INTERRUPTERS

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Mit Tim Armstrong im selben Boot

Um den Epitaph-Ableger Hellcat Records ist es eine gefühlte Ewigkeit sehr still gewesen. Bis sich das Label jüngst mit dem Debütalbum der Newcomer INTERRUPTERS zurückmeldete, die eine elektrisierende Mischung aus 2Tone-Ska und Punkrock spielen. Im Anschluss an ihr Konzert im Berliner K4 sprach ich mit Sängerin Aimee und Bassist Kevin.

Roger Miret hat in einer unserer letzten Ausgaben über das neue AGNOSTIC FRONT-Album gesprochen, das ja vor allem das „Sterben“ des Amerikanischen Traums thematisiert. Wenn ich euer Album höre, habe ich den Eindruck, dass es euch um ähnliche Dinge geht.

Aimee:
Ja, absolut. „The American Dream Died“ von AGNOSTIC FRONT ist sehr gut. In den USA kontrollieren einzelne Familien fast alles. Nicht nur in Amerika. Das ist verwirrend. Einigen wenigen gehört die ganze verdammte Welt.

Kevin: Es spielt keine Rolle, ob du aus New York bist, wie MADBALL oder AGNOSTIC FRONT, oder aus L.A. wie wir. Wenn es um soziale Themen geht, haben wir eine sehr ähnliche Meinung.

Aimee: In den USA haben wir ein Zwei-Parteien-System. Aber auch das ist im Endeffekt egal, denn es sind einzelne Unternehmen, denen alles gehört. Es spielt keine sehr große Rolle, welche Partei den Präsidenten stellt.

Kevin: Der Tag, an dem das, was Bands wie wir besingen, einen Einfluss auf das Ergebnis von Wahlen hat, wäre der Tag, an dem die Revolution kommt.

Geht ihr denn noch wählen?

Aimee:
Früher habe ich das noch gemacht.

Kevin: Nein, tue ich nicht. Denn es ist egal, für wen man stimmt. Beide Parteien werden von denselben Banken finanziert. Also gewinnt am Ende auch nur die Bank.

Wäre es möglich, eine dritte Partei in den USA zu etablieren?

Kevin:
Ich wünschte, das wäre möglich! Ich wünschte, wir hätten nicht nur eine dritte, sondern auch eine vierte ...

Aimee: Am Ende des Tages sind wir aber auch nur Musiker und können nur über das singen, was wir auch wissen. Und „all I know is that I don’t know nothing“, haha!

In letzter Zeit häufen sich die Berichte über Polizeigewalt in Baltimore und anderswo. Eure Meinung dazu?

Aimee:
Es gibt verdammt viel Polizeigewalt und -brutalität in Amerika. Es gerät außer Kontrolle. Schau dir die Militarisierung der Polizei an. Und dann das Erschießen von Leuten aufgrund der Hautfarbe. Der Polizeiapparat lässt sich kaum noch kontrollieren. Es sterben zu viele Menschen in unserem Land nur aufgrund ihrer Hautfarbe.

Kevin: Es wäre falsch zu glauben, dass das nur in Baltimore passiert. Es geschieht überall in den USA.

Aimee: Wir sind weiß, daher haben wir nicht das Recht zu sagen, dass wir wirklich verstehen können, wie sich das anfühlt, wenn man ein Farbiger ist. Wir können eine Ahnung entwickeln, wie furchtbar das ist. Wir werden es aber niemals wirklich fühlen können.

Skinhead Rob von den TRANSPLANTS, mit dem ich vor kurzem sprach, hat sich ganz ähnlich zu diesem Thema geäußert.

Kevin:
Skinhead Rob ist ein guter Freund von mir! Wenn Rob auf die Polizei trifft, gibt es oft Ärger. Sie denken sofort, er will Ärger machen.

Aimee: Ja, er kann erschossen werden – nur weil er aussieht, wie er eben aussieht.

Kevin: Wenn die Cops mich ansehen, denken sie wahrscheinlich: Okay, ein normaler weißer Junge. Aber wenn sie Rob mit all seinen Tattoos sehen, denken sie etwas anderes. Und da wird es dann gefährlich.

Aimee: Es kann passieren, wenn die Polizei dich nicht einordnen kann, dass sie dann sofort Angst kriegen. Und dann schießen sie zuerst. Aber es kommt hier auch darauf an, wo du bist. Es gibt sehr korrupte Städte und auch Orte, wo es besser ist. Es gibt natürlich auch gute Polizisten. Aber warum sie so schnell schießen ... ich habe keine Ahnung.

Kevin, du warst bereits vor Gründung der INTERRUPTERS mit Tim Armstrong von RANCID/TRANSPLANTS und Hellcat Records bekannt.

Kevin:
Ich habe zum Zeitpunkt der INTERRUPTERS-Gründung schon seit Jahren mit Tim gearbeitet. Ich war Keyboarder für die TRANSPLANTS ab 2005 und seit 2009 dann ihr Bassist. Für RANCID spiele ich auch seit Jahren Keyboard. Zusammen mit Tim habe ich auch das letzte RANCID-Album „Honor Is All We Know“ gemixt. Brett Gurewitz hat das Album produziert, auch ein super Typ!

Aimee: Hellcat Records und Brett Gurewitz’ Label Epitaph Records sind eine große Familie. Wir gehören alle zusammen. Bei Tims Bandprojekt TIM TIMEBOMB & FRIENDS sind wir, die INTERRUPTERS, in der Regel auch die Backing-Band. Wir sind die „Friends“. Kevin hat die TIM TIMEBOMB-Dreifach-LP, die gerade erschienen ist, auch gemixt. Tim und Kevin machen viel zusammen. Sie arbeiten hervorragend zusammen.

Kevin: Das läuft so: Tim sagt zu mir „Ich habe da diesen Song. Lass uns den heute aufnehmen und morgen veröffentlichen.“ Und dann machen wir das.

Tim ist ein ziemlicher Workaholic, oder?

Kevin:
Absolut. Tim hat ja vor kurzem über 300 Songs auf YouTube veröffentlicht, über ein Jahr lang ungefähr einen Song pro Tag.

Aimee: Wer hat so was jemals gemacht? Tim ist mein verdammtes Idol. Alle bei RANCID sind großartige Menschen. Wir als Band verdanken ihnen im Grunde alles. Wir haben so großes Glück, sie zu kennen, und noch größeres Glück, mit ihnen arbeiten zu können.

Wie haben die INTERRUPTERS zusammengefunden?

Kevin:
Ich sah Amy 2009, als sie noch solo unterwegs war. Ich sah sie mit nur einem Gitarristen auf der Bühne. Es war unfassbar gut. Ihre Songs waren so stark!

Aimee: Ich wollte, dass Kevin mein nächstes Album produziert. Als wir dann zusammen Musik machten, hatte ich keine Lust mehr, solo unterwegs zu sein. Ich sagte dann: „Lasst uns eine richtige Band sein!“ Als Tim Armstrong hörte, dass wir nun Musik als richtige Band zusammen machen, meinte er sofort: „Da will ich mit an Bord sein!“

Kevin: Also hat er die Platte produziert. Und auch mit an den Songs geschrieben. Er ist ein unglaublich guter Songwriter.

Aimee: Im Grunde ist er das fünfte Mitglied der Band, der fünfte Interrupter sozusagen. Wir sitzen oft in seiner Küche und schreiben mit ihm Songs.

Auf eurem Album covert ihr Bob Marleys „Judge not“. Warum habt ihr euch gerade diesen Song ausgesucht?

Aimee:
Das ist einer meiner Lieblingssongs. Ich liebe die Message dahinter: „Judge not, before you judge yourself!“ Besonders wenn wir den live spielen, fühlt sich das gut an.