FUNERAL FOR A FRIEND

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Älterwerden und Nichtaufgeben

Man könnte meinen, dass der achte Besetzungswechsel einer normalen Band den Todesstoß geben würde. Nicht so bei der Waliser Emo- oder besser Post-Hardcore-Institution FUNERAL FOR A FRIEND, die sich noch vor der Veröffentlichung des kommenden Albums „Chapter And Verse“ wieder auf die Suche nach einem neuen Schlagzeuger machen durften. Dabei klingt die Band um Matthew Davies-Kreye so interessant und authentisch wie zu ihren Anfangstagen. Dass in der Zwischenzeit sehr viel falsch gelaufen ist, verarbeitet der Sänger in seinen Texten, die so wütend und fordernd sind, wie lange nicht mehr.

Das Besondere an FUNERAL FOR A FRIEND ist wohl, dass sie es trotz aller Umbesetzungen geschafft haben, ohne Unterbrechung Bestandteil einer Szene zu bleiben, die sich erst nicht selber definieren konnte, dann verflossen ist und sich nun verdienterweise wieder breiter Beliebtheit erfreut. „Natürlich haben wir die Entwicklung der letzten Jahre mitverfolgt und bemerkt, dass alte Weggefährten nun wieder live auftreten und sogar neue Alben aufnehmen, nachdem sie sich eigentlich schon dazu entschieden hatten, die Band zu aufzulösen. Für uns war es jedoch nie eine Option, die Segel zu streichen und diese Band zu begraben.“ Im Gegensatz zu Mitstreitern wie zum Beispiel BOYSETSFIRE oder BRAND NEW, welche sich im Laufe der Zeit bedingt durch künstlerische Differenzen rar gemacht oder ganz verabschiedet haben und nun irgendwie aus nostalgischen Gründen gefeiert werden, gönnten sich die fünf Waliser keine Pause. „Uns hat immer etwas angetrieben. Es gab immer Songs oder Ideen, die wir einfach veröffentlichen mussten. Wir wollten die Möglichkeit nutzen, über unsere Kanäle bestimmte Dinge anzusprechen und Menschen auf Missstände aufmerksam machen – soweit wir sie denn erreichen.“

Sieben Alben – acht unterschiedliche Bands

Im Gespräch mit Davies-Kreye fühlt man sich unweigerlich in die Zeit zurückversetzt, als es eigentlich eine Selbstverständlichkeit war, dass jede Hardcore- oder in diesem Fall Post-Hardcore-Band eine Message vertritt. Gedanken wie D.I.Y. oder ein veganer Lebensstil waren Inspiration für eine ganze Generation, die sich ob der Masse an Bands dieses aufblühenden Genres noch viel intensiver mit den Hintergründen auseinandersetzen mussten. „Natürlich haben wir eine Entwicklung beobachten können. Es ist ein zweischneidiges Schwert. Zum einen gibt es die Möglichkeit, durch das Internet eine schier unbegrenzte Fülle an Inspirationen finden zu können. Zum anderen sind wir aber auch Künstler, die nicht nur Zeit, Leidenschaft und Herzblut in unsere Musik stecken. Es gibt für mich immer noch nichts Schöneres, als sich mit einem Menschen über die Inhalte unserer Musik zu unterhalten. Es kann sein, dass das abgedroschen klingt, aber uns bedeutet der Kontakt zu den Leuten, die sich Zeit für uns nehmen, sehr viel.“

Dass diese Kontakte nicht nur bei FUNERAL FOR A FRIEND in den letzten Jahren wieder größer geworden ist, liegt sicherlich auch daran, dass die Texte des Sängers zu einem Aushängeschild der Band geworden sind. Wo früher noch Herzschmerz vorherrschte, findet man auf dem siebten Album, „Chapter And Verse“ ,wie schon auf den letzten beiden Platten, „Conduit“ und „Welcome Home Armageddon“, beißende Gesellschaftskritik. „Der Song ,1%‘ ist ein klares Statement unsererseits, dass Menschen grundsätzlich ihr Handeln reflektieren müssen. So kann es zum Beispiel nicht sein, dass Angestellte im Finanzwesen und vor allem Manager in diesem Bereich rigoros über die Zukunft anderer Menschen bestimmen dürfen. Es herrscht vor allem in Großbritannien ein Finanzsystem vor, welches vielen Leuten ihr Leben diktiert. Und wir alle fühlen uns dem machtlos ausgeliefert, obwohl auch dieses System von Menschen gemacht wurde und ständig auf die Bedürfnisse einiger weniger angepasst wird. Würde dieser eine Prozentanteil der Bevölkerung nur ein wenig sozialer denken, könnten wir einige Brandherde, die wir hier haben, sehr schnell löschen.“

„No gods, no masters!“

Getreu dem Motto „No gods, no masters!“, welches über viele Jahre auch im Hardcore wegweisend war, schreckt der Sänger auch vor Religionskritik nicht zurück und betont, dass ihm dieses Thema schon immer schwer im Magen lag: „Uns ist natürlich klar, dass wir mit unseren Ansichten keine Religionen zu Fall bringen werden. Aber wir wollen auch auf konkrete Missstände aufmerksam machen.“ Wo andere Musiker gerne auf die Interpretationsfreiheit ihrer Hörer verweisen, wird Davies-Kreye sehr konkret, was seine Texte angeht. „Natürlich hat Musik auch immer etwas Zeitloses. Aber es ist für mich vollkommen normal, eine konkretes Problem zu beschreiben, das ich gelöst haben will. Da bieten mir FUNERAL FOR A FRIEND eine willkommene Bühne.“

Dass er sich diese Bühne nun wieder mit Bands wie BOYSETSFIRE oder REFUSED teilen kann, ist vor allem für eine Generation erfreulich, die eine sehr enge Verbindung zu ihren Bands aufgebaut hat. Man wurde zusammen verlassen, man war zusammen wütend und nun kann man zusammen etwas bewegen. FUNERAL FOR A FRIEND sind der beste Beweis dafür, dass man seinen Idealen treu bleiben und sich trotzdem stetig weiter entwickeln kann – und das trotz aller Steine, die einem das Schicksal in den Weg rollen will.