BEVIS FROND

THE BEVIS FROND, das ist Nick Saloman, der zumindest auf seinen Platten alle Instrumente selbst einspielt. Er scheint darüber hinaus ein so gewaltiges Output zu haben, wie kaum ein zweiter Musiker. So verzeichnet sein Gesamtwerk bereits 15 Platten, sieben davon Doppel-LPs und eine Triple-LP. Hinzu kommen diverse EPs, Tapes und jede Menge Projekte zusammen mit anderen Musikern, wie z.B. Mary Lou Lord, Dr. Brown oder Country Joe McDonald. Diese Menge an Platten dürfte wohl der Hauptgrund dafür sein, weshalb Nick ständig mit dem Vorwurf konfrontiert wird, ein paar der Platten würden auch reichen, man braucht wirklich nicht alle. Man braucht sie nicht, das stimmt, aber schaden kann es auch nicht, denn es befinden sich auf allen seinen Platten musikalische Juwelen, wie sie kaum ein anderer Musiker in einer solchen Fülle aufgenommen hat.
Nick ist Engländer, genauer gesagt kommt er aus London und hier scheinen auch immer wieder seine Inspirationen herzukommen. So heißt sein Label Woronzow Records, benannt nach einer Straße in London. Die LP "North Circular" zeigt viele Aufnahmen aus dem Norden Londons und hat als Nummer WOO 406, weil das der Straßenname des N.C. ist. Der Titel seiner aktuellen Platte, "Vavonna Burr" (siehe Kritik in Ox 36), war schlicht der Name eines ausgestellten Furniers in einem Laden um die Ecke. Auf solche Kleinigkeiten stößt man bei näherer Betrachtung von BEVIS FROND immer wieder. Mit Band geht Nick jedes Jahr auf ausgedehnte Europatournee und mittlerweile auch zum zweiten Mal auf US-Tour. BEVIS FROND als Band, das ist ausser Nick, Adrian Shaw und, bis vor kurzem, Andy Ward am Schlagzeug. Adrian Shaw spielte unter anderem den Bass bei HAWKWIND, nachdem Lemmy ausgestiegen war, spielte bei THE CRAZY WORLD OF ARTHUR BROWN und war Gründungsmitglied der Band MAGIC MUSCLE.


Nick, wann hast du angefangen, Musik zu machen?

Oh, bereits Anfang der Sechzigerjahre. Mit 7 habe ich meine erste Gitarre geschenkt gekriegt, auf der ich versucht habe, die Pop-Songs, die im Radio liefen, nachzuspielen. Mit 10 Jahren habe ich dann erste eigene Stücke geschrieben und gespielt.

Wann hast du das erste Mal daran gedacht, Sachen aufzunehmen und herauszubringen?

Von Anfang an. Mit 14 habe ich mir zu Hause mit dem Recorder ein 12 Song-Album aufgenommen, richtig mit zwei Seiten und alles eigenen Songs. Das Album sollte "Mausoleum of Straw" heißen.

Ist es je zur Veröffentlichung gekommen?

Ein Stück davon habe ich auf "Bevis through the Looking Glass" veröffentlicht.

"Allistar Jones"?

Ja, genau. Aber eigentlich habe ich "Mausoleum of Straw" aufgenommen, weil es mir Spaß gemacht hatte und ich eben von den ganzen damaligen Bands beeinflußt war.

Welche Bands waren das?

Mit 10 Jahren die BEATLES, SHADOWS, JOHNNY KID, JOHNNY AND THE HURRICANES. Später dann CREAM, BYRDS, ANIMALS, KINKS, was eben so aktuell war in der Zeit.

Wie hat dann alles mit BEVIS FROND angefangen? Soweit ich weiß, hattest du einen Motorradunfall, wegen einer unbeleuchteten Baugrube.

Ja, das ist richtig, obwohl der Unfall nur indirekt etwas mit der Sache zu tun hatte. Es war einfach so, dass ich dafür Schmerzensgeld bekommen habe. Es war das erste Mal, dass ich eine größere Summe Geld hatte, also habe ich davon mein eigenes Label gegründet und meine Platten rausgebracht.

Was heißt BEVIS FROND?

Eigentlich wollte ich das Ganze THE MUSEUM nennen, aber eine Freundin sagte zu mir, BEVIS FROND würde sich besser anhören, also nannte ich es so. Eigentlich heißt es nichts. Bevis ist ein walisischer Vorname und Frond ist der obere Teil eines Farnblattes.

Normalerweise ist BEVIS FROND eine Ein-Mann-Band, aber auf ein paar deiner Platten sind auch Gastmusiker, meistens am Schlagzeug. Zuerst Martin Crowley und später Andy Ward. Warum hast du das Schlagzeug von anderen einspielen lassen?

Sie spielen besser Schlagzeug als ich. Mit Martin hat es dann irgendwann nicht mehr geklappt, weil er ein Alkoholproblem hatte, er kam betrunken ins Studio. Danach hatten wir Ric Gunther auf unseren Konzerten dabei, aber da gab es das gleiche Problem. In einem Interview mit Mick Dillingham erzählte der mir dann von Andy Ward, dem Schlagzeuger von CAMEL, also rief ich ihn an und er wurde unser Schlagzeuger.

Warum spielst du jetzt wieder alle Instrumente alleine?

Ich mag den Prozess des Musikmachens und des Entstehens. Außerdem macht es mir Spaß, es ist spontaner und bequemer. Ich habe mir vor ein paar Jahren ein Aufnahmegerät gekauft und ein neues Studio bei mir zu Hause eingerichtet. Das ist bequem. Ich bin zu Hause, wenn ich "arbeite", und außerdem ist es eine Frage des Geldes, wenn du auch noch einen Schlagzeuger bezahlen mußt.

Gestern hast du den ersten Part des Konzertes mit Andy gespielt und den zweiten Part mit Ric. Warum?

Vor unserer letzten Europatour hatte Andy gesundheitliche Probleme, also mußte Ric einspringen. Ich konnte Andy nicht sagen, "Hör zu, Ric spielt heute", aber umgekehrt hat Ric einen guten Job gemacht während der Tour, also war es nur fair, beide spielen zu lassen.

Du hast ein gewaltiges Output. Die meisten deiner Platten sind Doppel-LPs. Dann spielst du mit verschiedenen anderen Musikern zusammen oder schreibst für sie Stücke, spielst jedes Jahr eine große Tour - wie machst du das? Bist du ein Workaholic?

Nein, absolut nicht. Es ist einfach mein Hobby, ich liebe es. Ich denke nicht über die Zeit nach, die ich dafür brauche. Außerdem landet nur ein Viertel von den Songs, die ich aufnehme, auch auf Platte.

Was ist mit dem Rest?

Der landet in der Schublade.

Wie schaffst du es, so kreativ zu sein?

Es ist keine bewußte Entscheidung, es passiert einfach.

Gibt es unter all den Songs einen, den du als besonders empfindest?

Ja, das ist "Stay at home girl".

Ist es ein persönlicher Song?

Ja, sehr. Es geht um mich und meine Angst davor, dass meine Tochter ihr Zuhause verläßt, aber auch darum, dass ich hoffe sie macht mit ihrem Leben das, was sie selbst wünscht und erwartet.

Worum geht es sonst in deinen Texten?

Sie konzentrieren sich auf ein paar wiederkehrende Themen. Älter werden, zu Ende gegangene Beziehungen, der städtische Gifthauch und Rosinenbrötchen mit Cremefüllung.

Deine ersten Platten sind auf Reckless Records erschienen - warum nicht auf deinem eigenen Label Woronzow?

Ich hatte sie vorher auf Woronzow veröffentlicht. 1988 sprach mich dann Reckless an, wegen einer Veröffentlichung. Da vorher nur eine sehr kleine Auflage meiner ersten Platten erschienen war, veröffentlichten Reckless sie dann nochmal, was mir wiederum Geld brachte. Von Reckless habe ich mich dann später wieder getrennt, weil sie mein Album "London Stone" nicht mochten. Ich hatte keine Lust, mir da reinreden zu lassen.

Adrian ist seit Jahren der Bassist bei Liveauftritten. Wie sehr ist er ein Teil des Ganzen?

Er ist ein Teil von BEVIS FROND. Wir spielen seit 10 Jahren zusammen, teilen das gesamte Geld der Tour, wir haben ein gemeinsames Label. Ohne ihn würde es nicht funktionieren, live zu spielen. Wenn Adrian eines Tages sagt, er will nicht mehr, höre ich auch auf.

Adrian: Wenn Nick aufhört, mache ich BEVIS FROND weiter (lacht). Ich kenne Nick jetzt seit 11 Jahren. Rod Goodway, der Sänger und Gitarrist von MAGIC MUSCLE, erzählte mir damals von Nick. Er gab mir seine Nummer und sagte, ich solle ihn mal anrufen, wir hätten viele gemeinsame Interessen: Psychedelic Music, Fußball, Familie, diese Sachen eben. Also rief ich ihn an, wir trafen uns auf ein Bier und wurden Freunde. Ich wußte, dass Nick bis dahin noch nie live gespielt hatte und überredete ihn mit MAGIC MUSCLE zusammen aufzutreten. Nick wollte erst nicht richtig, er hatte schließlich noch nie mit anderen Leuten zusammen Musik gemacht, aber wir sind dann doch ein paar Mal zusammen als THE MAGIC BEVIS MUSCLE FROND aufgetreten. Danach haben wir dann Auftrittsangebote aus Deutschland bekommen und so ging es weiter. Im Studio ist BEVIS FROND jedoch nur Nicks Projekt.

Ihr seid letztes Jahr zum ersten Mal durch die Staaten getourt. Wie seid ihr dort angekommen?

Wir hatten vor dieser Tour hin und wieder mal Einzelauftritte und wurden häufiger gefragt, ob wir nicht auf Tour kommen wollen. Ja, ich glaube wir sind gut angekommen. Amerika ist vom Publikum Europa ziemlich ähnlich.

Ihr habt gerade eine Live-Platte zusammen mit Country Joe McDonald herausgebracht. Werdet ihr noch weitere Auftritte zusammen haben?

Adrian: Es waren zwei US-Auftritte für Juli geplant, die aber wegen schlechtem Management geplatzt sind, man hatte einfach vergessen, für uns Flugtickets zu kaufen, und als sie dran gedacht haben, waren die Flüge ausgebucht.

Nick: Es wird wohl in absehbarer Zeit keine gemeinsamen Auftritte geben.

Warum nicht?

Adrian: Oh, das liegt an Joe. Für uns wäre es toll, wir sagten ihm auch, es wäre dumm, gerade jetzt wo die Platte erschienen ist, keine gemeinsamen Auftritte zu machen, aber es ist so, dass seine Gagenforderungen nicht in unseren Rahmen passen. Wenn uns ein deutscher Veranstalter sagt, ich gebe euch fünftausend für den Auftritt, wird Joe sagen, er will zehntausend. Das ist unrealistisch.

Sicherlich waren eure Konzerte mit Country Joe in einem etwas größeren Rahmen, als es eure Konzerte sonst sind. Stört es dich, manchmal nur vor einem kleinen Publikum zu spielen?

Natürlich bevorzuge ich es, vor einem größeren Publikum aufzutreten, aber im Grunde sage ich mir, dass ich für die Leute spiele, die auf das Konzert gekommen sind, und nicht für die, die nicht da sind.

Wie kommt es, daß ihr nie auf den ganzen Open-Air Festivals spielt?

Ganz simple Antwort: Wir werden nie gefragt. Darum.

Hast du mal darüber nachgedacht, deine Musik kommerzieller zu vermarkten, also z.B. Videos zu machen oder etwas in der Art?

Nein, daran habe ich absolut kein Interesse.

Euer Label Woronzow ist in der letzten Zeit größer geworden. Ihr habt eine ganze Menge an Platten anderer Bands und Interpreten rausgebracht, ich glaube, mehr als in der ganzen bisherigen Geschichte von Woronzow. Wie kam es dazu?

Nein, wir haben immer schon Platten anderer Bands rausgebracht, nur im Augenblick halt mehrere gleichzeitig. Außerdem ergaben sich gerade jetzt viele Möglichkeiten.

Adrian: Nick und ich haben abends bei einem Bier gesessen und Nick meinte, er wäre gelangweilt, und ich sagte "Ja, ich auch", also haben wir überlegt, was wir machen können, und er fragte, was ich davon halten würde, Woronzow größer werden zu lassen. Also haben wir überlegt, wie das laufen könnte. Nick hatte gerade Country Joe kennengelernt und wir trafen Tom Rapp auf dem Terrastock-Festival. Tom überlegte, eine neue Platte rauszubringen, seine erste nach 25 Jahren, also boten wir ihm einen guten Deal an. Ähnlich war es bei den GREEN PAJAMAS.

Was sind eure Auswahlkriterien?

Es müssen Leute sein, die wir mögen, und die Musik muß uns gefallen. Dafür bieten wir den Leuten einen fairen Deal und eine gute Qualität.

Soll Woronzow noch größer werden?

Das kommt drauf an. Früher habe ich meistens Platten anderer Bands veröffentlicht, die sonst nirgends untergekommen wären, also brachte ich deren Platte raus und sagte, "So, hier ist deine Platte. Jetzt schau was du damit machen kannst. Kümmere dich drum, der Anfang ist gemacht." Weißt du, ich möchte kein Richard Branson sein, der in einem Büro rumsitzt und Verträge abschließt. Es wird sich zeigen.

Welche aktuellen Bands hörst du im Augenblick?

Ich mag die GREEN PAJAMAS, WELLWATER CONSPIRACY, NEGRO PROBLEM, COTTON MATHER.

Vielen Dank für das Interview.

Wer noch weitere Infos sucht, oder sich über diverse Woronzowplatten, Konzerte etc. informieren möchte, dem sei die Homepage von BEVIS FROND ans Herz gelegt: www.woronzow.co.uk