LAST THINGS

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Mit Blick nach vorne das Gestern vergessen

Hamburg hat mal wieder seine Garagen geöffnet und – hoppla! – da ist ja eine neue Band herausgestolpert. THE LAST THINGS sind das neue Ding aus der Hansestadt in Sachen Garagerock, ganz ohne dabei in die genreüblichen Klischees zu verfallen. Und da es sich bei Frontmann Frehn Hawel wahrhaftig um keinen Unbekannten in der hiesigen Musikszene handelt, ist das Interesse an der Band gleich noch mal eine Portion größer als gewohnt. Zumal THE LAST THINGS im Frühjahr mit „Shake ’em Blues“ ihr viel beachtetes Debütalbum beim Münchner Label In Bloom Records veröffentlicht haben.

Entstanden ist die Band aus den Sechziger-Rockern ONE TWO THREE FOUR, die sich eines schönen Maitages im Jahre 2012 mit Frehn zusammensetzten und beschlossen, von nun an gemeinsam Musik zu machen. Frehn war bis dato auch schon ziemlich umtriebig in seinen Bands TIGERBEAT und NEAT! NEAT! NEAT!. Dieses Zusammentreffen war also schicksalhaft und musste zwangsläufig zu einem guten Ergebnis führen. Ein erster Auftritt des Quintetts beim Reeperbahn Festival folgte und von da an nahmen die Dinge ihren Lauf. Zahlreiche Auftritte folgten und die Band fand vor oftmals begeistertem Publikum langsam, aber sicher zu sich selbst.

Der Sechziger-Jahre-Garagerock war das Fundament, doch viele Stücke, die Frehn bereits in der Schublade liegen hatte, basieren auch auf Country- und Folk-Standards, so dass es zwangsläufig zu einer Aufweichung der engen Strukturen des Garagerock kommen musste. Das Songwriting stand von Anfang an im Vordergrund und es ging darum, nicht bereits ausgetretene Pfade zu beschreiten, sondern der Schublade, wenn es denn schon eine sein muss, ein paar neue Fächer hinzuzufügen.

Das hört man umso mehr auf ihrem Album „Shake ’em Blues“, das vor Abwechslungsreichtum und Spielfreude nur so strotzt. Natürlich knarzt die Gitarre auch hier gehörig und das Schlagzeug scheppert kräftige Beats, insgesamt ist der Sound der Band aber deutlich subtiler und differenzierter als bei vielen Kollegen des Genres. Auch wenn hier und da immer noch Frehns ewige Liebe zu JON SPENCER BLUES EXPLOSION herauszuhören ist, so wird man gleich beim nächsten Stück wieder auf andere musikalische Pfade mitgenommen. Wer bei Garagerock nur an Billy Childish oder die „Garage Punk Unknowns“-Sampler denkt, wird überrascht sein, wie viel mehr es in diesem Bereich zu entdecken gibt. Das ganze Leben spielt sich viel zu oft in festen Bahnen ab, da kann man wenigstens in der Musik die verkrusteten Strukturen aufbrechen und der Historie seinen eigenen Stempel aufdrücken. Und genau das haben THE LAST THINGS auf „Shake ’em Blues“ getan und stellen es live immer wieder aufs Neue unter Beweis.

Und was hat das alles noch mit Blues zu tun? Führt der Albumtitel nicht in die Irre? Nicht unbedingt. Denn die Basis ist und bleibt natürlich auch hier der Blues. Nur mit gemütlichen Schunkel-Rentnern, die es sich in ihrer Mucker-Nische bequem gemacht haben, hat das bei THE LAST THINGS nichts zu tun. Auch wenn die Band erfolgreich versucht, lähmende Klischees zu umschiffen, so weht doch stets ein Hauch von Sex, Drugs und Rock’n’Roll durch ihre Musik.

Das klingt vielleicht ein bisschen altmodisch, aber was ist daran verkehrt? Mit dem Blick nach vorne das Gestern nicht vergessen. Und so ist es natürlich auch selbstverständlich, dass „Shake ’em Blues“ nicht nur digital, sondern auch als klassische Vinylplatte erhältlich ist. Denn hierin sieht Sänger Frehn immer noch die Zukunft der Musik. Und dass alle Streaming-Dienste und mp3-Plattformen einen klassischen Tonträger, ein in sich geschlossenes Werk eines Künstlers nicht ersetzen kann, gilt für Frehn auch die nächsten Jahre noch.

Also wird es sicher auch das nächste Album von THE LAST THINGS nicht nur häppchenweise im Netz zu entdecken geben, sondern als liebevoll gestaltete Schallplatte. Von Musikfans für Musikfans. Denn im Endeffekt ist es das, was die Band ausmacht: Hier sind Liebhaber am Werk. Und das hört man jedem Ton an, den uns die Band um die Ohren haut. Egal, ob im Wohnzimmer, aus der Konserve oder im Live-Club um die Ecke. Das funktionierte schon vor fünfzig Jahren in unzähligen Kellern und Garagen überall auf der Welt, und das klappt es auch bei THE LAST THINGS aus den alten Gewölben der Roten Flora heraus, wo die Band ihr Headquarter bezogen hat.