HARABALL

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Ausgeprägte Nihilisten

In den letzten drei Jahrzehnten hat es immer wieder sehr gute Hardcore-Punk-Bands aus Norwegen gegeben. Ihr Markenzeichen war oftmals der sehr rauhe Sound, gepaart mit einem kehligen Gesang. Aus tausend anderen Bands konnte man die Norweger irgendwie immer heraushören. Nun stieß ich während meines Norwegenbesuchs im Herbst auf HARABALL, deren Einflüsse eher von der anderen Seite des Nordatlantiks stammen. Gnadenloses Geballer können viele Bands, aber kaum eine so überzeugend wie HARABALL, die auch auf der CD-Beilage von Ox Nr. 116 vertreten waren. Ich sprach mit Sänger Jon.

Jon, wann und warum habt ihr HARABALL gegründet?


Wenn ich mich recht erinnere, haben wir die Band 2010 gegründet. Oder war es im Frühjahr 2011? Es hing wohl damit zusammen, dass wir etwas zu tun und ein kreatives Ventil brauchten. Wenn ich mir anschaue, was heute in der Musik so abgeht, dann wussten wir von Anfang an, dass wir etwas Interessantes zustandebringen werden.

Ihr stammt aus Kongsberg westlich von Oslo, genau wie Morten Harket, der Sänger von A-HA. Gibt es daneben noch weiteres, was es wert ist, aus Kongsberg zu berichten?

Haha! Wenn Morten Harket sich wie wir für Hardcore interessiert hätte, dann würde es in Kongsberg wohl anders aussehen. A-HA hätten vermutlich auch eine großartige Goth-Punkband abgegeben. Aber A-HA als Straight-Edge-Band – ich bin mir nicht sicher, ob das funktioniert hätte. Ich befürchte also, dass bei uns in Kongsberg ansonsten nichts Nennenswertes los ist.

Welche anderen norwegischen Bands würdest du unseren Lesern empfehlen?

In Norwegen gibt es im Augenblick wirklich viele gute Bands, wobei die Jungs von HAUST unsere Favoriten sind.

Wie würdet ihr eure eigene Musik beschreiben? Die meisten anderen norwegischen Bands haben diesen typischen Sound, im Vergleich dazu hört man bei eurer Musik eher den Einfluss von amerikanischen Hardcore-Punk-Bands heraus. Wie sehen eure musikalischen Ziele aus?

Ja, in der Tat haben uns amerikanischen Punkbands am meisten beeinflusst. Aber du kannst bei uns auch einiges des klassischen norwegischen Sounds hören, wie bei dem Song „Drunk at work“, der sich etwas nach SVART FRAMTID anhört. Unsere eigenen Ziele haben wir mit unserer aktuellen LP ziemlich gut umgesetzt, worüber wir sehr glücklich sind. Es bereitet uns sehr viel Spaß, die Songs live zu spielen, und wir werden es nicht leid, sie immer und immer wieder zu spielen. Wir haben bereits angefangen, neue Songs zu schreiben, wobei ich das Gefühl habe, dass wir mit die Entwicklung fortsetzen werden, uns von Platte zu Platte immer schräger und verrückter anzuhören.

Ich habe euch im September live in Oslo gesehen und habe sofort gemerkt, wie gut eure Bühnenpräsenz ist. Man merkt, dass ihr alle zuvor schon länger in anderen Bands gespielt habt. Welche waren das?

Ja, wir haben alle in diversen Bands gespielt, seitdem wir Teenager waren. Wir haben alle vorher bei FAIRFUCK gespielt, bis auf unseren Bassisten Vegard, der aber bei TIEBREAK war, wo unser Gitarrist William gesungen hat. Schlagzeuger Daniel Wakim und Trond Mjøen, Gitarre, waren zuvor schon in verschiedenen Bands zusammen. Sie haben sogar mal bei SLAVIA gespielt, einer Black-Metal-Band aus den Neunziger Jahren. Das war von der Musik her klassischer Black Metal, aber von den Texten und dem Image her waren sie mehr durch Osteuropa beeinflusst.

In den letzten zwei Jahren habt ihr zwei Singles und zwei LPs herausgebracht. Wie ist der Kontakt zu Fysisk Format Records zustande gekommen? Das Label ist ja sehr eng mit dem Tiger-Plattenladen in Oslo verknüpft.

Wir haben Kristian, dem Kopf von Fysisk Format, ein Proberaum-Tape von uns in die Hand gedrückt und ihn gefragt, was er davon hält. Er fand es klasse, und insgesamt funktioniert die Zusammenarbeit mit ihm sehr gut. Er redet uns nicht rein, was unsere Musik betrifft, und drängt uns auch nicht, dass wir Hits schreiben oder uns bei irgendwelchen Boulevardmagazinen anbiedern, also Sachen, die wir nicht leisten können und wollen. Die Zusammenarbeit läuft eher simpel ab. Wir liefern die Musik und er kümmert sich um all die Dinge, mit denen wir uns nicht auskennen, wie sich darum kümmern, dass Reviews in den Musikmagazinen erscheinen. Und er sorgt auch für den Vertrieb unserer Platten.

Fysisk Format Records ist bekannt für die gute Promotion außerhalb von Norwegen. Habt ihr auch schon irgendwelche Shows im Ausland gespielt?

Bislang waren wir nur in Schweden und Dänemark. Wir wollen irgendwann in Europa auf Tour gehen, dazu wäre es auch wirklich an der Zeit. Ich denke, was wir bräuchten, wären noch ein paar mehr Leute, die uns auf Tour sehen wollen und uns in Kontakt mit ihren örtlichen Clubs oder Bookern bringen.

Das Coverartwork eurer 2012 erschienenen 7“ „The Rope“ sieht außergewöhnlich aus, weil es eine ganze Reihe unterschiedlicher Versionen mit blutroter Beschriftung gibt. Wie seid ihr auf diese Idee gekommen?

Das ist eher zufällig entstanden. Die ursprüngliche Idee sah vor, unser Logo auf die Cover zu stempeln. Dann haben wir aber ein 7“-Cover mit einer glänzenden Beschichtung bekommen und eben nicht dieses dünne rauhe Papier, das wir ursprünglich bestellt hatten. Der Stempel hat auf diesem glänzenden Papier nicht gehalten, so dass wir dann versucht haben, unser Logo mit Stiften aufzumalen, was aber totaler Mist war. Deshalb haben wir auf ein paar Covern den Bandnamen regelrecht aufgemalt, wobei wir aber festgestellten, dass das viel zu lange dauert. Außerdem hatten wir nicht so viel Zeit und es war schon spät am Abend, denn die Platten mussten am nächsten Tag verschickt werden, weshalb wir diese Singles mit Aufklebern versehen haben. Aber ich hatte noch viel Farbe übrig, und als eines Abends ein paar Freunde bei mir vorbeikamen, fingen wir an, weitere Cover mit Farbe zu versehen. Dem Typen auf dem Bild haben wir zum Beispiel einen Bart verpasst oder schrille Anzüge. Mein Lieblingsbild ist das, wo der Typ einen Fahrradhelm und Ellenbogenschützer trägt. Es gibt aber nur um die zwanzig von diesen Covern, daher dürfen sich diejenigen glücklich schätzen, die ein solches Exemplar besitzen. Oder irgendeins von den handgemachten Covern, denn da haben wir auch viel Arbeit reingesteckt. Die Single ist nummeriert und alle Textblätter sind mehrfach von Hand gestempelt worden.

Einer der Titel auf eurer neuen LP „Half Tux“ hat meine Aufmerksamkeit geweckt, er lautet „Perfect like a Nazi“.

Ich denke mir, dass es darum geht, dass man sich seiner selbst oftmals zu sicher ist. Wenn du diesen Zustand erreicht hast, dann liegst du bereits total falsch.

Der Text zu „Off my meds“ klingt sehr interessant. Worum geht es in der Geschichte?

Es handelt von der Freude, endlich seine Anti-Psychose-Medikamente absetzen zu können. Wobei ich hier aber nicht erwähnen werde, um wen es in diesem Text geht, denn das ist ein zu sensibles Thema. Aber der Song handelt nicht von mir, auch wenn ich ihn in der Ich-Form geschrieben habe. Einige Leute haben das nicht verstanden, was einiges an Konfusion hervorgerufen hat. Es geht letztendlich darum, wie man sein bisheriges Leben an diese stark persönlichkeitsverändernden Medikamente verliert und wie man versucht, sein Leben zurückzugewinnen, indem man sie wieder absetzt. Für eine Weile haut das auch hin, aber am Ende wirst du verlieren.

Gibt es insgesamt irgendein bestimmtes Konzept, das ihr textlich mit euren Songs umsetzen wollt?

Insgesamt findet man bei uns einen ausgeprägten Nihilismus. Viel Hoffnung oder gar Positives ist da nicht vertreten. Das einzige Positive ist das Endresultat, die fertigen Songs auf unserer LP. Außerdem sind unserer Texte sehr Working Class-geprägt. Ich mag keine Musik, die zu studentisch ist.

Wer ist eigentlich dieser Kerl, der in eurem Video „Well, that passed“ zu sehen ist? Er sieht aus wie ein junger Clint Eastwood, der in einem zugefrorenem See ein Eisbad nimmt.

Ja, der Typ ist wirklich total derbe. Er ist Mitglied in einem dieser Eisschwimmer-Clubs. Du weißt schon, diese Typen, die bei Minusgraden schwimmen gehen.

Auch euer „Spite“-Videoclip hat mit einem Tennismatch einen eher unüblichen Inhalt. Das wirkt vor allem in Verbindung mit eurem No-nonsense-Hardcore-Punk ziemlich seltsam.

Haha! Ja, ich kann verstehen, dass es Leute gibt, die das als bizarr empfinden. Vielleicht kann man es als einen humorvollen Seitenhieb auf die hiesigen Musikvideos interpretieren, denn die meisten sind eher einfältig.