Ox-Sportstudio

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David Lebuser

„Beware, he’s possessed to skate“

David Lebuser ist Profi-Skateboarder. Aber nicht irgendeiner, sondern Deutschlands einziger WCMX-Profi. WCMX steht für WheelchairMX, angelehnt an BMX, wobei das das MX zwar für Motocross steht, aber nein, es wird kein Motor benutzt. Der Motor beim WCMX ist rein muskelbetrieben und wird mit Adrenalin angeheizt. Der Sport läuft weltweit offiziell unter dem Namen WCMX, aber es sind auch noch andere im Umlauf, wie Wheelchair Skating, Chairskating oder auf Deutsch ganz einfach Rollstuhlskaten. David verletzte sich 2008 an der Wirbelsäule und ist seitdem querschnittsgelähmt. Im Ox-Sportstudio berichtet er über seine Erfahrungen als Wheelchairskater.

David, warst du schon vor deinem Unfall Skateboarder oder hattest Kontakte in diese Szene?


Ich war mal ein ziemlich schlechter Skateboarder, also ja, ich hatte Kontakte in die Skateszene, zumindest in meiner Heimatstadt Frankfurt/Oder. Ich habe aber immer schon gern Skateboard-Filme geschaut und so war es für mich nach meinem Unfall grandios zu sehen, dass das auch mit dem Rollstuhl möglich ist. Das hat mir neue Welten eröffnet und mich motiviert. Durch meine Kontakte in die Skateboard Szene war es dann auch ein Leichtes zu sagen: So, jetzt probiere ich das selber! Ziemlich schnell war ich dann auch ein besserer Rollstuhl-Skater, als ich je Skateboarder war. Getragen von der Motivation, den Rollstuhl immer besser zu beherrschen und den Menschen zu zeigen, dass man überall hinkommt. Den Satz „Da kann man als Rollstuhlfahrer nicht hin“ habe ich oft gehört und er hat mich seit meiner Reha zu Höchstleistungen angespornt, denn ich wusste, dass es immer einen Weg gibt, und den habe ich dann gesucht und meistens auch gefunden.

Wie waren die Reaktionen der Skater, als du die ersten Male mit dem Rollstuhl im Skatepark aufgetaucht bist?

Als ich das allererste Mal, noch während der Reha, mit dem Leihrollstuhl im Skatepark war, waren die BMXer wohl eher geschockt, vor allem weil ich mich direkt beim ersten Versuch auf die Fresse gelegt habe, und sind dann völlig hysterisch um mich herum getänzelt, als ich auf dem Rücken lag. Ich habe mich dabei einfach nur tierisch gefreut und bin wieder in den Rollstuhl geklettert. Heute ist das eigentlich nicht viel anders. Wenn ich in den Skatepark komme, schauen mich alle mit großen Augen an, nur dass ich heute direkt zeigen kann, was ich kann, und nicht mehr direkt auf dem Rücken liege. Das Glotzen stört mich nicht so, aber wenn mir jemand schon Props gibt, bloß weil ich im Skatepark bin, kriege ich das Kotzen. Ich klatsche doch auch nicht Beifall, nur weil irgend ein Skateboarder seinen Fuß aufs Brett gestellt hat. Sollen die doch einfach glotzen und wenn ich einen fetten Trick gemacht habe, dann bin ich bereit für Zuspruch. Generell ist die Skateszene aber offen für Neues und so habe ich mittlerweile schon einiges ändern können. Von anfänglichen Rausschmissen aus Skateparks, weil ich als Rollstuhlfahrer nicht von der Versicherung abgedeckt sei, bin ich mittlerweile bei Anfragen von Skateparks, ob ich da nicht auch mal einen Workshop für Rollstuhlfahrer anbieten könne. Auch mit Skateparkplanern spreche ich gern über bauliche Möglichkeiten für WCMX-taugliche Skateparks.

Waren die ersten Trainingssessions nicht auch manchmal frustrierend? Wie gehst du mit Rückschlägen um?

Die ersten Trainingssessions waren für mich sehr motivierend, es war sogar so, dass mich Rückschläge noch mehr motiviert haben. Ich habe etwas so lange gemacht, bis ich es geschafft habe, und wenn etwas mal nicht geklappt hat, dann habe ich erst mal was anderes geübt. Am Anfang waren die Erfolgserlebnisse eigentlich sehr dominant, weil ich mir auch kleine Ziele gesetzt habe, um größere Ziele zu erreichen. Und wenn man sich über die kleinen Dinge freuen kann, dann ist es auch einfacher, mit den Rückschlägen bei größeren und schwereren Tricks umzugehen. Mein Skatestil, den ich mir angeeignet habe, ist davon immer noch geprägt. Bei den WCMX World Championships dieses Jahr in Dallas, Texas bin ich Dritter geworden ohne Backflips oder Handplants, dafür aber mit vielen kleinen und gut eingeübten Tricks, die ich dann auch locker aus dem Ärmel schütteln kann.

Gibt es beim WCMX auch eine nationale Szene oder trefft ihr euch eher auf internationaler Ebene?

Bisher finden die Competitions leider nur in den USA statt und auch da begrenzt sich das auf Kalifornien und die WM in Texas. In Europa haben wir aber mittlerweile eine stark wachsende Szene und ich denke, wir werden nächstes Jahr auch hier erste Contests organisieren, auch um eine faire Qualifikation für die Teilnahme an der WM zu ermöglichen. Neben den eigenen sportlichen Zielen ist es mittlerweile mein größtes Anliegen, den Nachwuchs zu fördern und eine Szene aufzubauen, denn vor allem für Kids ist das Skaten einfach eine super Sache.

Wer sind deine Sponsoren?

Meine Sponsoren sind Schwalbe, die sorgen dafür, dass ich weiter Gummi geben kann, Iriedaily, damit ich stylish gekleidet bin unterwegs, und Box Wheelchairs, damit ich auch ein stabiles Gestell für meine Tricks habe. Neben diesen drei Hauptsponsoren habe ich noch einige andere, die mich unterstützen, wenn mal Reparaturen anstehen oder wenn für die Veranstaltungen ein bisschen Kohle gebraucht wird. Meine Sponsoren bezahlen noch lange nicht alles, aber sie sorgen dafür, dass ich weiter auf meinem Weg bleiben und das mit anderen teilen kann. Mittlerweile kann ich es mir aber leisten, nur noch vier Tage die Woche meiner offiziellen Arbeit nachzugehen, die restlichen drei Tage bin ich dann meistens on the road zu den verschiedenen Skateparks. Da ich mich gern noch mehr um meine WCMX-Mission für Inklusion einsetzen möchte und auch noch ganz viele Projekte und Pläne in meinem Kopf herumschwirren, suche ich weiter nach Sponsoren, die mich dabei unterstützen möchten.

Trainierst du auch mal mit Musik?

Das kommt immer darauf an, wo ich bin und wie viel um mich herum los ist. Und ob ich gerade Bock auf andere Menschen habe oder nicht. Wenn viel los ist im Skatepark, dann finde ich Musik zu sehr ablenkend, weil du nicht hörst, wenn andere dich vor einem Zusammenprall warnen wollen, aber wenn nicht so viel los ist, dann gibt es Sounds, die mich sehr motivieren. Da ist der gute alte Skatepunk, der ja nicht von ungefähr so heißt, und so stehen AGENT ORANGE oder SUICIDAL TENDENCIES ganz oben in der Liste, auch DEAD KENNEDYS gehören definitiv in meine Skate-Playlist. Es gehören aber auch Bands wie TURBONEGRO und RED FANG dazu, und weil ich gern abwechslungsreichen Sound habe, dürfen bei mir QUEENS OF THE STONE AGE und auch Johnny Cash nicht fehlen.

Was sind deine Pläne für die nähere und weiter entfernte Zukunft?

Für die nächste Zeit habe ich mir vorgenommen, wieder selbst mehr zu üben. Die letzten zwei Jahre habe ich vor allem Skate-Workshops für andere gemacht und das macht auch Spaß, aber ich merke, dass ich mit der internationalen Konkurrenz nicht mehr lange mithalten kann. Deswegen und weil ich mich natürlich auch weiterentwickeln möchte, will ich mich wieder intensiver auf die nächsten World Championships vorbereiten. Die Workshops mache ich natürlich trotzdem weiter, aber wir wollen da ein bisschen umstrukturieren und mehr auf regelmäßige Angebote setzen statt große Touren. Dann schaffen wir zwar weniger Stationen, aber dafür wächst die Szene und somit auch der Kreis an Leuten, die es dann wiederum selbst weitertragen können. Ein weiteres organisatorisches Ziel ist es, erste Competitions auch hier in Deutschland und Europa an den Start zu kriegen. Es wird Zeit, dass die Amis auch mal über den Teich kommen und nicht immer nur umgekehrt.

Könntest du dir vorstellen auch Skate-Workshops für Flüchtlingskids anzubieten?

Auf jeden Fall! Ich kämpfe und werbe täglich für eine inklusive Gesellschaft und für mich hat das bei weitem nicht nur was mit Behinderungen zu tun. Inklusion ist die Teilhabe von allen Menschen an der Gesellschaft, wobei die Unterschiede und die Vielfalt als „normal“ gesehen wird und somit keine Veränderung des Individuums erfolgen muss, wie bei der bisher praktizierten Integration. Eine inklusive und bunte Gesellschaft ist mein Traum und deswegen ist auch jeder bei meinen Veranstaltungen willkommen, unabhängig von Herkunft, Behinderung oder sonstigen Unterschieden.