetzt oder nie“ von Punk kommt daher, dass ich beim Vorgänger „Tag vor dem Abend“ das musikalische Spektrum rückwirkend betrachtet ein bisschen zu weit aufgezogen habe. Die Platte war sehr vielseitig, ihr fehlte aber ein wenig der rote Faden, was schlicht daran lag, dass ich nach zwanzig Jahren einfach randvoll mit Ideen war, die ich alle für das Album verarbeiten wollte. Das neue Album sollte da einfach ein wenig fokussierter sein. Ska wieder richtig auf den Punkt gebracht, allerdings mit einer punkigen Attitüde, wie das THE SPECIALS auf ihrem ersten Album Ende der Siebziger schon gemacht haben.

Wie schwierig ist es, beim Komponieren zwischen Punkrock und Ska hin und her zu springen?

Ich finde den Spagat zwischen Ska und Punk gar nicht so groß. Das ist beim Schreiben der Songs eigentlich recht einfach, weil die Stile sich tempomäßig sehr ähneln. Du kannst einen Songs in einem flotten Rockgewand anfangen und dann ohne Probleme in der Strophe zu einem Offbeat-Rhythmus switchen, weil das Tempo von vornherein gut zueinander passt.

Mit „Es geht voran“ findet sich auch ein Cover des BUZZCOCKS-Klassikers „Ever fallen in love (With someone you shouldn’t have)“ auf „Hier und jetzt oder nie“. Diesen Song habt ihr schon seit Jahren im Live-Repertoire, wieso nun auch die Studioaufnahme?

Der Song ist einfach gut. Wir stehen alle sehr auf die Nummer, wollten sie auch schon für „Tag vor dem Abend“ verwenden, hatten damals aber schlicht nicht mehr genug Zeit, sie auf das nötige Produktionsniveau der anderen Songs zu heben. Für die aktuelle Aufnahme war aber von vornherein klar, dass der Song gesetzt ist.