TERROR

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Wenn es weh tut

Überraschend verkündeten TERROR Mitte Juni, dass die anstehende Tour ohne ihren Sänger Scott Vogel stattfinden muss und Bassist David Wood (Gesang bei DOWN TO NOTHING) seinen Part übernehmen wird. Vogel gab in einem Statement auf seinem Facebook-Profil bekannt, dass ernstere Rückenbeschwerden Grund für den kurzfristigen Ausfall seien, er aber alles daran setze, schnell wieder auf die Beine zu kommen. Schwäche, Alter, das Älterwerden, alles Tabuthemen in Subkulturen, in denen es doch überwiegend um Kämpfe, Selbstbehauptung und Härte geht? Scott Vogel erklärt, wie er mit dieser für ihn ungewohnten Situation umgeht.

Scott, wie schlimm ist es für dich, dass die Band ohne dich auf Tour ist?


Am schlimmsten wird es für mich während der Konzerte, wenn die ersten Fotos im Netz auftauchen. Da möchte ich am liebsten aufspringen, aber ich genieße auch die Zeit zu Hause. Klar, mein Ausfall ist für die Band nicht optimal, aber ich weiß, dass David mich exzellent vertritt und TERROR sowieso viel mehr ist als nur Scott Vogel.

Glaubt man den Statistiken, kämpfen ein Drittel der Erwachsenen zwischen dreißig und fünfzig Jahren mit Rückenbeschwerden. Die Ursachen sind vielfältig, jedoch werden fehlende Bewegung, Stress, einseitige Belastungen und Übergewicht als Hauptursachen genannt. Was hat bei dir die Beschwerden ausgelöst?

Vor allem die Tatsache, dass ich nun seit geschlagenen 13 Jahren mit TERROR auf Tour bin. Unsere Touren waren immer hart und intensiv. Immer 100% auf der Bühne geben, das Reisen zwischen den Auftritten und dann jede Nacht in einer ungewohnten Umgebung zu verbringen, das alles summiert sich solange, bis der Körper irgendwann nein sagt. Der Tourstress macht es sicher nicht besser und etwas fitter könnte ich bestimmt auch sein.

Und was unternimmst du gerade konkret, um wieder auf die Beine zu kommen?

In erster Linie versuche ich, mit Hilfe von Physiotherapie erst mal die eingeklemmten Nerven wieder freizubekommen und durch bestimmte Übungen den Rücken zu stärken. Gegen die Entzündung bekomme ich Spritzen.

Eine Szene, die von ihrer Jugend und Lebendigkeit lebt und deren Vorbilder nie wirklich älter werden, redet dementsprechend auch nicht gerne übers Älterwerden und all das, was damit so einhergehen kann, vor allem Krankheit und körperliche Einschränkungen.

Niemand denkt gerne daran, älter und schwächer zu werden oder langsam die Kontrolle über Körper und Verstand zu verlieren. Aber so sieht nun mal die Realität aus, die Zeit spielt gegen uns alle! Natürlich wollen wir alles positiv sehen und sich zu sagen, dass man schon irgendwie durchkommt. Doch letztlich ist sich trotzdem jeder der eigenen Vergänglichkeit bewusst.

Andererseits ist es kein Geheimnis, dass viele Musiker zu massivem Einsatz von Medikamenten neigen, um für diese eine Stunde auf der Bühne zu strahlen und alles zu geben, sich hinterher aber vor Schmerzen nicht bewegen können. Wie fit muss ein Musiker sein, um eine gute Show abzuliefern?

Im Allgemeinen versuche ich auf Schmerzmittel zu verzichten und halte es für sinnvoller Ansatz, auf die Zeichen meines Körpers zu achten und ihn ohne diesen ganzen Müll zu kurieren. In der Vergangenheit gab es mal eine Phase, in der ich etwas zu sehr Gefallen an dem Zeug gefunden hatte. Jede Nacht aufs Neue vor einem Publikum zu stehen und alles zu geben, ist kräftezehrend, und zu viele Male habe wohl oder übel ganze Touren durchgesoffen. Auf Tour sein hat für mich dem „echten Leben“ oft nicht mehr viel zu tun.

Jungs weinen nicht und reden nicht über Gefühle. Wirklich? Sind oder waren gesundheitliche Probleme unter Musikern überhaupt ein Thema?

Viele meiner engsten Freunde sind auch Musiker und selbstverständlich haben sich auch nach meiner aktuelle gesundheitliche Verfassung erkundigt. Und stell dir vor, gestern Abend habe ich den Film „Hurricane“ mit Denzel Washington gesehen und irgendwann bekam ich feuchte Augen. Ich spreche, ich habe Gefühle und ein Junge bin ich trotzdem.

Sind Krankheiten und das Älterwerden auch Thema auf „The 25th Hour“, eurem neuen Album, das im August auf Victory erscheint?

Nicht wirklich. TERROR, diese Energie und das Leben, das ich dank der Band führe, das ist für mich pure Jugend! Das gibt mir so unterschiedliche Weise das Gefühl, jung und lebendig zu sein. Auf Tour und immer unterwegs zu sein und dabei unterschiedliche Menschen zu treffen, um Konzerte zu spielen und zusammen wieder neue Platten aufzunehmen, hält einen einfach frisch! Dieses Mal gingen die Aufnahmen wirklich sehr leicht über die Bühne. Wir waren gut vorbereitet, und hatten ungefähr alle dieselben Vorstellungen. Songs samt Texte standen bereits, bevor wir ins Studio gingen, eine erste Aufnahme meines Gesangs für alle Songs hatte ich auch schon fertig. So entspannt lief es noch nie.

Es gibt einen Unterschied zwischen der Glorifizierung von Schmerz bei Henry Rollins und dem Gefühl, sich verdammt noch mal nicht bewegen zu können, weil der eigene Rücken nicht mitmacht. Wo stehst du zwischen diesen beiden Extremen?

Ich kenne Rollins eigentlich kaum, aber seinen eigenen Schmerz zu beherrschen und sich nicht davon beherrschen zu lassen, da ist schon was Wahres dran. Es gibt den Spruch „Schmerz ist nur die Schwäche, die den Körper verlässt“ – das baut mich irgendwie auf. Zum Glück war ich noch nie so schwer verletzt, dass ich nicht mehr in der Lage war, mich zu rühren oder die einfachsten Dinge zu erledigen. Das ist sicher ein erschreckendes Gefühl, das man nicht so leicht verkraftet.