Aus dem Schrank geholt: VERSCHWENDE DEINE JUGEND

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Jürgen Teipel (2001/2012, Suhrkamp, 376/454 Seiten, 16,99 Euro)

2001 schrieb ich in Ox #45: Auch ein nettes Hobby: 1.000 Stunden Interviews führen mit 100 zentralen Akteuren der frühen deutschen Punkszene, diese abhören und geordnet in Buchform zu bringen. Jürgen Teipel, selbst in den Siebzigern szenemäßig aktiv und damals musikalisch auf den Geschmack gekommen, hat sich diese Höllenarbeit aufgehalst, drei Jahre Zeit in dieses Projekt investiert und mit Suhrkamp sogar einen großen Verlag gefunden, der an die Sache glaubte. Das Ergebnis ist ein großartiges Buch, das sowohl jenen, die in den letzten Ox-Ausgaben über die Interviews mit Peter Hein von FEHLFARBEN und Xao Seffcheque von FAMILY 5 stolperten und nicht kapierten, was das sollte mit diesen alten Männern, wie auch denen, die sich noch daran erinnern können, wie sie die RAMONES im Radio hörten oder plötzlich diese Ding namens Neue Deutsche Welle angesagt war, erhellende Einsichten verschaffen kann ins Warum und Wieso. Interviewt wurden von Teipel unter anderem Ben Becker, Campino, Diedrich Diederichsen, Andreas Dorau, FM Einheit, Nina Hagen, Peter Hein, Alfred Hilsberg, Thomas Meinecke, Ale Sexfeind, Trini Trimpop und Frank Z., wobei deren Antworten jeweils ohne Abdruck der Fragen in zeitlich und thematischen zusammengehörenden Blöcken zusammengefasst wurden, teils in Bezug auf die Statements der jeweils anderen Befragten. Ein schwieriges Unterfangen, das aber geglückt ist und das Buch zum kurzweiligen Lesevergnügen macht, das wirklich hochinteressante Einblicke in die Frühphase des Punkrock in Deutschland verschafft.

Mit dem Buch löste Teipel seinerzeit eine (kleine) Erinnerungswelle aus, das Interesse an der Frühphase von Punk, New Wave und NDW wuchs, und so fand in der Düsseldorfer Kunsthalle 2002 die Ausstellung „Zurück zum Beton“ statt, und 2004 erschien auch noch ein (redundanter) Spielfilm mit dem gleichen Titel. Lohnenswerter ist da die Doppel-CD mit dem „Soundtrack“ zum Buch, die 2002 von Ata Tak veröffentlich wurde. 2012 wurde das Buch in einer erweiterten Fassung neu aufgelegt.