Zum Tod von Schwefel

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Ein Nachruf

Ende der Achtziger war Norbert Schwefel kurzzeitig die Galionsfigur des deutschen Indie/Gothic Rock und der Liebling der Musikpresse: Sein 1986 erschienenes Debütalbum „Schizophrenic Party“ mit seiner wilden Mischung aus Gothic, Dark Wave, Punk, Electro und Psychedelic-Sounds sowie das in Bandbesetzung eingespielte, vom Glamrock inspirierte Nachfolgealbum „Hot In Hong Kong“ von 1988 gingen durch die Decke, die Single „Metropolis“ läuft noch heute in vielen Düsterclubs. Spex und Bravo feierten den 1960 in Lampertheim geborenen Sänger, Komponisten, Gitarristen, Keyboarder und bekennenden Marc Bolan-Fan unisono.

Nicht allzu lange. Seine musikalischen Grenzgänge zwischen den Genres, die zuerst begeisterten, verhinderten auf Dauer einen kommerziellen Erfolg. Anpassung an den Mainstreamgeschmack war seine Sache nicht, er blieb musikalisch abwechslungsreich und unberechenbar. Bei „Luna Messalina“ (1990) experimentierte Schwefel mit Computerrhythmen und liebäugelte 1992 auf seinem Album „Motor Psycho“ sogar mit Hard Rock.

Von einigen Live-Auftritten abgesehen wurde es deshalb bis Ende des Jahrtausends still um Schwefel. 2001 erschien mit „Edge City“ bei EFA eine Hommage an seine Wahlheimat Mannheim und ihre Schattenseiten, die zwar gute Kritiken erhielt, finanziell aber nicht erfolgreich war. Seiner Kreativität tat dies keinen Abbruch – bis 2014 entstanden auf seinem eigenen Label Sulphur Sonic Records noch sechs weitere Alben, mehrere Multimedia-Projekte und Filmsoundtracks.

Von 2003 bis 2007 organisierte Norbert Schwefel in Mannheim außerdem das Sulphur Sonic Festival, bei dem er sowohl zusammen mit lokalen Indie-Bands als auch mit überregional bekannten Acts der Underground-Szene wie zum Beispiel THE LEGENDARY PINK DOTS auftrat.

In den letzten Jahren hinderte ihn seine schwere Erkrankung, eine seltene, unheilbare Stoffwechselstörung, an weiteren Auftritten. Schwefel zog sich weitgehend aus der Öffentlichkeit zurück, veröffentlichte aber weiterhin Alben. Sein letztes Werk „Kolk“, das in Zusammenarbeit mit Volker Hartmann-Langenfelder entstand, erschien 2014 und war elektronisch düster – rabenschwarz, wie der Titel schon vermuten lässt.

Norbert Schwefel starb am 23. Juli 2015 im Alter von 54 Jahren in seiner Mannheimer Wohnung.

Karin Hoog