VLADIMIR HARKONNEN

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Keine spaßfeindliche Predigerband

„Klare Hörempfehlung!“, urteilte Ox-Kollege Kalle Stille in Ausgabe 113 über das letzte VLADIMIR HARKONNEN-Album „Into Dreadnought Fever“, das Anfang 2014 erschien, nach „Silence, As Long As A Thought, While The Executioners Are Reloading“ (2009). Zu Recht: Die Kieler/Rendsburger stehen für eine brachiale Mischung aus Thrash Metal und Hardcore, die hierzulande ihresgleichen sucht. Warum die Platte nun aber gar nicht mehr verkauft werden darf, und wie man als punkiger Oldschool-Thrasher in einer bisweilen spießigen Metal-Szene trotzdem nicht den Spaß verliert, erzählt euch Frontmann Philipp.

Bei eurem jüngst erschienenen Album gab es juristischen Ärger. Was ist passiert?


Es geht um die Vinylversion von „Into Dreadnought Fever“. Das lief über eine Kooperation zwischen fünf Labels. Nun hatte eins der Labels den Namen Obey! Records. Unsere LP war ihre vierte Veröffentlichung. Das sind zwei Typen, die das D.I.Y.-mäßig aus Spaß machen, so wie jedes coole Label. Tja, nun gibt es in den Staaten eine Art HipHop-Klamottenlabel mit dem Namen Obey. Deren Anwälte haben tatsächlich von dem Plattenlabel Wind bekommen und irgendwann bekamen die beiden Post. Die juristische Auseinandersetzung hat schließlich dazu geführt, dass Obey! Records einer Unterlassung der Verwendung des Namens und der Verbreitung unter diesem zustimmen mussten. Da bringen zwei Typen ein paar Platten in Auflagen von jeweils ein paar hundert Stück heraus, verdienen daran im Grunde nichts, hätten aber durchaus eine sechsstellige Summe zahlen müssen, wenn sie sich geweigert und die LP weiter verkauft hätten. Juristisch ist das offenbar legitim, die Amis konnten sogar fordern, dass alle Tonträger vernichtet werden müssen. Einer Schwärzung oder Unkenntlichmachung des Logos wurde nicht zugestimmt. So was kann ich nicht nachvollziehen. Bitter für Obey! Records und auch für die anderen beteiligten Labels. Denn die durften die Platte natürlich auch nicht mehr verkaufen. Zum Glück waren bereits fast alle Exemplare weg, als diese ganze Geschichte begann. Nun haben wir uns den Arsch für eine Platte aufgerissen, die niemand bestellen kann ...

Wer in Norddeutschland lebt und auch nur im Entferntesten was mit Hardcore zu tun hat, läuft dir zwangsläufig über den Weg. Einerseits weil ihr mit VLADIMIR HARKONNEN unermüdlich Konzerte gebt, andererseits weil du gefühlt kaum eine Szene-Feierei auslässt. Wird dir das nicht mal langweilig?

Langweilig?! Es ist tatsächlich so, dass ich mich ständig darüber ärgere, dieses oder jenes Konzert verpasst zu haben! Ich kann es ewig bedauern, zu einer bestimmten „Feierei“ nicht gefahren zu sein. Das ist wohl wie beim Plattensammeln – je mehr Alben du hast, desto größere Lücken fallen dir in deiner Sammlung auf. Ich habe witzigerweise gerade heute darüber nachgedacht, wie viele Menschen man nur ein paar Jahre lang in unserer „Szene“ gesehen hat. Ich hab auch mal irgendwo gelesen, dass Hardcore/Punk lediglich eine Phase im Leben sei, gut für 18- bis 23-Jährige, die sich ein paar Jahre im Pit austoben, bevor sie weiterziehen. Das ist eine ziemlich armselige Vorstellung. Was würde das aus unserer Musik und den damit verbundenen Inhalten machen? Für mich steckt da aber mehr dahinter! Das habe ich schon gemerkt, als ich in den frühen Achtzigern von so unterschiedlichen Sachen wie SLIME oder IRON MAIDEN infiziert wurde: Das ist mein Ding und das wird mich auch bis ins Grab beschäftigen. Ein gutes Konzert löst bei mir wahnsinnig viele Emotionen aus. Dazu kommen ja noch die Inhalte. Es gibt immer Bedarf, sich über bestimmte Themen auszutauschen. Und die eigenen Konzerte möchte ich genauso wenig missen. Das kann nicht langweilig werden, auf der Bühne alles zu geben und den Adrenalinrausch zu genießen. Auch auf Tour entstehen immer wieder Kontakte und Freundschaften, ohne die mein Leben ärmer wäre.

Euer Sound läuft unter dem Etikett „Thrash-flavoured Hardcore“ – und so klingt es auch. Seid ihr im Grunde eures Herzens eigentlich Metaller, die es nur nicht zugeben wollen?

Wie du weißt, trage ich zum Beispiel eine Kutte, auf der sich Patches tummeln von ABFUKK, JUDAS PRIEST, SAINT VITUS, HAMMERHEAD, WOLFPACK, PENTAGRAM ... Da machen wir also aus unserem Herzen keine Mördergrube – das ist vielmehr ganz offiziell so, dass wir alle Metal und Hardcore/Punk lieben. Metal ist geil, wenn er laut und schäbig ist. Gib uns jederzeit die rohe Power von VENOM, WARFARE, MOTÖRHEAD, TANK oder SLAYER – Frühphase jeweils. Und lass uns in Ruhe mit Primaten-„Hardcore“ der mackerhaften Sorte! Ohne den Einfluss von Punk kann Hardcore ganz fix eine fade Suppe werden.

Eine spaßfeindliche Predigerband seid ihr natürlich nicht, trotzdem vertretet ihr politische Werte und macht durchaus entsprechende Ansagen. Kommt das immer gut an? Euer Publikum wird sich je nach Location ja schon sehr unterscheiden.

„In Deutschland herrscht keine Meinungsfreiheit. Als Nationalsozialist wirst du hier total diskriminiert.“ Diese Aussage ist wirklich authentisch, stammt aus einer Doku über Rechtsradikalismus. Und so sehr wir darüber eigentlich nur hysterisch kichern können, so sehr ist eine derartige Meinung in Teilen der Metal-Szene verbreitet. Von daher lassen wir es uns nicht nehmen, klare antifaschistische Statements abzuliefern, gerade wenn wir mal auf einem Metal-Festival spielen. Ist gar nicht lange her, da haben Teile des Publikums nach einer entsprechenden Ansage den Saal verlassen. Da freue ich mich natürlich innerlich, es ist mir sozusagen ein innerer Reichsparteitag, hohoho! Du triffst das aber sehr schön, wenn du uns nicht als „spaßfeindliche Predigerband“ siehst. Es würde mich wurmen, wenn andere das so wahrnähmen. Ich finde es allerdings schade, wenn Bands ausschließlich Plattitüden wie „Let’s kick some ass“ äußern. Als Besucher erfahre ich gern was über die Texte oder persönliche Ansichten einzelner Bandmitglieder. Mindestens kann man doch erzählen, was es zu essen gab!

Die Texte eurer Songs wirken durchdacht. Was kommt im Entstehungsprozess zuerst: Die Musik oder die Worte?

Ich brauche immer zuerst den Song und singe da erst mal irgendwelchen Quatsch. So gutturale Laute, die einer Urmenschensprache ähneln. Wenn ich zuerst einen Text verfasse, dann passt das von der Rhythmik, den Silben oder so nicht unbedingt zur Musik. Da hat man dann sehr viel Arbeit damit, die Textfragmente so umzumünzen, dass sie zum Song passen. Aber ich notiere mir ständig Schlagwörter oder Begriffe, die ich markant finde, und hebe mir die für später auf. Von den ursprünglichen Phantomzeilen bleiben manchmal auch Rudimente hängen. Es ist echt manchmal so, dass man kein passenderes Wort findet, als jenes, welches man spontan aus dem Bauch heraus zu einem Riff gebrüllt hat. Das ergibt dann zwar im Zusammenhang nicht immer Sinn, aber was soll’s! Die Musik schreibt übrigens bis jetzt zu nahezu 100% Zarc, unser Gitarrist, der die Songs meistens auch so weit ausfeilt, bevor er sie uns vorstellt, dass er auch schon Ideen für die Gesangslinien hat. Wir wollen mal gucken, ob in Zukunft noch mehr Input von den anderen Vladis einfließen wird. Inhaltlich verwurste ich auf dem neuen Album diverse politische Themen – Festung Europa, Frontex, Grenzen des Wachstums –, lasse mich aber auch von Büchern oder Kurzgeschichten inspirieren.

Die Vorgängerbands von VLADIMIR HARKONNEN sind keine Unbekannten, unter anderem BONEHOUSE und RASTA KNAST. Hatte ihr je das Gefühl, aufgrund eurer musikalischen Vergangenheit einer Erwartungshaltung gerecht werden zu müssen?

Nö, das ist uns eigentlich wumpe. Wir machen das ja nicht für andere, sondern weil wir Bock drauf haben! Da soll kein Stress aufkommen, wir stehen auf Entschleunigung und so. Alles muss fließen, Alter! Die Überschneidungen der Besetzungen beziehen sich bei den beiden genannten Bands ja auch nur auf jeweils eine Person. Eher könnte man eine musikalische Kontinuität zu 2ND ENGINE sehen, bei denen die Brüder Zarc und Eric gespielt haben. Für viele Außenstehende scheint der Gesang natürlich ein markantes Element zu sein, weshalb wir häufiger mit BONEHOUSE assoziiert werden. Aber natürlich sehe ich in dem Vergleich zu alten Bands von uns auch etwas Positives: nämlich das Kompliment, dass Leute den Scheiß immer noch mögen. Und wer bei BONEHOUSE Freude an der Live-Action hatte, der wird bei VRHN garantiert auch mit Genuss den Knüppel schmecken.