GRILLMASTER FLASH

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Meine Top 5 Bruce Springsteen-Songs

Was veranlasst einen kleinen Fisch im deutschsprachigen Popaquarium wie den Grillmaster Flash – einen Typen aus Bremen-Nord – eine Top-5-Liste seiner Lieblings-Springsteen-Songs zu offenbaren. Vielleicht ist es (neben meinem aktuellen Album, für dessen Cover ich mich offensichtlich beim Boss bedient habe) am ehesten meine Sozialisation in etwas zwischen Vorort und Kaff, einem Sammelbecken alltäglicher Tristesse und mangelnder Inspiration. Ein Ort, wo man sich den Zugang zu allem Alternativen aktiv suchen muss und dabei wenig Gleichgesinnte findet.

Springsteen kannte ich immer nur von „Born in the U.S.A.“ und „Streets of Philadelphia“. Außerdem dachte ich lange Zeit auch, dass „Walking in Memphis“ von Marc Cohn eigentlich ein Springsteen-Song sei. Wollte da einer auf den Zug aufspringen? So wie seit circa zehn Jahren alles, was irgendwie vom Punk oder Hardcore Richtung Rock/Folk/oderwiedasallesheißt auf diese schwere Dampflok Springsteen aufspringt? Zumindest in den Rezensionen der Fachjournaille. Okay, lasst uns fair bleiben, Anfang der Neunziger hatte der Boss nicht die richtigen Hits und Marc Cohn ist, glaube ich, kein Ex-Punk. Ich auch nicht. Warum also finden alle Springsteen grillmaster-flash.degut?

Ich sage, weil der eben gut ist, also sehr gut! Ein Typ, unverwüstlich wie ein Baum. Einer, der vierzig Jahre Business so unbeschadet übersteht – da können selbst Keith Richards und Lemmy einpacken. Bruce Springsteen wird wahrscheinlich hundert. Der Mann hat eine Energie, das macht einen körperlich richtig an. Das ist vielleicht das, was ihn mit Punkbands vereint. Schulterschluss und Umarmung mit dem Fan. Ich höre nur Musik, wo ich so ein Gefühl sofort habe, love at first sight. Ich bin ungeduldig. In den Songs, die man hört, soll man sich zu Hause fühlen. Sie sind ein guter Kumpel und manchmal die große lebenslange Liebe.

5. „Land of hope and dreams“

Hat mir mein Freund Murphy, mit dem ich einige Songs zusammen für mein erstes Album geschrieben habe, mal auf eine Mix-CD gebrannt. Eine unübertrumpfbare, liebevolle Freundschaftsgeste. Ich kenne den Song nur als Live-Version, weiß nicht, von wann oder wo, klingt aber fett. Er ist dann auch viel später auf dem Album „Wrecking Ball“ erschienen.

4. „Adam raised a cain“

Keiner kann so geil einzählen wie der Boss, selbst Dee Dee Ramone nicht. Wobei die Kunst der RAMONES darin bestand, dem in immer demselben Tempo vorgetragenen Einzähler, one, two, three, four (vier Typen, vier Akkorde, Vierviertel, die Vierfaltigkeit), Songs mit jeweils verschiedenen Geschwindigkeiten folgen zu lassen. Nun, der Song ist natürlich auch in der Live-Version total geil, weil er so schön gitarrig ist und so ’n lässiges Barklavier hat. Ich stelle mir dazu immer eine verrauchte Billardkneipe vor, wo kaputte Trucker warmes Bier trinken und Frauen mit verschmiertem Lippenstift Kette rauchen. Verrucht ohne Ende, was allerdings dem Text kaum gerecht wird. Die E STREET BAND kann eben einfach grooven. Und Grooven ist sehr wichtig. Schrammeln kann jeder, bringt aber nix. Ich selbst schrammele auch sehr viel und seht, wie viele Platten ich bisher verkauft habe ...

3. „Free falling“

Ist von Tom Petty und nicht von Springsteen. Egal. Der helle Wahnsinn! Keiner rockt so unschuldig und true wie Tom Petty. Man will einfach nur mit hochgerissenen Armen das Zimmerfenster aufreißen und „Jaaaa!“ schreien. Habe ich mal gemacht, nachts um drei Uhr. Der Nachbar kam hoch, er müsse arbeiten. Was kann ich dafür?

2. „Thunder road“

Was soll ich dazu noch schreiben? Wer da nichts spürt, ist tot. From your front porch to my front seat. Die Hoffnung für alle stehen und liegen gelassenen Girls, wunderschöner Song. Die Live-Version, nur mit Klavier und Glockenspiel begleitet, ist schöner und intensiver, finde ich. Sowieso muss ich immer fast weinen, wenn Leute mir sagen, sie hören eher harte Musik. Was soll das denn? Die denken so lange, dass Heavy Metal hart ist, bis sie sich an Alufolie schneiden und wie kleine Mädchen flennen.

1. „Born to run“

Ich fange immer sofort an, die Scheibe runterzukurbeln. Dabei habe ich gar kein Auto. Ich mache die Armbewegung instinktiv in die Luft, egal wo. Beim ersten Ton denke ich schon, ich bin auf der Landstraße. Ich wurde geboren, um zu rennen! Bin aber zu faul. Bruce, nimm mich mit! Eine perfekte Runaway-Love-Story, total amerikanisch, romantischer geht das eigentlich nicht. Und im Stau die ganzen gebrochenen Helden auf’m last chance power drive. Point of no return! Kommen trotzdem abends alle wieder nach Hause, nur Wendy und ihr Typ nicht, schöne Vorstellung. Der Song ist wie eine Musicalnummer, narrativ komponiert (als ob ich Ahnung von Musiktheorie hätte). Eine einzige Ganzkörpermuskelkontraktion. Mit Schweißausbrüchen und Gänsehaut inklusive. Das klappt, weil die Komposition trotz Tempowechseln fortwährend gute Hooks hat (schon wieder!), ein megageiles Saxophonsolo und einen Sänger, der so inbrünstig alles gibt, wie kaum ein anderer. Ich habe mal die von der Musik isolierte Leadgesangsspur der Studioaufnahme gehört. Kaum Schnitte, keine Dopplungen, was für ein Typ! Das ist sowohl charmant uneitel als auch einer der Hauptgründe, warum man Springsteen sofort jedes Wort abnimmt, was er da singt. Und dazu diese total dicke Produktion mit so vielen Kinkerlitzchen, da spürt man jede einzelne Schallwelle wie einen Windstoß, find ich gut. Oder mit den Worten der GOLDEN ECKATS: „Das muss kesseln in den Ohren, das muss drücken im Gesicht.“

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