BABYLOVE AND THE VAN DANGOS / LEO & THE LINEUP

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Ska in Dänemark

Als Dänemark-Fan war ich schon einige Male bei den Nachbarn im hohen Norden. Kopenhagen ist nicht nur die Hauptstadt von Dänemark, sie entwickelte sich in den letzten Jahren auch zu einem wahren Treffpunkt für gute Ska-Bands wie BABYLOVE AND THE VAN DANGOS und LEO & THE LINEUP. Aus der Vergangenheit in Erinnerung geblieben sind mir lediglich DUCK SOUP und FURILLO. Ich wollte mehr über die Ska-Szene in Dänemark wissen, so dass ich Daniel Broman von BABYLOVE AND THE VAN DANGOS und Kevin Leo Jensen von LEO & THE LINEUP bat, davon zu berichten.

LEO & THE LINEUP sind eine achtköpfige Band aus Kopenhagen. Ska, Reggae und Soul stehen für das musikalische Rezept der Band seit 2010 – oder?


Leo: Unsere Musik ist sehr an Reggae und Soul angelehnt, wie er in den Sechziger Jahren gespielt wurde. Wie damals die jamaikanischen Reggae- und Ska-Musiker vom amerikanischen Soul angetan waren, ist dies so auch bei uns. THE LEONETTES, unsere Background-Sängerinnen, haben sich sehr stark von den Girlbands der Sechziger Jahre und der Motown-Ära inspirieren lassen. Und vergessen wir nicht den rauhen und harten Reggae, den seit Jahren die AGGROLITES praktizieren. Genau das schwebte uns auch vor. Ich hatte kürzlich das Vergnügen, beim Reggae Workers Of The World in Kopenhagen ein paar Stücke mit Jesse Wagner spielen zu dürfen. Das war ein ganz großer Moment für mich in meiner bisherigen musikalischen Karriere.

Und wie entwickelten sich BABYLOVE AND THE VAN DANGOS in diesem Kontext?

Daniel: BABYLOVE AND THE VAN DANGOS habe ich nach dem Ende von FURILLO im Jahr 2004 panikartig gegründet, da ich unbedingt weiter Musik machen wollte. Ich schaute mich dafür nach den besten Musiker um. Darunter sind auch zwei Ex-FURILLO-Kollegen, über zwölf Jahre sind wir drei nun schon zusammen. Neben mir besteht die Band aus Mikkel Szlavik am Schlagzeug, Jakob Thomhav an der Gitarre, Johan Bylling Lang am Saxophon, Jonathan Rahbæk am Bass und Bjarke Nikolajsen an der Trompete. Unser Auftritt beim Roskilde Festival war bisher ein ganz besonderes Highlight. Schon als Jugendliche besuchten wir das Festival. Und dann ging in diesem Jahr ein weiterer Traum von mir in Erfüllung, das fünfte Album mit der gleichen Band. Das ist heutzutage alles andere als selbstverständlich, denn wir müssen alle auch noch Rücksicht auf unsere Familien und andere private Dinge nehmen.

Beide Bands veröffentlichten 2015 auf Pork Pie ein neues Album. Wie fielen die Reaktionen aus?

Leo: Das hat sich ganz schön hingezogen, bis wir endlich das Album „Hit The Streets“ präsentieren konnten. Aber die Arbeit hat sich gelohnt und wir sind mit dem Resultat sehr zufrieden. Darauf zu hören sind einige richtig soulige Reggae-Songs, ein paar Balladen und einige Soul-Nummern. Die Rhythmus-Sektion haben wir live im Studio eingespielt, so dass der Sound rauher und dreckiger geworden ist und nicht mehr so sauber klingt wie auf unserem Debütalbum. Das verdanken wir der großartigen Arbeit der beiden Produzenten Christian Ki Dall und Ask Kæreby.

Daniel: „On My Life“ scheint den Kritikern in Deutschland gut zu gefallen. Mal sehen, ob sich das auch ansonsten so positiv entwickelt. Aber gute Kritiken sind das eine, den Geschmack der Leute zu treffen, ist das andere.

Welche Läden in Kopenhagen würdet ihr Leuten empfehlen, die in Sachen Punk oder Ska unterwegs sind?

Daniel: In Kopenhagen gibt es keinen festen Ort, an dem sich speziell Punks oder Ska-Fans treffen. Die Veranstalter haben ein sehr gemischtes Programm. Sehr gerne bin ich im Loppen in Christiania. Dort sah ich bekannte Bands wie MC5 oder JUNGLE BROTHERS, es treten dort aber auch viele interessante unbekannte Künstler auf.

Leo: Einer der vielen Konzertveranstalter macht sicher auch während deines Aufenthalts in Kopenhagen eine Punk- oder Ska-Show. Neben dem Loppen möchte ich euch das Jugendhaus Ungdomshuset in Dortheavej und das Beta in Amager ans Herz legen. So unterschiedlich die Läden auch sind, so spannend ist auch deren alternatives Programm. Allen Soul-Fans empfehle ich den Backstreet Northern Soul Club, der seit 1991 von dem Northern Soul-DJ Nick James geleitet wird.

Vom Loppen ging ja auch die Copenhagen Ska Convention/CSC aus. Was ist daraus geworden?

Daniel: Das war ein Drei-Tage-Festival. In den ersten Jahren hatte man das auf drei Veranstaltungsorte in Kopenhagen aufgeteilt. Aber in den letzten zehn Jahren fand alles im Loppen statt. Freitags spielten meist internationale Bands, der Samstag war für skandinavische Ska-Acts reserviert und am Sonntag spielten nur dänische Bands. Seltsamerweise war der Samstag immer ausverkauft, trotz jamaikanischer Ska-Urgesteine am Freitag. 2013 fand das CSC zum letzten Mal statt. Es kamen einfach nicht mehr so viele Besucher, so dass Hauptorganisator Lasse Lund Elmer die Veranstaltung einstellen musste.

Leo: Lasse fing damit im Jahr 2001 an. Es spielten dort Künstler wie Stranger Cole, Pauline Black, AGGROLITES, FURILLO, Doreen Shaffer, auch deutsche Bands wie YELLOW UMBRELLA, NAPOLEON SOLO und natürlich durften auch wir und BABYLOVE AND THE VAN DANGOS nicht fehlen. Finanziell ließ sich das einfach nicht mehr stemmen, so dass Lasse die Party 2013 zum letzten Mal veranstaltete. CSC war definitiv ein ganz großer und wichtiger Meilenstein für die dänische Ska-Szene. Sehr schade, dass das vorbei ist. Mit dem Ska Bash entwickelt sich aber gerade wieder etwas Neues. Kristian Nielsen veranstaltet einmal im Sommer im Ungdomshuset einen kleinen Ska-Weekender. Die meisten musikalischen Vertreter kommen derzeit noch aus Skandinavien.

Wie und mit wem begann Ska in Dänemark?

Leo: Die meisten Dänen wissen bis heute nicht, was Ska ist. Die zweite Welle 2Tone brachte DUCK SOUP hervor. Die Nachfolgeband NAPOLEON SOLO ist heute noch aktiv. In den Neunzigern mit der dritten Welle sorgten FURILLO mit „Break The Game“ für Aufmerksamkeit. So wurde ich auf die Musik aufmerksam. Mit der Zeit spielten die Leute aus der 3rd Wave aber immer mehr in Punk- und Hardcore-Bands, so dass der kurze Höhenflug schnell wieder vorbei war. Und jetzt haben sich ein paar Freunde traditioneller Ska- und Reggae-Musik zusammengefunden, um wieder frischen Wind in die Szene zu bringen.

Daniel: Die Ska-Szene hierzulande war und ist sehr überschaubar. Im Reggae-Sektor hingegen tut sich einiges, da viele Leute aus dem HipHop-Umfeld mehr und mehr Gefallen an Reggae finden, sich aber kaum für Ska interessieren. Wir sind da eher eine Ausnahme, experimentieren auch gerne mal mit anderen Stilen. Ansonsten aber scheint es eher so zu sein, dass die meisten Szenen lieber unter sich bleiben und ihr eigenes Ding machen.

Ska und Reggae ist rebellische Musik. Wie seht ihr die Entwicklung in Europa angesichts der Flüchtlingsdiskussion, den Rechtsruck in Dänemark, die Reaktion der dänischen Regierung und der Bevölkerung?

Leo: Ich war noch nie ein großer Freund von politischen Diskussionen und ich will darauf auch nicht näher eingehen. Nur so viel, mit den Entscheidungen der dänischen Regierung bin ich alles andere als einverstanden. Refugees welcome!

Daniel: Auch wenn wir uns mit Themen von Armut bis Rassismus auseinandersetzen, sind wir trotz allem keine politische Band. Unsere Texte beziehen sich auf eine persönliche Ebene und erzählen kleine Geschichten und keine Manifeste. Die Anzahl derer in Dänemark, die helfen wollen, ist größer als die derer, die ihren Hass im Internet verbreiten. Niemand kann sich ewig hinter seinem Computer verstecken, um hohle Phrasen auf Facebook zu schreiben. Die Schicksale bekommen Gesichter, die deine Familie, deine Freunde, dein Mann, deine Frau, deine Kinder sein könnten. Soweit ich das beurteilen kann, ruft es den Menschen in Erinnerung, dass wir alle gleich sind, egal woher wir kommen und wohin wir gehen. Das Problem ist doch, dass die Länder nach wirtschaftlichen Interessen regiert werden und die menschlichen Bedürfnisse unberücksichtigt bleiben. Das muss sich ändern, gerade weil auch in Dänemark und Schweden die rechtskonservativen Parteien immer mehr Zuspruch bekommen.